Bad Berleburg. Nach Eifersuchtsdrama und 11.000 Euro Schaden musste eine Berleburgerin jetzt erneut vor Gericht. Das entschied über ihre Schuldfähigkeit.
„Ich kann mich nicht an den Tag erinnern“, so die 41-Jährige vor dem Schöffengericht in Bad Berleburg. Eine 41-jährige Bad Berleburgerin, die bereits im Dezember 2023 vor Gericht gestanden hatte, musste sich nun wegen des fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr und wegen der Beschädigung fremdem Eigentums vor dem Schöffengericht in Bad Berleburg verantworten.
Der Frau wird vorgeworfen, am 13. Juni 2023 gegen 6 Uhr, als sie nach einem Streit mit ihrem Ehemann mit dem Auto zur Polizeiwache unterwegs gewesen war, umgekehrt zu sein und dann mehrfach absichtlich das Auto ihres Ehemanns gerammt zu haben. Dieses Manöver führte zu einem Totalschaden des Autos, der laut Gutachten der Anklageschrift bei einer Höhe von 11.000 Euro liegt.
Der Ehemann der Angeklagten hatte am Tattag die Polizei gerufen, da sich seine Frau in einem „psychischen Ausnahmezustand“ befunden habe. Der zuständige Polizeibeamte bestätigte vor Gericht: „Der Drogeneinfluss der Frau war stark bemerkbar“, die Angeklagte sei „hysterisch“ gewesen. „Sie wollte nichts mit uns zu tun haben“, berichtet der Polizist, wie die 41-Jährige sich immer weiter in ihr Wohnhaus zurückzog, um nicht mit den Beamten sprechen zu müssen. Um „Ruhe in die Situation zu bringen“, habe man sich deshalb entschieden, die Berleburgerin mit auf die Wache zunehmen.
Die daraufhin durchgeführte Blutuntersuchung ergab, dass sich Spuren von Kokain, THC und einem Antipsychotikum im Blut der Angeklagten befanden. Aus diesem Grund hatte der Rechtsanwalt der Frau beim ersten Verhandlungstermin gefordert, ein Gutachten zur Schuldfähigkeit seiner Mandantin zum Tatzeitpunkt einholen zu lassen. Vor dem Schöffengericht wurde der Fall nun behandelt, da sich die Tat im öffentlichen Raum ereignet hatte und damit, durch die Fahrt mit dem Auto, einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr darstellt.
„Vielleicht ist das ein Schutzmechanismus des Körpers. Der Tag ist weg.“
Bei der diesigen Verhandlung gab die Angeklagte an, sich nicht an den Tattag zu erinnern. „Vielleicht ist das ein Schutzmechanismus des Körpers. Der Tag ist weg.“ Dennoch gestehe sie die Tat, nicht aber die absichtliche Beschädigung des Autos ihres Mannes, so ihr Strafverteidiger Wolfgang Wehn. Wie es zum Drogenkonsum gekommen war, wollte die Angeklagte nicht erläutern. Allerdings konsumiere sie seit einigen Monaten freiwillig keine Rauschmittel mehr. „Es ist traurig, dass es so weit gekommen ist“, meinte die zweifache Mutter. Wie sie selbst dem psychologischen Gutachter und dem Polizeibeamten nach wiederholter Belehrung erklärt hatte, habe sie das Auto ihres Mannes als Strafe für sein mutmaßliches Fremdgehen beschädigt. Sie und ihr Ehemann haben sich allerdings nach dem Vorfall ausgesprochen und leben nach wie vor zusammen.
„Die Suchterkrankung hat gravierende Auswirkungen und verschlechtert die Grunderkrankung. Meiner Meinung nach ist die Tat überwiegend auf die psychotische Erkrankung zurückzuführen“
Der geladene Facharzt für Psychotherapie und Psychiatrie bestätigte in seinem Gutachten, dass die Angeklagte bis zum Tatzeitpunkt regelmäßig Cannabis und seit etwa zwei Jahren auch Kokain konsumiert habe. „Aus meiner Sicht wurde Cannabis auch abhängig konsumiert“, so der Gutachter. Bei der testpsychologischen Untersuchung habe die Angeklagte von psychotischen Erlebnissen, die seit ihrer Kindheit auftreten, und von Angstzuständen und Halluzinationen, die besonders unter Entzug von Rauschmitteln vorkommen, berichtet. Die psychotischen Episoden haben schon mehrfach zu stationären Klinikaufenthalten geführt, sie leide unter einer paranoiden Schizophrenie.
Sowohl die Intoxikation zum Tatzeitpunkt und die psychotische Grunderkrankung sprechen laut Gutachter für die Schuldunfähigkeit der Angeklagten zum Tatzeitpunkt. „Die Suchterkrankung hat gravierende Auswirkungen und verschlechtert die Grunderkrankung“, erklärte der Facharzt. „Meiner Meinung nach ist die Tat überwiegend auf die psychotische Erkrankung zurückzuführen“, so der Mediziner, der das Tatmotiv vor allem in dem Eifersuchtswahn der 41-Jährigen erkennt. Dennoch sei aufgrund der Historie der Angeklagten nicht von Wiederholungstaten auszugehen. Sie hat keinerlei Vorstrafen oder Einträge im Verkehrszentralregister.
Nach der Anhörung des Gutachters entschieden Richter Torsten Hoffmann, der Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Strafverteidiger einstimmig, dass es keiner Vernehmung des Ehemanns der Angeklagten mehr bedürfe.
„Ganz offensichtlich hat die Angeklagte die Tat begangen. Sie kann hier aber nicht bestraft werden“, schlussfolgerte der Staatsanwalt. „Es gab keinerlei Hinweise, dass sie vorher schon so agiert hat“, weswegen sie aufgrund ihrer Schuldunfähigkeit freizusprechen sei. Demnach lautete auch das Urteil des Schöffengerichts: Freispruch. „Wer nicht schuldfähig ist, kann für eine solche Tat nicht bestraft werden“, so Richter Torsten Hoffmann. Der Berleburgerin wird für sechs weitere Monate die Fahrerlaubnis entzogen. „Ein Ratschlag, auch aus der Beratung mit den Schöffen heraus, noch: Kümmern sie sich um ihre Drogenproblematik. Das dürfte für Sie persönlich und für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis hilfreich sein“, schloss Richter Hoffmann die Verhandlung ab.