Bad Berleburg. 56-Jähriger fühlt sich von Arbeitgeber schlecht behandelt. Der Erndtebrücker griff deshalb zur Pistole. Jetzt muss er ins Gefängnis.

Fast ein Jahr ist es nun her, dass der Angeklagte am frühen Morgen mit einer scharfen Waffe das Firmengelände betrat, um mit seinem Vorgesetzten ein klärendes Gespräch zu suchen, das schnell eskalierte. Sein Vorgesetzter habe ihn des Geländes verweisen wollen, da er krankgeschrieben war und sehr aggressiv wirkte. Vor den Augen anderer Mitarbeiter schoß der 56-Jährige Mann aus Bad Laasphe während des Streites einmal in die Luft und einmal in den Boden. Vior dem Schöffengericht in Bad Berleburg sagte der Beschuldigte aus, er habe darum gebeten, dass jemand die Polizei rufe.

Als Polizeibeamte aus Bad Berleburg und Bad Laasphe vor Ort eintrafen, lag die Waffe bereits auf dem Boden, wie mehrere Einsatzkräfte im Gerichtssaal aussagten. Die Beamten hätten ihn zu Boden geredet und der 56-Jährige habe sich „festnehmen lassen“. Auf die Fragen des zuständigen Hauptkommissars habe er auch geantwortet. Angaben zur Tat hätte er jedoch nicht gemacht.

Angeklagter fühlt sich auf der Arbeit schikaniert

Aber wie konnte es zu dieser Tat kommen? Der Angeklagte beginnt die Erzählung der Ereignisse bei seinem Bewerbungsgespräch. Ihm seien falsche Versprechungen gemacht worden. Eine Ausbildung, wie sie ihm angekündigt wurde, habe er nicht erhalten, der Lohn sei auch nie erhöht worden. Auf seine Diabetes-Erkrankung sei keine Rücksicht genommen worden und auch das Bedienen der vier Maschinen mit zwei Personen sei gefährlich und unzumutbar gewesen. „Ich habe schon vieles erlebt bei anderen Arbeitgebern, aber nie so etwas“, so der 56-Jährige.

Kriminelle Vergangenheit

Der Beschuldigte hat eine kriminelle Vergangenheit, wie er vor Gericht selbst zugibt. Aus dieser Zeit stamme auch noch die Pistole. „Die Waffe war immer sicher bei mir, ich habe sie nie benutzt. Ich kenne mich aus. Aus meiner Zeit bei der Bundeswehr weiß ich, was sie anrichten kann“, so der Angeklagte. Seit 20 Jahren führe er nun ein Leben fernab der Kriminalität, was durch diesen Vorfall vorbei sei. „Ich habe nur noch zehn Euro in der Tasche, nichts zu Essen, kein Auto. Das hat er mir alles weggenommen“, wirft der Beschuldigte seinem Vorgesetzten vor.

Eigentlich wollte ich mit ihm nach Siegen fahren und ihn auf einer Kreuzung vor aller Augen erschießen.
Angeklagter - über seinen Vorgesetzten an der Arbeit

Der Angeklagte kommt aus Russland, ist jedoch mit 17 Jahren nach Deutschland gekommen. Das System in Russland habe er jedoch als System der Selbstjustiz empfunden. Schon in seiner Kindheit habe er Gewalt erfahren. Bis zum Ende letzten Jahres habe sich der Angeklagte in einer psychiatrischen Einrichtung befunden. Auf eigenen Wunsch, wie er aussagt. „Eigentlich wollte ich mit ihm nach Siegen fahren und ihn auf einer Kreuzung vor aller Augen erschießen“, so die schockierende Aussage, die er vor dem Schöffengericht Bad Berleburg über seinen ehemaligen Arbeitgeber macht.

Vorgesetzter empfindet Verhalten als aggressiv und bedrohlich

Bei seinem morgendlichen Rundgang gegen 5 Uhr habe der Arbeitgeber den Angeklagten erst gar nicht erkannt. Er habe ihn mehrfach beleidigt und ein klärendes Gespräch im Büro führen wollen, was der Arbeitgeber abgelehnt habe. „Er war sehr aggressiv, deshalb wollte ich nicht mit ihm allein sein“, erinnert er sich der Vorgesetzte im Zeugenstand. Der Beschuldigte sei sehr nah an ihn herangetreten, habe ihn bedroht und den ersten Schuss in die Luft neben seinem linken Ohr abgegeben.

