Duschanbe. Lisa Achatzi biegt auf ihrer Spendentour mit ihrem Rad in Tadschikistans Hochgebirge einmal falsch ab und das Unheil nimmt seinen Lauf.

Nicht alle Wege führen nach Rom – das hat Lisa Achatzi in Tadschikistan gelernt. Auf dem Weg in die Hauptstadt Duschanbe muss die Laaspherin vor dem Ansob-Tunnel, wegen seines schlechten Zustandes und den hohen Abgaswerten auch „Tunnel des Todes“ genannt, vom Sattel steigen. Einen Tunnel im Gebirge umfahren? „No way!“ würde Achatzi sagen. Es schneit, frierend steht sie am Straßenrand, die vorbeifahrenden Autos sind zu klein oder vollgepackt, um als Anhalterin mit Fahrrad aufzuspringen.

„Trotzdem halten einige an, um zu fragen, ob ich Hilfe brauche. Sie geben mir Wasser und heißen mich in ihrem Land Willkommen“, erzählt Achatzi. Aus dem Nichts stoppt ein Transporter, zwei alte Männer hieven Achatzis Rad auf ihr Dach und „fahren mich durch diesen verrückt dunklen Tunnel, in dem trotz schlechter Fahrbahn total wahnsinnig überholt wird.“

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Nach dem Tunnel öffnet sich eine andere Welt. Gewaltige, bildschöne Bergpanoramen zeigen sich von ihrer besten Seite, auf dem Rad geht es 45 Kilometer weiter nach Duschanbe – für Achatzi ein Katzensprung.

Am Ende der Kräfte

Von dort aus führen zwei Routen durch das Pamir-Gebirge: Der südliche Weg ist länger, aber auch schneller und bequemer, während der nördliche landschaftlich schöner, aber wegen der teils schlimmen Straßenzustände auch zum Höllenritt werden kann. Und Achatzi? Die 34-Jährige ist eben, wie sie ist: „Na, wenn das die schwere Route ist, dann muss ich die doch nehmen! Sonst nimmt mich niemand ernst“, lacht sie (noch), als sie in Richtung Norden abbiegt.

Gewaltige, bildschöne Bergpanoramen zeigen sich von ihrer besten Seite.
Gewaltige, bildschöne Bergpanoramen zeigen sich von ihrer besten Seite. © WP | Privat

Ein paar Tage, tausende Höhenmeter und unzählige Schafe später kann Achatzi keinen Meter mehr weiterfahren. Ihre Energiereserven sind aufgebraucht, der Kopf steckt tiefer im Sand als ihre Reifen. Sie hockt zitternd am Straßenrand, vor ihren Augen färbt sich der Himmel schwarz: „Ich bin nicht nur erledigt, ich habe regelrecht die Schnauze voll. Noch nie auf dieser Reise habe ich mich so sehr über mich selbst geärgert.“ Die Straßen sind katastrophal und nur so breit, dass sich maximal ein Auto an ihr vorbeidrängeln kann. Steine, Sand, Schlaglöcher vor ihr, neben ihr geht es ohne Absperrung hunderte Meter in die Tiefe. Vor Hunger kaum noch klar denkend, erreicht sie endlich ein Restaurant. Der letzte Strohhalm entpuppt sich jedoch als Fata Morgana. Es ist geschlossen. Aus, vorbei, Abbruch. Doch wie und wohin? In einem Italo-Western würden nun die Geier kreisen.

Doch dann hört Achatzi plötzlich Motorgeräusche. Vom Hang gegenüber kommt ein uralter Lkw auf sie zu. Dieses Mal ist es keine Fata Morgana. Achatzi kann das Fahrzeug mitsamt vier Männern und einem kleinen Jungen zum Anhalten bringen. Doch weil sie keine kyrillische Tastatur auf ihrem Smartphone heruntergeladen hat, kann Achatzi ihre Notsituation nur mit Händen und Füßen erklären. „Ich nahm schließlich ihr Angebot, das ich nicht verstanden habe, an“, so Achatzi, die eine Stunde später in einem kleinen Dorf abgesetzt wird. „Sie gestikulierten, dass ich irgendwo da vorne schlafen könne. Ich dankte ihnen, stand im Regen am Straßenrand und fragte mich, wo das sein soll.“ Doch dann ruft wie aus dem Nichts ein Mann „Hello!“ und erklärt ihr auf Englisch, dass er Musty heiße und sie als Gast bei seiner Frau Majonna und den fünf Kindern eingeladen sei.

Alles auf Anfang

Kurz darauf sitzt Achatzi auf dem Boden vor einem Tischtuch, auf dem in Schalen und Etageren Nüsse, Kekse, Trockenfrüchte, Bonbons, Gemüse und Obst liegen. Im Minutentakt werden weitere Speisen auf das Tuch gestellt. Brot, Pommes, Kefir, hausgemachter Honig und Marmelade folgen. „Iss! Iss!“, sagt Majonna.

Eine Familie in einem kleinen Dorf lädt Lisa Achatzi zum ausgiebigen Essen ein.
Eine Familie in einem kleinen Dorf lädt Lisa Achatzi zum ausgiebigen Essen ein. © WP | Privat

Eine der Töchter baut Achatzi aus den Sitzpolstern einen Schlafplatz, der jüngste Sohn Benjamin möchte unbedingt neben ihr auf dem Teppich schlafen. „Nach einem kurzen Gang zur Toilette, die sich hier meistens in einem Hüttchen außerhalb des Hauses befindet und aus einem Loch im Holzboden besteht, bin ich dann sofort in meinem Bettchen eingeschlafen.“ Achatzi kann gut schlafen, denn durch die Hilfe der Familie wird sie am nächsten Tag in einem Sammeltaxi zurück nach Duschanbe fahren. Alles auf Anfang, wird sie dann auf jeden Fall die südliche Route nehmen. Falscher Ehrgeiz und eine naive Fahrt ins Blaue hinein – das wird der Laaspherin nicht noch einmal passieren.

Die Spendentour:

Nach ihrer Radreise durch Südamerika sitzt die Bad Laaspherin Lisa Achatzi erneut im Sattel.

Dieses Mal geht es u.a. durch die Türkei, Tadschikistan und Kasachstan. Dabei fährt die 34-Jährige Spendengelder für die Non-Profit-Organisation „Samos Volunteers“ ein.

Wer sie dabei unterstützen möchte, kann das über ihren Reiseblog www.wheelsoffortune.org oder im Fotofachgeschäft Achatzi in Bad Laasphe tun, wo eine Spendenbox steht. Zwei Mal im Monat berichtet unsere Zeitung von ihrer Tour.