Essen. Essener Warenhauskonzern versucht „Befreiungsschlag“ von Benko und dessen Signa-Konzern. Die Aussagen zu Filialen und Arbeitsplätzen.

Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof hat zum dritten Mal seit 2020 Insolvenzantrag beim Amtsgericht Essen gestellt. Das bestätigte am Dienstag das Amtsgericht. Als Grund nannte Galeria eine negative Fortführungsprognose. Das bedeutet in der Regel, dass einem noch zahlungsfähigen Unternehmen absehbar die Überschuldung droht. Auslöser ist die Krise der österreichischen Muttergesellschaft Signa, die in Wien bereits Ende November Insolvenz angemeldet hatte und die ihren Verpflichtungen Galeria gegenüber nicht mehr nachkommt.

Galeria betonte in einer Mitteilung, die Geschäfte entwickelten sich derzeit gut, man habe „das erste Quartal des Geschäftsjahres 2023/24 über dem Vorjahresquartal abgeschlossen“. Die zahlreichen Insolvenzen der Signa-Gruppe schädigten jedoch „Galeria massiv, behindern das laufende Geschäft und schränken durch hohe Mieten und teure Dienstleistungen die künftigen Entwicklungsmöglichkeit stark ein“.

Konkret muss der Essener Warenhauskonzern nicht nur hohe Mieten an Signa zahlen, sondern wohl auch die von Benko im letzten Insolvenzplan 2023 zugesagten 200 Millionen Euro, die er für die Sanierung von Galeria zahlen müsste. Trotz zuletzt besser laufender Geschäfte droht deshalb offenkundig eine Überschuldung. Das ist laut Insolvenzrecht dann der Fall, wenn das Vermögen die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, sprich die Schulden das Eigenkapital übersteigen.

Den Insolvenzantrag versteht das Management als „Befreiungsschlag“, Ziele seien ein „Eigentümerwechsel“ und die „Lösung aus der Umklammerung“ des Signa-Konzern. Die Filialen und das Online-Geschäft würden „in vollem Umfang fortgeführt“. Der vom Amtsgericht Essen zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte Hamburger Anwalt Stefan Denkhaus gab sich optimistisch. Er wolle binnen „sieben, acht“ Monaten das Insolvenzverfahren beenden. Er starte die Suche nach einem neuen Investor „sehr kurzfristig“, es gebe bereits Interessenten.

Galeria: Insolvenzantzrag ist ein „Befreiungsschlag“ von Benko

Insolvenzexperte Denkhaus, der auch in Essen eine Niederlassung hat, ist ein erfahrener Restrukturierer, hat neben vielen anderen die Insolvenzverfahren des Windkraftunternehmens Prokon, des Ökostromversorgers EEV und des Online-Casinos Mr. Green gemanagt. Er hat nun das Sagen bei Galeria, aber Geschäftsführer Olivier van den Bossche und Finanzchef und Arbeitsdirektor Guido Mager bleiben mit an Bord.

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In der Essener Zentrale wird dieses Insolvenzverfahren als Chance gesehen, nach einer Abkopplung von Signa mit einem oder mehreren neuen Geldgebern den Fortbestand der Warenhauskette sichern zu können. Die Loslösung von der insolventen Mutter aus Österreich war bereits für die Schweizer Handelstochter Signa Retail Selection der Grund, in Zürich unter den Schutz der Schweizer „Nachlassstundung“ zu schlüpfen. Ihr Management hat erklärt, die Beteiligungen verkaufen zu wollen, darunter auch die deutsche Kaufhaustochter. Ziel ist es jeweils, sich dem Zugriff der Muttergesellschaft und auch der Verpflichtungen Signa gegenüber zu entziehen.

Dazu gehört bei Galeria dem Vernehmen nach auch, so bald wie möglich den Mietvertrag mit Signa für die Essener Zentrale zu kündigen, für die Signa rund vier Millionen Euro im Jahr verlangen soll. Bei der auch in dieser Insolvenz wohl nicht zu verhindernden Schließung weiterer Filialen dürfte ebenfalls eine Rolle spielen, ob sie Signa gehören oder jemand anderem. Die Zentrale sei zu groß und in die Jahre gekommen, sagte Galeria-Chef Olivier van den Bossche dem Handelsblatt, „dafür ist sie viel zu teuer. Darüber müssen wir auf jeden Fall verhandeln“.

