Bad Berleburg. . Noch ist sie Hartz-IV-Empfängerin, hat aber eine Stelle als Lehrerin in Aussicht. Doch wie soll die 30-jährige Wittgensteinerin ihren Arbeitsplatz im Hochsauerland erreichen? Ein 1000-Euro-Darlehen ihres Jobcenters würde ihr für ein gebrauchtes Auto reichen – doch die Behörde hält sich zurück.

Gerade hat die 30-jährige Wittgensteinerin an der Uni Siegen ihr Lehramtsstudium abgeschlossen, Zusatz-Qualifikation inklusive. An einer Grundschule im Hochsauerlandkreis steht ihr zum ersten Mai eine Stelle als Referendarin in Aussicht.

Problem nur für die alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin: Das Jobcenter in Bad Berleburg will ihr ein 1000-Euro-Darlehen für ein gebrauchtes Auto nicht gewähren, mit dem sie in 45 Minuten am neuen Arbeitsplatz wäre. Vielmehr, so die 30-Jährige, habe man ihr im Gespräch geraten, für die Anfahrt auf Bus und Bahn auszuweichen – oder einfach noch ein paar Monate Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen.

Die Ausgangslage

Seit März bezieht die Wittgensteinerin nach eigenen Angaben Leistungen der Arbeitsagentur nach ALG II für Miete und Lebensunterhalt. Das sei übrigens üblich, wenn man aus dem Studium direkt in die Arbeitslosigkeit gerate – und betreffe mit Sicherheit auch viele andere Hochschul-Absolventen in der Region, so die 30-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung.

18 Monate werde es noch dauern, so die Wittgensteinerin, bis die Bezirksregierung Arnsberg auch hier im Kreis Siegen-Wittgenstein wieder neues Lehrer-Personal einstelle. Ein Zeitraum, in dem ihr rund 1200 Euro pro Monat als Arbeitslosengeld zustünden – macht insgesamt 21 600 Euro aus öffentlichen Eingliederungsmitteln, welche die 30-Jährige mit Blick auf ihre Stelle aber gar nicht erst in Anspruch nehmen möchte.

Neuer Telefon-Service sorgt für Unmut

Die neuen Service-Telefonnummern des Jobcenters Bad Berleburg ( 02751/92045-100 und -101), seit Mitte März im Test, kommen bei Anrufern offenbar nicht gut an. Man gerate nach wie vor in viel zu lange Warteschleifen, sagen Kunden der Arbeitsagentur.

Dieter Tappert, Jobcenter-Sprecher für den gesamten Kreis Siegen-Wittgenstein, räumt zwar „Anlaufschwierigkeiten“ ein, doch habe man den „Überlauf“ bei den eingehenden Gesprächen im Griff.

Anrufern rät Tappert, nicht gleich aufzugeben – sondern zumindest auf den Anrufbeantworter zu warten, der sich nach 60 bis 90 Sekunden Warteschleife aufschalte. Dann hätten Kunden zumindest die Chance, ihre Telefon-Nummer für einen Rückruf anzugeben – und der werde in der Regel auch noch am selben Tag von einem Berater des Jobcenters erledigt.

Mit einer ersten Auswertung der Testphase, die dann auch solide Zahlen zu Nutzern und Rückrufen biete, rechnet Tappert in den nächsten Wochen.

Warum lehnt das Jobcenter die Bitte um das vergleichsweise geringe Darlehen für eine „Mobilitätshilfe“ nach Sozialgesetzbuch (SGB) ab? Die Behörde verweise auf ihren Ermessensspielraum, sagt dazu die 30-Jährige. Und die Banken gäben ihr als Hartz-IV-Empfängerin derzeit sowieso keinen Kredit.

Die Rolle einer Partei

Auch „Die Linke“, die sich als Partei in Wittgenstein verstärkt engagieren möchte, interessiert sich für den Fall. Soziale Gerechtigkeit müsse es ebenso für die Aus- und Weiterbildung solcher Menschen geben, so Siegfried Petri, die in einer sozial schwierigen Situation aufgewachsen seien. Deshalb sei man gerne in den Beratungsgesprächen beim Jobcenter als neutrale Zeugen dabei, so Petri und sein Parteikollege Dirk Spies.

Aber leider sei das Jobcenter im konkreten Fall offenbar nicht daran interessiert, bedauert Petri, die 30-Jährige auf ihrem Weg aus der Arbeitslosigkeit zu unterstützen – zumal sie das Darlehen sogar kurzfristig zurückzahlen müsste und auch würde.

Die Status-Prüfung

Ganz allgemein, so Dieter Tappert als Jobcenter-Sprecher für den gesamten Kreis Siegen-Wittgenstein, sei in solchen Fällen zunächst der Status des angehenden Lehrers zu prüfen: Ist das Referendariat die Basis für ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis mit dem Land NRW und Gehältern als Beamter auf Widerruf? Dann dürfe so ein Darlehen, wie es die Wittgensteinerin wolle, nach Sozialgesetzbuch gar nicht gewährt werden, erläutert Tappert – sondern nur solchen Hilfebedürftigen, die Aussicht auf einen Job als sozialversicherungspflichtig Angestellte oder Selbstständige haben.

Und selbst in solchen Fällen werde zuvor geprüft, ob nicht Anfahrten zum Arbeitsplatz etwa mit Bus und Bahn bis zu anderthalb Stunden zumutbar seien. Das könne bei Alleinerziehenden oder gar pflegenden Angehörigen natürlich einen ganz anderen Stellenwert haben.

Tipp für angehende Lehrer

Ausnahmen lasse das SGB leider nicht zu, so Tappert. Immerhin gibt er angehenden Lehrern in solchen Situation folgenden Tipp: Einfach mal beim Regierungspräsidenten in Arnsberg nachfragen, ob nicht das Land NRW als Arbeitgeber bereit sei, so ein Darlehen zu gewähren.

Nun alternativ mehrere Monate Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, könne jedenfalls nicht die Alternative sein, sagt Tappert. Vielmehr müsse es für die Jobcenter-Mitarbeiter oberstes Ziel in den Beratungsgesprächen mit ihren Kunden sein, „die Hilfebedürftigkeit so schnell wie möglich zu beenden“. Unterdessen kämpft die 30-Jährige auch juristisch um ihr Darlehen. Dem Sozialgericht in Dortmund liege der Fall bereits vor, sagt sie.