Berlin. Kinder verbringen immer mehr Zeit am Bildschirm – und viele Eltern fühlen sich machtlos. Ein Erziehungs-Experte rät zu klaren Regeln.
Ob mit dem Handy, Smartphone oder der Spielekonsole: Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren verbringen heute mehr Zeit an elektronischen Geräten als mit analogen Spielen und Freizeitaktivitäten. Teenager zwischen 14 und 17 Jahren hängen pro Woche 15 Stunden vor den Bildschirmen – und nutzen dafür sechs Stunden mehr Zeit als für Offline-Aktivitäten wie Sport. Das hat eine repräsentative Studie „Junge Familien 2023“ der Pronova BKK ergeben, für die 1000 Haushalte mit mindestens einem Kind befragt wurden.
Bei den Jüngeren hält sich die Mediennutzung noch in etwa die Waage: Die 10- bis 13-Jährigen nutzen pro Woche fast elf Stunden elektronische Medien und sind zehn Stunden zum Spielen oder Sport analog unterwegs. Selbst die unter Dreijährigen konsumieren bereits mehr als vier Stunden digitale Medien, wie ihre Eltern in der Umfrage angaben. Die Dunkelziffer über die wirkliche Nutzungszeit dürfte sogar noch höher liegen.
Mehr zum Thema:Handyverbot an Schulen – „Lehrkräfte sind völlig überlastet“
„Befragungen von Kindern zeigen oft viel höhere Nutzungszahlen. Eltern neigen dazu, sich die Bildschirmzeit ihrer Kinder kleinzureden“, sagt der Sozialpädagoge Clemens Beisel. Die hohen Nutzungszeiten ergeben sich auch daraus, „dass die Geräte fast überall von unterwegs genutzt werden können, wo die Eltern es nicht mitbekommen“.
Bildschirmzeit: Darum haben Eltern oft ein schlechtes Gewissen
Die Mehrheit der Eltern hat wegen der hohen Mediennutzung ihrer Kinder ein schlechtes Gewissen. 61 Prozent der Befragten grämen sich, weil sie zu viele Ausnahmen bei der Mediennutzung machen. Gleichzeitig fürchten 59 Prozent, dass sie ihren Kindern eine zu häufige oder zu lange Nutzung erlaubten. Gut die Hälfte gesteht aber auch ein, dass sie zu selten bei ihren Kindern seien, um die Nutzung von digitalen Medien zu kontrollieren oder für ein Alternativprogramm zu sorgen. Jeder zweite Erziehungsberechtigte erlaubt die Mediennutzung auch, um die Kinder ruhig zu stellen.
Viele schauen manchmal auch weg, wenn die Kinder die Bildschirme länger nutzen, um einer anstrengenden Debatte auszuweichen, so die Studie. In der Mehrheit (83 Prozent) aller Familien führt die Nutzung digitaler Medien zu Auseinandersetzungen. In gut 45 Prozent der Konflikte wird über die Dauer der Nutzung gestritten, über die Nutzung während des Essens (36 Prozent) oder zur Schlafenszeit (30 Prozent).
Lesen Sie auch den Kommentar:Handynutzung bei Kindern – Auch Eltern brauchen Regeln
Mediennutzung: Warum Eltern oft machtlos sind
Erziehung und Autorität setzen sich allerdings nicht immer durch: Viele Eltern versuchen, ihren Kindern klare Regeln und Grenzen bei der Mediennutzung zu setzen. Das Bemühen nimmt jedoch mit zunehmenden Alter der Kinder ab. So versuchen dies rund 80 Prozent der Eltern bei 3- bis 9-Jährigen und 69 Prozent der Eltern bei 10- bis 13-Jährigen. Ab 14 Jahren setzen noch 43 Prozent der Väter und Mütter auf Regeln.
Das Problem dabei: Die Kinder halten sich nicht immer an die Regeln. Unter den 14- bis 17-jährigen Teenagern folgen nur ein Viertel den elterlichen Vorgaben. Bei den 10- bis 13-Jährigen sind es laut Befragung 42 Prozent. Sogar bei den unter 10-Jährigen halten sich nach Angaben der Eltern nur rund 60 Prozent an die gesetzten Beschränkungen.
Dennoch raten Erziehungsexperten allen Eltern, die Zeit am Bildschirm durch gemeinsame Familienregeln zu begrenzen. Beisel empfiehlt folgende Orientierung: „Der Bildschirm bleibt ab 20 Uhr bei jüngeren Kindern aus. Bei 15- bis 16-Jährigen ab 22 Uhr.“ Der Sozialpädagoge rät zudem, eine Gesamtzeit festzulegen. Dies könnte auch technisch „über die Funktionen der Bildschirmzeit beim iPhone oder über den Family-Link in den Einstellungen der Geräte“ erfolgen.
Lesen Sie auch:Was Smartphones mit unseren Kindern machen