Wittgenstein. Achim Wickel will gemeinsam mit Uwe Lindner einen Neustart erreichen und die Herde verkleinern. Der Kreis hat dazu eine klare Meinung.

Mitten in eine Reihe von Hiobsbotschaften rund um das weltweit beachtete Wisentprojekt hinein versprühen zwei Menschen Optimismus, die das Projekt „Wisente im Rothaargebirge“ von Anfang an begleiten. Einer von ihnen ist Achim Wickel aus Feudingen - er selbst ist Wisenthalter und Kritiker der ersten Stunde. Der Zweite von ihnen ist Uwe Lindner, ehemaliger wissenschaftlicher Leiter des Artenschutzprojektes. Gemeinsam wollen sie nach dem Aus des Trägervereins das Artenschutzprojekt retten. „Mit uns ist das Wisentprojekt nicht zu beerdigen“, macht Wickel im Gespräch klar und spart nicht mit Kritik an den bisherigen Machern: „30 Gärtner operieren am offenen Herzen. Am Ende ist der Patient tot, aber auf der Beerdigung gibt es schöne Blumen“, wird der Feudinger polemisch.

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Wisente nach Rumänien und Hessen

Er fühlt sich missverstanden. Gemeinsam hatten Lindner und Wickel dem Kreis ihre Ideen vorgestellt, die sich aber in einem wesentlichen Detail unterscheiden. „Wir sind Tausende von Kilometern auf eigene Kosten gefahren und haben uns Wisentprojekte angeschaut“, sagt Wickel. Er könne sich vorstellen, 20 bis 25 Tiere nach Rumänen zu vermitteln. Dort gebe es Projekte, die nicht als Artenschutzprojekte liefen und bei denen deshalb die fehlenden Herdbucheinträge kein Hindernis seien. „Mit den restlichen Tieren wollen wir neu starten“, sagt Wickel. „Es muss doch möglich sein, 25 Wisente in Deutschland zu halten.“ Allerdings wolle Uwe Lindner gerne im Rothaargebirge weitermachen. Wickel hält das wegen der anhaltenden Rechtsstreitigkeiten für „verbrauchte Landschaft“. Er könne sich eine Ansiedlung der Tiere im hessischen Hinterland vorstellen. Dort sei die Landbesitzstruktur eine andere und die Wisente könnten bei der Offenhaltung der Landschaft helfen.

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30 Gärtner operieren am offenen Herzen. Am Ende ist der Patient tot, aber auf der Beerdigung gibt es schöne Blumen.
Achim Wickel - Wisenthalter

Für den Kreis Siegen-Wittgenstein bestätigt Pressesprecher Manuel Freudenstein die Gespräche, an denen neben Wickel und Lindner auch die Bezirksregierung Arnsberg, der Landesbetrieb Wald und Holz NRW, die Wittgenstein-Berleburg’sche Rentkammer und der Kreis Siegen-Wittgenstein unter Einbeziehung des zuständigen Ministeriums der Landesregierung beteiligt gewesen sein sollen: „Den Herren Lindner und Wickel wurde in einer gemeinsamen Videokonferenz der genannten Vertragsparteien die Gelegenheit gegeben, ihre Vorschläge in die Überlegungen einzubringen. Die Vorschläge wurden aber zunächst in einer sehr vagen, nicht konkretisierten Form dargelegt. Weitere Informationen wurden tatsächlich davon abhängig gemacht, dass eine Fortführung des Freisetzungsprojektes ebenso in Aussicht gestellt wird wie eine aktive Beteiligung an einer zukünftigen Trägerkonstruktion“, so Freudenstein.

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Keine neuen Vertragspartner geplant

Einer Beteiligung von Wickel und Lindner erteilt der Kreis aber eine klare Absage: „Sollten umsetzbare Möglichkeiten zur Verbringung von Tieren gefunden werden, dann werden diese sicherlich nur im Einvernehmen und in gemeinsamer Verantwortung der verbliebenen Vertragsparteien des öffentlich-rechtlichen Vertrages umgesetzt. Die Bereitstellung der gegebenenfalls erforderlichen Finanzmittel ist vom zuständigen Ministerium ebenso in Aussicht gestellt worden wie eine Übernahme der Kosten, die mit der weiteren Betreuung der Tiere bis zu einer Entscheidung über die nächsten Schritte verbunden sind.“

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Der Kreis macht laut Freudenstein klar, was aktuell das Hauptproblem sei: die Trägerstruktur. Der Kreis werde nicht die alleinige Verantwortung übernehmen, weil dafür auch das politische Mandat fehle und man auch nicht im Besitz der Tiere sei: Diese Besitzrechte liegen nach wie vor beim insolventen Trägerverein, der sich durch die einseitige Erklärung der „Herrenlosigkeit“ der Tiere lediglich seiner Verantwortung für die Wisente entziehen.

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„Stattdessen stimmen derzeit die anderen Vertragsparteien des dem Projekt zugrundeliegenden öffentlich-rechtlichen Vertrags – also die Bezirksregierung Arnsberg, der Landesbetrieb Wald und Holz NRW, die Wittgenstein-Berleburg’sche Rentkammer und der Kreis Siegen-Wittgenstein unter Einbeziehung des zuständigen Ministeriums der Landesregierung – die notwendigen Maßnahmen zur Betreuung der Tiere ab. Dabei versuchen sie auch, Lösungen zur von allen Beteiligten als unabweisbar notwendig erachteten Verkleinerung der Herde zu finden“, heißt es weiter.

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Junge Bullen sollen weggebracht werden

Hierfür zeichneten sich erste Lösungsansätze ab, die aber noch abschließend geprüft und mit den Behörden, die für die Projekte, in welche die Tiere verbracht werden sollen, abgestimmt werden müssen. Dabei spielen auch die von der Redaktion angesprochene Themen wie die Blauzungenkrankheit, Impfstatus oder genetische Abstammung eine Rolle. „Die Fanganlage im Wisent-Managementgatter ist so konzipiert, dass eine Immobilisierung der Tiere nicht nötig erscheint. Die erforderlichen Blutproben werden aufgrund des eingebauten Fangstandes am wachen, nicht immobilisierten Tier möglich sein. Vorrangig sollen adulte Bullen und drei- bis vierjährige Jungrinder verbracht werden“, erläutert der Kreis abschließend.

Unterm Strich bremst das den Optimismus von Wickel und Lindner: „Ja, aber wir wollen nicht. Die suchen ja nur Handlanger“, sagt Wickel.