Wittgenstein/Hinterland. Eine 80-jährige Frau reagiert erst richtig, wird dann aber doch um ein Vermögen gebracht. Jetzt hat es auch eine 57-jährige Frau erwischt.

Die fiesen Telefonbetrüger haben schon wieder zugeschlagen: Am Dienstag erst haben wir über den Fall einer 80-jährigen Seniorin aus dem angrenzenden Hessen berichtet, die Opfer von Telefonbetrügern geworden ist. Jetzt bittet die Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein in einem sehr ähnlichen Fall um Mithilfe und sucht mögliche Augenzeugen einer Geldübergabe.

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Am vergangenen Freitag, 24. Februar, ist es auf dem IKEA-Parkplatz in Siegen zur Übergabe eines größeren Geldbetrages nach einem sogenannten Schockanruf gekommen.

Am Freitagvormittag erhielt eine 57-jährige Frau aus dem benachbarten Hessen einen vermeintlichen Anruf der Polizei. Man teilte der 57-Jährigen mit, dass ihre Tochter einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht habe. Weiter sagte man der Frau, dass die Tochter bei Zahlung einer Kaution wieder auf freien Fuß setzen könne. Es erfolgten im Anschluss weitere Telefongespräche. Letztlich lotste man die besorgte Frau auf den IKEA-Parkplatz in Siegen. Nach bisherigen Erkenntnissen parkte sie ihren Pkw auf dem Besucherparkplatz in zweiter Reihe vor dem Ausgang des Geschäftes. Sie war mit einem älteren dunkelblauen VW Passat Kombi unterwegs.

Auf dem Parkplatz sei anschließend eine Frau zu ihr gekommen, die vermeintlich für das Gericht arbeitete. Dieser übergab sie den Geldbetrag. Anschließend sei die Geldabholerin in Richtung Haupteingang gegangen. Hier verlor die 57-Jährige die angebliche Gerichtsbedienstete aus dem Blick.

Von der Geldabholerin liegt eine markante Personenbeschreibung vor:

- ca. 30-35 jährige Frau

- laut Beschreibung südosteuropäischem Aussehen

- ca. 160 cm groß

- kräftige Statur

- tiefschwarzes Haar

- blaulackierte Fingernägel

- auffällig rundes Gesicht

- bekleidet mit einem kirschroten Winterhut, ggf. aus Filz,

- einem weißen vermutlich weiten Mantel mit Kapuze

- einem schwarzen, etwa knielangen Rock.

Das Kriminalkommissariat 2 in Siegen hat die Ermittlungen übernommen.

Die Polizei bittet Zeugen, die möglicherweise die Geldübergabe beobachtet haben oder etwas zum Verbleib der Geldabholerin sagen können, sich bei der Polizei unter der Rufnummer 0271 / 7099 - 0 zu melden.

Das war der Fall der 80-Jährigen Seniorin

„Das ist mir in meiner langjährigen Arbeit auch noch nicht untergekommen“, sagt Martin Ahlich. Der Beamte ist beim Polizeipräsidium Mittelhessen in der Polizeidirektion Marburg-Biedenkopf für die Pressearbeit zuständig und warnt ausdrücklich auch über die Landesgrenze hinweg vor einer besonders fiesen Masche des Enkeltricks, die jetzt leider bei einer älteren Frau zum Erfolg geführt hat. Sie betrogen eine über 80 Jahre alte Seniorin um Geld und Schmuck in fünfstelliger Höhe.

„Nur wer die Maschen der Betrüger kennt, der kann sich und durch Weitergabe der Vorgehensweise auch andere davor schützen, Opfer dieser gemeinen und rücksichtslosen Straftäter zu werden. Die Betrüger erfinden ständig neue Storys, variieren die Geschichten, passen sich an aktuelle Begebenheiten oder Geschehnisse an und lassen Erfahrungen in ihr Verhalten einfließen“, sagt Ahlich und verweist auf die ebenso aktuelle wie „rücksichtslose und geschickte Vorgehen der Betrüger“.

Tipps der Polizei

Legen Sie zunächst mal auf, wenn es am Telefon um Geld bzw. generell Vermögen oder um persönliche Daten geht!

Seien Sie misstrauisch und besprechen Sie sich mit einer Vertrauensperson, bevor Sie an eine Abhebung von Bargeld oder Überweisung oder die Übergabe von Vermögen denken!

Lassen Sie sich am Telefon nicht unter Druck setzen! Glauben Sie nicht jede Geschichte, die Sie bei einem unerwarteten Anruf hören.

Geben Sie niemals vertrauliche Informationen preis. Behörden und seriöse Unternehmen agieren nicht in dieser Form.

Rufen Sie zurück. Verwenden Sie dabei aber niemals Rufnummern, die man Ihnen mitteilt oder die sie auf dem Display sehen (die könnten gefälscht sein).

Wählen Sie die Notrufnummer 110 oder die Festnetznummer der zuständigen Polizei, die Sie im Telefonbuch oder über das Internet ermitteln können.

Der Betrug habe sich über fast drei Stunden hingezogen. Die Seniorin bekam den Anruf einer weinenden Frau. Die Anruferin, angeblich die Tochter, berichtete von einem von ihr verursachten Unfall, bei dem ein Kind gestorben ist. Das Gespräch übernahm eine vermeintliche Polizeibeamtin, die letztlich wegen der drohenden Untersuchungshaft für die Tochter eine Kaution in Höhe von 65.000 Euro forderte. Bis hierhin ist das ein ganz typisches Vorgehen der Betrüger bei der Anwendung dieser Masche. Über diese Betrugsmasche berichtete die Polizei wiederholt, weshalb die Seniorin hier auch misstrauisch wurde, die „Polizeibeamtin“ als Betrügerin bezeichnete und das Gespräch beendete. Damit endete in diesem Fall der Betrugsversuch jedoch nicht.

Das weitere Vorgehen der Betrüger gab es im Landkreis Marburg-Biedenkopf so noch nicht: Kurz nach dem Ende des ersten Telefonats meldete sich telefonisch ein Mann und stellte sich als „Polizeibeamter Flütter“ vom Betrugskommissariat vor.

Neue Variante

Er sprach die Seniorin auf das zuvor geführte Telefonat mit dem Betrugsversuch durch die „falsche Polizeibeamtin“ an. Erklärend ergänzte er, seine Kenntnis von dem Telefonat habe er aufgrund einer Telefonüberwachung. Im weiteren Verlauf fragte er die Seniorin, ob sie bereit sei, an der Ergreifung dieser „Verbrecher“ mitzuwirken, worauf sie sich einließ. Nun erfolgten Anleitungen und Weisungen was die Seniorin machen sollte, um die Festnahme bei Abholen des Vermögens zu ermöglichen. Sie fuhr weisungsgemäß auf den Edeka-Parkplatz in der Alten Kasseler Straße legte den Beutel mit dem Vermögen unter ihr Auto und ging wie besprochen weg. Die Seniorin sah noch, wie ein junger, dunkel gekleideter Mann sich bückte, den Beutel an sich nahm und dann verschwand. Die angekündigte Festnahme erfolgte nicht. Eine weitere Beschreibung des Abholers liegt nicht vor.