Ruhrgebiets-Filialen gehören nicht Signa

Die Österreicher besitzen noch knapp 20 der 92 Immobilien, in denen Karstadt oder Kaufhof sitzen. Von den verbliebenen Ruhrgebiets-Filialen in Duisburg, Oberhausen, Mülheim, Essen, Bochum und Dortmund gehört nach Informationen unserer Redaktion keine mehr Signa. Von den gut 90 Filialen seien aktuell bereits „mehr als 60“ rentabel, sagte van den Bossche. Dass damit 30 Filialen zur Disposition stünden, verneinte er aber: „Wir brauchen eine kritische Masse von Filialen“, sagte er, „die liegt deutlich höher.“

Mit den zu erwartenden Filialschließungen ist wie schon 2020 und 2023 davon auszugehen, dass erneut auch viele Beschäftigte das Unternehmen verlassen müssen. Im vergangenen Jahr schrumpfte die Zahl der Stellen auf 12.500, die Zahl der Beschäftigten (mit Teilzeit) gab Galeria am Dienstag mit 15.000 an. Betriebsratschef Jürgen Ettl hatte bereits durchblicken lassen, dass in der Konzernzentrale erneut Stellen wegfallen werden.

Was die Regelinsolvenz für Galeria bedeutet

Dass es eine Regelinsolvenz wird und kein erneutes Schutzschirmverfahren, ist keine Nebensächlichkeit. 2020 und Anfang 2023 durfte der vom österreichischen Milliardär und seiner Signa-Gruppe eingesetzte Arndt Geiwitz zwei Schutzschirmverfahren leiten, eine Art „Insolvenz light“ in Eigenregie. Sie endeten jeweils mit einem weitgehenden Schuldenerlass durch die Gläubiger und einem Sanierungsplan, dessen Kern beide Male die Schließung von rund 40 Filialen bildete.

Kritiker monierten damals wie heute, Geiwitz habe dabei auch nicht vorrangig im Sinne des Warenhauskonzerns und seiner Beschäftigten gehandelt, sondern vor allem die Interessen Benkos durchgesetzt. Dazu gehörte die Beibehaltung der hohen Mieten von Karstadt und Galeria für die Häuser, die Benkos Signa-Gruppe gehören. Der im Insolvenzplan erneut versprochenen Gesundung des Unternehmens war das offenkundig nicht förderlich.

Ein drittes Mal werde es kein Schutzschirmverfahren geben, war aus dem Essener Amtsgericht schon früh zu hören. Tatsächlich bestellte es mit Denkhaus nun einen neutralen Insolvenzverwalter für ein Regelverfahren. Während bei einem Schutzschirmverfahren stets die Rettung des Unternehmens an erster Stelle steht, muss in einer Regelinsolvenz der Insolvenzverwalter vor allem die Interessen der Gläubiger wahren.

Galeria-Insolvenzverwalter setzt auch auf das alte Management

Das ist im Idealfall ebenfalls die Sanierung des Unternehmens einhergehend mit der Suche nach neuen Geldgebern. Sollte sich das im Zuge des Verfahrens aber als nicht realistisch erweisen, muss der Insolvenzverwalter weitere Verluste verhindern und das verbliebene Vermögen verwerten, sprich zu Geld machen. Das bedeutet bei einem Handelsunternehmen in der Regel, die Filialen an einen neuen Eigentümer zu verkaufen oder sie zu schließen.

Doch Insolvenzverwalter Denkhaus gab sich am Dienstag optimistisch, Galeria wieder auf Kurs bringen zu können. Galeria Karstadt Kaufhof habe sich unter der Führung von Olivier van den Bossche und Guido Mager intensiv Gedanken über die Verfahrensart gemacht und sich für ein Regelverfahren entschieden. „Ich denke, dass diese Entscheidung klug war, um den Befreiungsschlag zu dokumentieren. Das Management hat bereits viel erreicht und wird deshalb den Sanierungsprozess mit mir im Team führen“, kündigte er an.

Galeria-Sanierer Denkhaus: „Keine Zerschlagung geplant“

Auch Denkhaus betonte, die Insolvenzen der Signa-Gruppe hätten die zuletzt gute Entwicklung von Galeria konterkariert und bedrohten das Unternehmen. „Dem Management blieb deshalb kein anderer Weg, als das Unternehmen im Zuge einer Insolvenz aus dieser Umklammerung zu befreien. Wir werden gemeinsam mit aller Kraft daran arbeiten, den begonnen Weg unter besseren Rahmenbedingungen weiter fortzusetzen und Galeria als Unternehmen zu erhalten. Eine Zerschlagung ist ausdrücklich nicht Ziel des Verfahrens“, erklärte Denkhaus.