Inzwischen übt er bedrohte Vorgesetzte seinen Beruf in dieser Position nicht mehr aus, da er nach diesem Erlebnis Bedenken habe, „jemandem auf die Füße zu treten“. Die Bedrohung habe er nicht durch die Waffe, sondern durch das Verhalten des Angeklagten ihm gegenüber empfunden. Der Arbeitgeber war bis zur Verhaftung davon ausgegangen, dass es sich bei der Waffe nur um eine Schreckschusspistole handle. Auch zwei der drei Augenzeugen sagen aus, dass sie sich nicht sicher gewesen seien, ob die Waffe echt sei.

Andere Mitarbeiter unter Schock

Während der Tat befanden sich noch mehrere andere Mitarbeiter in der Halle. Es hätte ein Streitgespräch stattgefunden, auf das jedoch zunächst niemand geachtet habe. Das gehe sie ja nichts an, so ihre Aussage. „Es wird bei uns oft mal lautstark, da möchte man nicht mit reingezogen werden“, sagt ein Zeuge aus. Beide Seiten seien handgreiflich geworden.

Plötzlich sei dann ein lauter Knall zu hören gewesen. „Dieser Knall, das muss ein Schuss gewesen sein“, erinnert sich ein Zeuge, woraufhin er zu einem Kollegen in die Schlosserei geflüchtet sei. Dieser habe gedacht, jemand hätte eine Palette geworfen. Unter Schock hätte keiner der beiden eingreifen können. „Die erste Zeit war es schwer, wieder in die Firma zu gehen. Mit so etwas rechnet man nicht“, so ein Augenzeuge unter Tränen. Der Angeklagte entschuldigt sich bei seinen Kollegen dafür, dass sie das erleben mussten. Weitere Angaben zum Arbeitsklima möchte niemand machen. Die Firma sei speziell, so vage Aussagen mehrerer Mitarbeiter. Bevor der Kollege den Gerichtssaal verlässt, klopft der Zeuge seinem ehemaligen Kollegen auf die Schulter.

Wir sitzen hier nicht im Arbeitsgericht.
Thorsten Hoffmann - Vorsitzender Richter

Die Staatsanwältin Schneider fordert zwei Jahre und drei Monate Haft für den Angeklagten. Die volle Schuldfähigkeit bestätigte ein Sachverständiger im Gerichtssaal. Der Beschuldigte habe sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden, sei diskriminiert worden. Er stand unter erheblichem Druck und sein Krankheitsstand wurde nicht berücksichtigt, was auch die Aussage eines anderen Mitarbeiters bestätigt. Dies würde jedoch nicht seinen Angriff auf den Vorgesetzten entschuldigen. Auch, dass der Angeklagte mehrfach betont hatte, „weiterzumachen“, wenn ihm keine Gerechtigkeit widerfahren würde, sei Grund dafür, dass keine Bewährungsstrafe angesetzt werden könne. Der Verteidiger beantragt, dass eine Bewährungsstrafe ausreichend sei, da sich der Beschuldigte freiwillig in psychische Behandlung begeben habe.

Der Angeklagte selbst gibt sich mit keinem der beiden Angebote einverstanden. Er verlange Schmerzensgeld auf Lebzeiten und Gerechtigkeit für alle Mitarbeiter des Betriebes. Richter Thorsten Hoffmann hat dem Angeklagten bereits am Anfang der Verhandlung erklärt, dass ein solches Urteil in dieser Verhandlung nicht gefällt werden könne, da es hier um seine Straftat des unerlaubten Waffenbesitzes gehe. „Wir sitzen hier nicht im Arbeitsgericht“, so Thorsten Hoffmann.

Entgegen den Forderungen des Angeklagten lautet das Urteil zwei Jahre Haft ohne Bewährung. Außerdem muss er die Kosten des Verfahrens tragen.

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