Berlin. Der Schuhhersteller Birkenstock hat sich zur Designikone gewandelt – und soll jetzt an die Börse gehen. Umstritten ist er noch immer.

Wohl kaum ein Schuh teilt die Menschen so zuverlässig in zwei Gruppen wie die Kork-Latsche von Birkenstock. Zwischen hässlich und grandios gibt es wenig Zwischentöne. In den vergangenen Jahren überwog die Begeisterung für das Produkt mit Fußbett und Lederriemen. Konzeptkünstler nahmen sich der Sandale an, Schuhgroßmeister wie Manolo Blahnik. Und jetzt sind auch Anleger elektrisiert – und zwar nicht nur die, die Birkenstocks Sandale „Arizona“ zum Anzug tragen: Das ikonische deutsche Unternehmen könnte in den USA an die Börse gehen.

Dass die Information bekannt wurde, ist sehr wahrscheinlich Teil des Plans der Haupteigentümer. Die Finanzinvestoren L.Catterton (USA) und Financiére Agache (Frankreich) wollen sehen, wie viel Interesse das Unternehmen erzeugt. Und sie wollen es natürlich ins Gespräch bringen. Hinter L.Catterton steht der französische Luxuskonzern LVMH (Dior, Louis Vuitton, Tiffany), Financiére Agache ist die private Investmentgesellschaft von Bernard Arnault, Großeigner von LVMH.

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Der Börsengang ist angeblich nur eine Idee, die die Eigentümer durchspielen. Aber offenbar wollen sie nach zweieinhalb Jahren Geld sehen. Und wie immer, wenn einer der reichsten Menschen der Welt mitmischt, geht es um große Summen. Erst im Frühjahr 2021 hatten die Finanzinvestoren Birkenstock von Alexander und Christian Birkenstock gekauft. Die beiden halten noch einen Anteil.

So viel ist das Unternehmen Birkenstock heute wert

Der Preis wurde nicht genannt, in der Branche hieß es, das Unternehmen sei mit 4,9 Milliarden Dollar (damals etwas über vier Milliarden Euro) bewertet worden. Knapp zweieinhalb Jahre später rechnen die Eigner offenbar mit bis zu sechs Milliarden Dollar. So berichtet es zumindest die Nachrichtenagentur Bloomberg. Erstaunlich viel Wertsteigerung für ein mittelständisches Unternehmen, das vor der Übernahme angeblich knapp eine Milliarde Euro umsetzte und einen operativen Gewinn um die 150 Millionen Euro verzeichnete.

Die Deutschen lieben sie schon lange, jetzt fährt alle Welt auf die ab: Birkenstock-Sandalen.
Die Deutschen lieben sie schon lange, jetzt fährt alle Welt auf die ab: Birkenstock-Sandalen. © IMAGO/Pond5 | IMAGO/xjchizhex

Aber wie immer geht es nicht um das Ist, sondern um die Zukunft. Und da ist offenbar auch einiges möglich. Birkenstock hat das schon in den vergangenen gut 250 Jahren Geschichte bewiesen. Die Anfänge des Unternehmens aus dem rheinland-pfälzischen Linz am Rhein reichen bis 1774 zurück. Damals begann Johann Adam Birkenstock, Schuhe im hessischen Langen-Bergheim herzustellen. Konrad Birkenstock erfand dann in den 1920er-Jahren das flexible Fußbett mit dem Material Kork.

Die Sandale „Arizona“ gibt es seit 1963. Lange Jahre waren deutsche Touristen im Ausland an der für Modefans geradezu grauenhaften Kombination von kurzen Hosen, weißen Socken und „Arizona“ zu erkennen. Das Produkt war der Inbegriff deutscher Spießigkeit. Die geschlossene Variante „Boston“ galt lange als Gesundheitsschuh, war vor allem bei Ärzten und medizinischem Personal beliebt. Auch Ökos und Spontis zogen die Birkenstock-Produkte gern an.

Internationale Modewelt feiert die Firma aus Rheinland-Pfalz

Ein Visionär setzte hingegen schon auf die bequemen und gesunden Schuhe, als das Unternehmen noch als bieder galt: Apple-Gründer Steve Jobs war Fan. So richtig rund liefen die Geschäfte aber nicht. 2012 kopierte dann das Luxuslabel Celine einen Birkenstock-Schuh, als Obermaterial kam Fell zum Einsatz, nach innen gedreht. Plötzlich war der praktische, aber designerisch gewöhnungsbedürftige Schuh eine Provokation – und die liebt die Modebranche. Supermodel Kate Moss trug sie plötzlich, Heidi Klum wurde in ihnen gesehen, Designer kombinierten ihre neuen Kollektionen mit den Sandalen.

Zuletzt zerschnitt das New Yorker Designkollektiv MSCHF sogenannte Birkin Bags – Einstiegspreis für die ikonische Handtasche der Luxusmarke Hermès 5000 Euro – und fertigte daraus Birkenstocks. Sie kosten mehrere Zehntausend Euro. Luxus-Designer Manolo Blahnik, bekannt für die hohen Absätze seiner Schuhe, verabschiedete sich für ein Sondermodell davon und versah Birkenstocks mit Samt. Da ist also viel Fantasie im Markt, wie es auch an der Börse gerne heißt.

Birkenstock gibt es inzwischen in allen Formen und Farben.
Birkenstock gibt es inzwischen in allen Formen und Farben. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Während die Modewelt Birkenstocks anzog, sanierte in Linz am Rhein Geschäftsführer Oliver Reichert das Unternehmen. Bevor er 2013 antrat, lief es nicht rund, vor allem Firmenpatriarch Karl Birkenstock hatte auch etwas gegen Gewerkschaften und Betriebsräte. Das hat sich geändert.

Gürtel, Taschen, Betten: Wie aus Birkenstock nun Luxus wird

Heute produziert Birkenstock in Deutschland, baut gerade im mecklenburg-vorpommerschen Pasewalk für 120 Millionen Euro eine neue Fabrik. Auch das Werk im sächsischen Görlitz hat das Unternehmen ausgebaut. Das Unternehmen ist größter deutscher Schuhhersteller. Inzwischen arbeiten 5500 Mitarbeiter für Birkenstock, geliefert wird weltweit. Es gibt exklusive Serien der Schuhe. Im Programm sind inzwischen auch Gürtel, Taschen und Betten.

Reichert sprach 2021 davon, man suche einen Partner für die nächsten 250 Jahre. Der Geschäftsführer und die Birkenstocks verhandelten geschickt, spielten den Finanzinvestor CVC gegen L.Catterton und Financiére Agache aus. Im Blick hatten sie wahrscheinlich auch den Kölner Kofferhersteller Rimowa, den LVMH Ende 2016 von der Eigentümerfamilie übernommen hatte und auf Luxus trimmte. Reichert jedenfalls versprach sich von den neuen Eigentümern vor allem einen besseren Zugang zum wichtigen asiatischen Markt.

Aus den 250 Jahren sind nun möglicherweise nur drei geworden. Andererseits heißt Börsengang nicht, dass die Investoren komplett verkaufen. Meist geht nur ein Teil der Aktien an die Börse. Und dann ist der Börsengang auch nur eine von verschiedenen Varianten, wie Bloomberg berichtete. Womöglich kommt er doch nicht. Dann hat das Thema aber immerhin die Marke im Gespräch gehalten. Ob LVMH-Eigner Arnault privat Birkenstocks trägt, etwa auf seiner mehr als 100 Meter langen Yacht Symphony, ist nicht bekannt.