Hagen. Für so manchen war die Telefonseelsorge schon ein rettender Anker – Peter Beinert hat offene Ohren für diejenigen, die an Weihnachten vielleicht niemanden haben, der ihnen wirklich zuhört.

„Der Mensch braucht zwei Jahre, um sprechen zu lernen. Und fünfzig, um schweigen zu lernen.“
Ernest Hemingway

Peter Beinert ist nicht sein richtiger Name. Er ist auch nicht 55. Aber sein Engagement lebt von er Anonymität, deshalb möchte er weder Namen noch Alter preisgeben. Das macht er am Telefon auch nicht, dennoch ist Beinert aus Fleisch und Blut. Jemand, der anderen hilft, denen es aktuell nicht gut geht – auch und gerade zu Weihnachten. Peter Beinert arbeitet seit elf Jahren ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge Hagen.

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„Ich bin der Weihnachtsmann.“ Beinert übernimmt die Doppelschicht an Heiligabend, wenn andere unterm Tannenbaum singen. Er tut’s für die, die niemanden zum Mitsingen haben. „Einsamkeit ist ein großes Thema“, erzählt Beinert. Einmal rief eine Frau an, deren Mann in dem Jahr gestorben war. „Mit ihm hat sie immer eine bestimmte Weihnachtsplatte gehört. Also haben wir zusammen ein Weihnachtslied gehört, und sie hat geweint.“

Hohe Erwartungen Weihnachten

Beinert schenkt anderen Zeit. Beziehungskrisen, Streit – sind darüber hinaus Themen, die an Feiertagen hochkochen. „Die Menschen sind sensibler und an Weihnachten sind besonders hohe Erwartungen geknüpft.“ Aber insgesamt tickten die Uhren an diesen Tagen langsamer – und die Ehrenamtlichen der Telefonseelsorge bekommen ihrerseits etwas geschenkt. Etwa von den Mädels, die anriefen, um ein Weihnachtslied vorzusingen.

Grundsätzlich geht es bei allen Anruferinnen und Anrufern – der Frauenanteil überwiegt deutlich – darum gehe, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, in der Regel an Beratungsstellen weiterzuvermitteln. „Das Hauptziel ist die Entlastung“, unterstreicht Stefan Schumacher, der zusammen mit Birgit Knatz die Hagener Telefonseelsorge leitet.

Mitarbeiter werden in Gesprächsführung geschult

„Telefonseelsorge ist Seelenmassage“, bringt es Schumacher auf den Punkt. „Es lockert emotionale Verspannungen.“ Die Einrichtung rechtfertigt sich nicht mit Quantität. Nicht damit, wie viele Menschen zahlenmäßig anrufen. Das Argument ist vielmehr: „Die individuellen Schicksale, mit denen wir konfrontiert werden, bleiben nicht sich selbst überlassen.“ Prävention per Telefon.

Dafür werden sie geschult: in Gesprächsführung und darin, mit Sucht oder psychischen Erkrankungen umzugehen. „Trauer, Suizid spielen ebenfalls eine Rolle“, ergänzt Stefan Schumacher von der Telefonseelsorge. Mit Kindern redet man anders als mit Erwachsenen. Auch das bekommen die Ehrenamtlichen mit. Nicht als Startpaket, sondern begleitend zu ihren Einsätzen, über Supervision. „Das ist ein Entwicklungsprozess“, sagt Schumacher – und ein Selbsterfahrungstrip. „Nur wer mit sich im Gleichgewicht ist, kann andere in schwierigen Lebenslagen gut beraten.“ Peter Beinert wirkt ausgeglichen. Empathisch, freundlich, mit der gesunden Portion Distanz. „Die Gespräche bei der Telefonseelsorge sind keine Freundschaftsgespräche.“

Es geht nicht um Zurückweisung, sondern Professionalität. „Deshalb biete ich auch nicht an, dass mich Menschen ein zweites oder drittes Mal anrufen können“, sagt Beinert. Ein solches Angebot bleibt die Ausnahme. Augenhöhe ist die Regel, keine Belehrungen zu geben, aber Anregungen. „Ich versuche erwachsene Anrufer zu animieren, ihr Problem aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.“ Wer etwas ändern wolle, müsse etwas anders machen. „Das hilft oft, um eine Lösung zu finden.“ Zuhören und reden – das sind die Hauptfertigkeiten, die Menschen bei der Telefonseelsorge brauchen. Manchmal ist es auch das Schweigen. „Es hat seine Bedeutung am Telefon“, findet Beinert.

Sein Weihnachtsfest bekommt Peter Beinert trotz des ehrenamtlichen Dienstes. „Ich feiere am 25. mit meiner Familie“, sagt er. Friedvoll.