Essen. Beim Verkauf der Steag hat Ralf Schmitz eine Schlüsselrolle gespielt. Nun steht der Sanierer vor dem Abschied bei der Steag – und blickt zurück.
Ralf Schmitz kommt immer dann in ein Unternehmen, wenn es eng wird. So war es auch beim Essener Energieversorger Steag. Einst war die Steag Deutschlands größter Produzent von Strom aus Steinkohle. Doch mit wachsender Konkurrenz durch Windkraft und Solarenergie geriet der Revierkonzern in eine existenzbedrohliche Krise – auch zum Schaden der Stadtwerke aus Bochum, Duisburg, Dortmund, Dinslaken, Essen und Oberhausen, die das Unternehmen vor mehr als zehn Jahren vom Chemiekonzern Evonik gekauft haben. Schadensbegrenzung stand im Vordergrund, als Schmitz vor etwas mehr als zwei Jahren bei der Steag anfing. Schmitz, der Sanierer, sollte retten, was noch zu retten war.
Den Sanierer-Job macht Schmitz nun seit 25 Jahren – in unterschiedlichen Branchen. In der Textwirtschaft, der Medienbranche und in der Schwerindustrie war er unterwegs. Mehrere Jahre lang hat sich Schmitz mit der Pleite des Medienkonzerns Kirch befasst, später dann mit der Autowerkstattkette ATU und der Essener Gießerei-Holding DIHAG. „Ich habe im Laufe meines Berufslebens schon einiges erlebt. Aber die Steag war sicher in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes“, erzählt der 56-jährige Unternehmensberater. Die Steag – mit ihren vielen, zwischenzeitlich zerstrittenen kommunalen Eigentümern – galt als besonders schwerer Fall.
„In der Regel komme ich meist über die Banken, deren Geld im Feuer ist, in einen Betrieb“, erklärt Schmitz. „Aber meine Rolle ist klar: Ich arbeite im Interesse des Unternehmens.“ Es ergebe „keinen Sinn, als Dompteur aufzutreten“, fügt er hinzu.
Auch in der Essener Steag-Hauptverwaltung sei er „natürlich erstmal ein Fremdkörper“ gewesen, erinnert sich Schmitz. „Das Unternehmen ist ja eigentlich ein großer Mittelständler, aber die Strukturen waren verkrustet – wie in einem großen Konzern.“ Bis es zu Entscheidungen gekommen sei, habe es meist lange gedauert. „Manchmal wurde auch gar nichts entschieden.“ Das habe dem Unternehmen mit seinen mehr als 5000 Beschäftigten geschadet. „Dieses System der verkrusteten Strukturen musste aufgebrochen werden“, sagt Schmitz. Bei Veränderungen wolle er die Menschen im Unternehmen aber immer auch „überzeugen und mitnehmen“.
Konkurs der väterlichen Firma – „Wir haben alles verloren“
„Ich weiß aus eigenem Erleben, wie es sich anfühlt, wenn ein Unternehmen den Bach runtergeht“, erzählt Schmitz. Sein Vater habe ein mittelständisches Unternehmen geführt, das zufälligerweise auch die Steag belieferte. Kurz nach seinem Studium sei es zum Konkurs des väterlichen Betriebs gekommen. „Wir haben alles verloren“, sagt Schmitz. „Wir sind zum Geldautomaten gegangen – aber es kam kein Geld heraus. Diese Erfahrung hat mich geprägt, sie hat mich gelehrt, was wichtig ist im Leben und im Beruf.“ Durch die Erfahrung sei er „gedanklich unabhängiger geworden“, erzählt der Manager, der privat in Wermelskirchen im Bergischen Land lebt, verheiratet ist und fünf Kinder hat.
In jungen Jahren hat Schmitz für die Ruhrkohle gearbeitet, sich aber früh als Unternehmensberater selbstständig gemacht – spezialisiert auf Sanierungen. Dieses Geschäftsmodell hat ihn im Juli 2021 dann auch zur Steag geführt. Es ist stets ein Job auf Zeit. Angesichts des Verkaufs des Konzerns an die spanische Fondsgesellschaft Asterion, die sich in einem Bieterwettbewerb gegen den tschechischen Milliardär Daniel Křetínský und die RAG-Stiftung durchgesetzt hat, ist der Abschied von Schmitz bei der Steag absehbar. „Mit dem Abschluss der Transaktion ist meine Aufgabe bei der Steag abgeschlossen“, sagt Schmitz. „Meine Arbeit im Unternehmen wird dann enden.“ Bis zum Dezember 2023 soll der Verkaufsprozess erledigt sein.
Den Stadtwerken aus dem Ruhrgebiet fließen dann absehbar Millionensummen zu. „Wir rechnen mit Überweisungen an die Alteigentümer in zwei Schritten“, erklärt Schmitz. „Ein Großteil der Summe wird voraussichtlich im ersten Quartal 2024, also nach dem Vollzug des Firmenverkaufs fließen. Ein paar Wochen danach können die Alteigentümer mit einem weiteren Betrag rechnen, wenn der Steag-Jahresabschluss für 2023 erstellt ist.“ Die Steag und die Firmenneugründung Iqony werden mit rund 2,6 Milliarden Euro bewertet. „Nach Abzug der Verbindlichkeiten und bei Hinzurechnen der Cash-Bestände fließt ein Betrag an die Stadtwerke, der signifikant sein wird“, sagt Schmitz, der auch Geschäftsführer des Stadtwerke-Konsortiums ist. „Ich denke, das ist Geld, das die Kommunen für ihre Bürger gut gebrauchen können.“ Asterion habe „ganz klar das beste Angebot auf den Tisch gelegt“.
Vom Comeback der Kohlekraftwerke profitiert
Nur ein sehr kleines Team sei während des Verkaufsprozesses über die Gebote der potenziellen Investoren informiert gewesen, berichtet Schmitz. „Diese Diskretion war sehr wichtig für einen erfolgreichen Abschluss. Auf den reibungslosen Verkauf können wir stolz sein, es war eine erstklassige Teamleistung.“ Nach turbulenten Monaten bei der Steag zieht Schmitz ein versöhnliches Fazit: „Es fing mit schlechter Laune und keinem Geld in der Kasse der Steag an. Jetzt ist es genau andersherum.“
Profitiert hat der Sanierer allerdings auch davon, dass die Kohlekraftwerke der Steag angesichts des Kriegs in der Ukraine plötzlich wieder gefragt waren und satte Gewinne erwirtschaftet haben. „Natürlich haben wir auch Glück gehabt“, sagt Schmitz. „Als ich vor zwei Jahren bei der Steag begonnen habe, war das Comeback der Kohle nicht zu erahnen.“