Erndtebrück. 2,37 Promille stehen fest: Aber ein Angeklagter bestreitet am Steuer gesessen zu haben. Erst nach fünf Stunden gibt es ein Urteil.

Trunkenheit im Verkehr. Auf den ersten Blick ist das kein ungewöhnliches Vergehen. Doch die Verhandlungen am Freitag vor dem Amtsgericht Bad Berleburg dauerte fünf Stunden. Acht Zeugen wurden vernommen und bis zum Schluss widersprachen sich die Aussagen.

Was war passiert? Der Erndtebrücker soll in der Nacht vom 26. auf den 27. August vergangenen Jahres nach einer Rangelei auf einer Feier bei seinen Schwiegereltern betrunken in sein Auto gestiegen und nach Hause gefahren sein. Als er ging, rief seine Schwiegermutter ihm noch hinterher: „Wenn du jetzt fährst, rufe ich die Polizei“ – dann sei sie ins Haus gegangen und habe die Polizei informiert. Wie er weggefahren sei, habe sie deswegen nicht gesehen, sagte sie vor Gericht aus. Dafür wollen andere Party-Gäste gesehen haben, wie der 42-Jährige ins Auto gestiegen sei. Mehrere Zeugen sagten aus, dass sie von der Feier im Garten aus sehen konnten, wie der Angeklagte zu seinem Auto gegangen sei, das unter einer Straßenlaterne geparkt gewesen war und auf der Fahrerseite eingestiegen sei. Unter den Zeugen war auch ein langjähriger Bekannter des Angeklagten, dem es vor Gericht schwerfiel, gegen den Angeklagten auszusagen, der aber die Wahrheit sagen wollte.

Alkoholtest des Angeklagten ergab 2,37 Promille

Kurz nachdem der Angeklagte zu Hause angekommen war, stand auch schon die Polizei vor der Tür. Sie stellten fest, dass der Motor des Autos noch warm war. Sie kontrollierten seinen Führerschein, den sie auch direkt einbehielten und nahmen den Mann mit zur Wache für einen Blutalkoholtest. Das Ergebnis: 2,37 Promille.

Für die Verteidigung steht keineswegs fest, dass die Trunkenheitsfahrt stattgefunden hat. Die Beweise reichen nicht für eine Verurteilung aus.
Rechtsanwalt Jochen Zumbroich - zur Verteidigung des Angeklagten

Der Erndtebrücker wies die Vorwürfe entscheiden von sich: „Ich habe an dem Abend getrunken und mich von der Feier abholen lassen.“ Sein Vater habe ihn nachts abgeholt. Den hat von den Gästen aber niemand vor Ort gesehen – in diesem Punkt sind sich die Zeugen einig, zumindest die, die auf der Feier waren.

Zeugen in zwei Lager gespaltet

Die Familie des Angeklagten – Vater, Mutter und Schwester – sagten jedoch vor Gericht aus, dass der Vater ihn abgeholt und nach Hause gebracht habe – zum Teil mit fast gleichem Wortlaut wie der Angeklagte. „Wenn Zeugen eine Falschaussage machen, droht eine Verurteilung“, mahnte Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel. „Ich bin überzeugt, dass der Angeklagte sich am Tattag ans Steuer seines Pkws setze und den Heimweg angetreten ist. Mit 2,37 Promille hatte er das Doppelte der Fahruntüchtigkeit, die bei 1,1 Promille erreicht ist.“

Ich bin überzeugt, dass der Angeklagte sich am Tattag ans Steuer seines Pkws setze und den Heimweg angetreten ist. Mit 2,37 Promille hatte er das Doppelte der Fahruntüchtigkeit, die bei 1,1 Promille erreicht ist.
Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel - im Abschlussplädoyer

Rechtsanwalt Jochen Zumbroich schätzte die Lage komplett anders ein: „Für die Verteidigung steht keineswegs fest, dass die Trunkenheitsfahrt stattgefunden hat. Die Beweise reichen nicht für eine Verurteilung aus.“

Der Richter verurteilte den Erndtebrücker dennoch zu einer Geldstrafe von 2400 Euro. Und die Fahrerlaubnis wird weitere sieben Monate einbehalten – insgesamt also für ein Jahr. „Ich habe keinen Zweifel an der Fahrt unter Alkoholeinfluss. Und wie die Trunkenheitsfahrt vor zehn Jahren zeigt, scheinen Sie Alkohol gewöhnt zu sein und standen nicht völlig neben sich“, so der Richter.

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