Bad Berleburg. Am JAG ist der Wunsch nach Mitbestimmung bei der Europawahl groß. Die Schüler verraten, wie sie politische Beiträge auf TikTok und Co. finden.

Die Europawahlen stehen vor der Tür. In weniger als drei Wochen dürfen die 31.221 Wahlberechtigten aus Wittgenstein ihren Stimmzettel abgeben. Viele von ihnen stehen das erste Mal vor der Wahlurne und sind zum Teil noch unter 18 Jahre alt. Um die Ansichten der knapp 700 wahlberechtigten Minderjährigen zu erfahren, haben wir mit Schülerinnen und Schülern des JAGs und mit ihren Lehrerinnen gesprochen.

Fast alle Jugendlichen wollen wählen

Bei einer offenen Abfrage kam heraus, dass nahezu alle Jugendlichen, die das 16. Lebensjahr am Wahltag vollendet haben, an der Wahl teilnehmen möchten. „Es gibt ein großes Interesse an Wahlen und Mitbestimmung“, sagt auch Lehrerin Lena Schaumann, die selbst einen Sozialwissenschaftenkurs in der Q1 unterrichtet. Dieses politische Interesse zeige sich im Unterricht insbesondere bei Diskussionen über aktuelle Themen. Da nicht alle Schülerinnen und Schüler der Oberstufe in einem Sozialwissenschaftenkurs sind, werde bereits im Rahmen des Klassenverbands in der 9. Jahrgangsstufe Wert auf politische Bildung gelegt. „In der 9. Klasse geht es ganz gezielt auch um Europa“, erklärt Schaumann den Lehrplan. Die Neuntklässler lernen, wie die EU aufgebaut ist und wie die Wahlen funktionieren, damit sie, wenn es so weit ist, schon eine gewisse Grundbildung haben.

Das ist eine gute Übung, weil wir jetzt noch in der Schule sind.
Collin - Schüler der Q1 am JAG

Auf die Frage, ob sie wählen gehen möchte, antwortet die siebzehnjährige Hannah mit: „Ja, auf jeden Fall.“ Für sie ist es sehr wichtig, dass die Jüngeren in der Politik mitreden dürfen, damit auch die Interessen der zukünftigen Generationen vertreten werden. Dem stimmt auch Lena zu: „Wenn die Wahl schlecht enden würde, würde ich mich verantwortlich fühlen, wenn ich nicht gewählt hätte“, sagt sie. Für Collin (17) ist es besonders wichtig, an der Europa-Wahl teilzunehmen, weil er die Chance nutzen möchte, die Wahlsituation kennenzulernen. „Das ist eine gute Übung, weil wir jetzt noch in der Schule sind“, sagt er. Durch den Diskurs im Unterricht und die Möglichkeit, mit Lehrkräften über Themen zu sprechen, fühlen sich die Jugendlichen umfassend auf die Wahlsituation vorbereitet. Ob die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre eine gute Idee war, weiß Pauline (17) nicht so genau: „Einerseits ist es gut, andererseits aber auch nicht. Es sind noch nicht alle reif genug.“ Sie befürchtet, dass manche Jugendliche nur „aus Spaß“ bestimmte Parteien wählen und sich nicht mit deren Inhalten auseinandersetzen. Dennoch sind die befragten Jugendlichen alle davon überzeugt, dass es generell wichtig ist, jungen Leuten möglichst früh ein politisches Mitspracherecht zu geben.

Am JAG dürfen Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahren an der Juniorwahl teilnehmen.
Am JAG dürfen Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahren an der Juniorwahl teilnehmen. © Nora Denker | Nora Denker

Politische Themen viel im Gespräch

Auch in ihrer Freizeit scheinen einige Lernende des JAGs viel Zeit mit politischen Themen zu verbringen: „Wir reden viel über Politik“, sagt Thore (16) über seinen Freundeskreis. Die Interessen und Meinungen seien zwar teilweise sehr konträr, man diskutiere aber über aktuelle Ereignisse. Auch Charlotte redet mehr mit Freundinnen über Politik, als mit ihrer Familie: „Wir reden über die Parteiprogramme und darüber, was auf Social Media passiert“, erklärt sie. Sie kriege über die sozialen Medien zwar viel mit, meint aber: „Ich würde nicht sagen, dass mich das stark beeinflusst.“ Dennoch glaubt sie, dass andere Jugendliche in ihrer Meinung mehr durch den Social-Media-Feed beeinflusst werden. „Die Inhalte auf Social Media regen zum Nachdenken an, aber teilweise können dort auch falsche Ansichten sehr populär werden“, meint die sechzehnjährige Celina. Besonders auf TikTok nimmt Hannah populistische Äußerungen wahr, sie glaubt, dass Jugendliche sehr stark durch Inhalte auf den Plattformen beeinflusst werden. „Es wird sich auch viel darüber lustig gemacht“, meint sie über die Beiträge von Politikerinnen und Politikern.

Die Inhalte auf Social Media regen zum Nachdenken an, aber teilweise können dort auch falsche Ansichten sehr populär werden.
Celina - findet man kann sich auch auf Social Media gut informieren.

Trotz der vielen politischen Informationen auf Social Media greifen die Befragten auch gerne auf andere Quellen zurück: Der Wahl-O-Mat, die Internetseiten der Parteien, die Tagesschau oder auch ihre Lehrkräfte und Eltern helfen den Jugendlichen bei ihrer Wahlentscheidung. „Wenn ich Fragen habe, erklären mir meine Eltern das“, berichtet Charlotte. Und auch bei Hannah Zuhause ist Politik seit der Pandemie mehr ein Thema. Alle Jugendlichen berichten aber von unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Familie, insbesondere mit Blick auf verschiedene Generationen. „Die sagen mir: Das ist gut und das ist gut. Aber dann beschäftige ich mich damit und dann diskutieren wir“, erzählt Pauline. Lena glaubt, die Gespräche mit ihrer Familie haben ihr „Anstöße“ gegeben, letztendlich habe sie sich ihre Meinung aber über diverse Quellen selbst gebildet.

„Man muss alle Meinungen zulassen“

Das ist auch der Anspruch der Politiklehrerinnen. Die Jugendlichen sollen in der Lage sein, sich selbstständig zu informieren und dann zu einer fundierten Meinung kommen. „Man muss alle Meinungen zulassen“, erklärt Lena Schaumann. Auch Nastassja Olejak beobachtet in ihrem Unterricht, dass „die Fetzen fliegen“, weil die Standpunkte zu gewissen Themen so weit auseinanderliegen. Ziel sei es, die Schülerinnen und Schüler zur politischen Teilhabe zu bewegen: „Wenn aktiv gewählt wird, hat man schon viel geschafft“, sagt Schaumann. Der Sozialwissenschaften-Unterricht solle immer „im Kontext der Aktualität“ stattfinden, weswegen die Lehrkräfte im Zuge der Europawahlen versuchen, mehr auf Parteiprogramme und aktuelle Fragestellungen einzugehen. Am JAG scheint das geklappt zu haben, denn laut Charlotte gehen viele nur wählen, weil sie im Unterricht über ihr Wahlrecht und die ganz praktischen Details informiert wurden.

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