Hagen. Viele Empfänger von Grundsicherung bangen im Hochsauerlandkreis um ihre Wohnungen. In den vergangenen Monaten haben die Jobcenter hunderte von ihnen schriftlich aufgefordert, die Kosten für ihre Unterkünfte zu senken. Dem Märkischen Kreis steht dies noch bevor.

Mehreren hundert Empfängern von Grundsicherung im Hochsauerlandkreis droht der Auszug aus ihren Wohnungen. Dies geht aus Schreiben hervor, die in den vergangenen Monaten vermehrt von den Jobcentern im HSK versandt worden sind. In den Anschreiben weisen die Jobcenter die jeweiligen Empfänger darauf hin, dass die Kosten für ihre Unterkünfte zu hoch und daher unangemessen seien. Sie werden aufgefordert, entweder in günstigere Wohnungen umzuziehen oder aber einen Teil ihrer Mietkosten selbst zu tragen.

In einem solchen Schreiben des Jobcenters Arnsberg, das der Funke-Mediengruppe vorliegt, heißt es, es sei dem Steuerzahler nicht zuzumuten, „für einen Hilfeempfänger dauerhaft unangemessene Unterkunftskosten zu finanzieren“. Ähnliche Schreiben befinden sich nach Recherchen unserer Redaktion im gesamten Hochsauerlandkreis im Umlauf. Ursache dafür ist ein neues Konzept, das im HSK seit dem 1. August 2013 gilt. Demnach sind die Obergrenzen für die Unterkunftskosten, welche die Jobcenter den Empfängern von Grundsicherung gewähren, deutlich gesunken.

Gericht kippt Berechnungsmethoden

Der Hintergrund für diese Entwicklung reicht bis ins Jahr 2012 zurück. Bis dahin ermittelten die Jobcenter im HSK selbstständig die Obergrenzen der Unterkunftskosten für ihr jeweiliges Zuständigkeitsgebiet. Jedes Jobcenter versuchte die tatsächlichen Mietniveaus seiner Stadt abzubilden. Folglich galten kreisweit sehr unterschiedliche Höchstwerte. In Arnsberg zum Beispiel waren andere Höchstsätze gültig als in Meschede, Brilon oder Sundern.

Das Bundessozialgericht entschied im Mai 2012 jedoch, dass die von den Jobcentern angewendeten Berechnungsmethoden nicht schlüssig und deshalb unwirksam seien. Jede Kommune ohne „schlüssiges Konzept“ sollte sich fortan an den Höchstgrenzen orientieren, die im Wohngeldgesetz geregelt sind. Das bedeutete für den Kreis als finanziellen Träger der Unterkunftskosten potenziell zusätzliche Belastungen. Die Werte laut Wohngeldtabelle sind nämlich höher als die Sätze, welche die Jobcenter im HSK für sich errechnet hatten.

Der Hochsauerlandkreis entschied daraufhin, ein „schlüssiges Konzept“ zu erstellen und betraute das Hamburger Unternehmen „Analyse&Konzepte“ damit. Dieses ermittelte mit wissenschaftlichen Methoden neue Mietpreisobergrenzen für die einzelnen Kommunen des HSK, an denen sich die Jobcenter seit August 2013 zu orientieren haben. Diese sind deutlich niedriger als die zuvor geltenden Höchstgrenzen laut Wohngeldtabelle – und: Sie sind sogar niedriger als die Werte, welche die Jobcenter zuvor ermittelt hatten. In Arnsberg darf für eine Einzelperson jetzt maximal nur noch 299,50 Euro anerkannt werden.

Rücksicht auf Senioren und Kranke

Dies sind immerhin 39 Euro bzw. 10,50 Euro weniger als zuvor. Da die Empfänger von Grundsicherung obendrein alle sechs Monate beim Jobcenter einen Antrag auf Weitergewährung ihrer Mietkosten stellen müssen, kam es in den vergangenen Wochen und Monaten zum vermehrten Versand der oben genannten Aufforderungen zur Kostensenkung.

Welche Auswirkungen dies auf die Wohnungsmärkte der betroffenen Städte haben wird, ist momentan noch nicht abzusehen. Einige Grundsicherungsempfänger nutzen offenbar die Möglichkeit des Einspruchs gegen die Aufforderungen. Sie müssen jedoch glaubhaft begründen können, warum ihnen ein Umzug oder die Übernahme eines Eigenanteils nicht zumutbar ist. Andrea Welschoff, die Leiterin des Jobcenters Arnsberg, sagte auf Anfrage, jeder Fall werde individuell geprüft.

Besonders umsichtig werde bei älteren Menschen und Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorgegangen. Hier gebe es Ermessensspielräume. „Außerdem haben die Personen ein Jahr lang Zeit, sich auf dem Wohnungsmarkt nach einer geeigneten Unterkunft umzuschauen“, sagte Welschoff.

Im Märkischen Kreis bahnt sich ähnliche Entwicklung an 

Märkischer Kreis

Eine ähnliche Situation wie im HSK entsteht momentan im Märkischen Kreis (MK). Auch hier gilt seit dem 1. Januar 2014 ein sogenanntes „schlüssiges Konzept“. Potenziell betroffen sind kreisweit insgesamt 22.029 Haushalte. Fakt ist, dass die Mietobergrenzen im Vergleich zu den vorher geltenden Werten ebenfalls zum Teil deutlich gesunken sind. „Eine Übertragung auf Bestandsfälle ist sukzessive ab dem 1. Juli 2014 vorgesehen“, heißt es im Sitzungsprotokoll des Sozialausschusses vom 10. Dezember des vergangenen Jahres.

Ennepe-Ruhr-Kreis

Der Ennepe-Ruhr-Kreis arbeitet bereits seit Oktober 2012 mit einem „schlüssigen Konzept“. Dort gibt es kreisweit rund 14.200 Haushalte mit Empfängern von Hartz-IV-Leistungen sowie circa 3700 weiteren Personen, die Grundsicherung erhalten. Es liegen nach Auskunft des Kreises keine Zahlen vor, wie viele Kostensenkungsaufforderungen versandt wurden, seitdem das „schlüssige Konzept“ Anwendung findet.

Kreis Siegen-Wittgenstein

„Bisher wurde durch den Kreis Siegen-Wittgenstein noch kein schlüssiges Konzept bezüglich der Miethöhe entwickelt. Dies ist jedoch in Planung“, heißt es in einer Stellungnahme des Jobcenters im Kreis Siegen-Wittgenstein. Im gesamten Kreisgebiet gibt es 7804 Haushalte, die Hartz-IV beziehen. Allein auf die Stadt Siegen entfallen 4343 Bedarfsgemeinschaften sowie weitere 1432 Empfänger von Grundsicherung. Die aktuellen Mietobergrenzen sind zwar für die einzelnen Städte unterschiedlich, jedoch weitgehend an die Werte der Wohngeldtabelle angelehnt. Daher gab es auch bis dato keinen Versand von Kostensenkungsaufforderungen.

Kreis Olpe

Für den Kreis Olpe existiert ebenfalls kein „schlüssiges Konzept“. Die angemessene Grundmiete pro Quadratmeter wird auf Grundlage der „Vergleichsmietentabelle“ für den Kreis Olpe ermittelt. Mietsenkungsaufforderungen wurden auch hier nicht verschickt, teilte ein Mitarbeiter des Kreises mit.

Hagen

„In Hagen wird für die Festlegung der Obergrenzen der aktuelle Mietspiegel vom November 2013 festgelegt“, antwortete ein Sprecher der Stadt Hagen auf eine Anfrage unserer Redaktion. In Hagen habe kein Versand von Aufforderungen zur Reduzierung von Unterkunftskosten stattgefunden. Dazu gab es bisher jedoch auch keinen Anlass. Im Gegenteil: Im November vergangenen Jahres wurde der Betrag für die Kaltmiete pro Quadratmeter sogar um 10 Cent angehoben. In Hagen gibt es rund 12.000 Haushalte, die Grundsicherung erhalten.