Siegen-Wittgenstein. Um Windkraftanlagen zu errichten, müssen zahlreiche Schwerlasttransporte über marode Straßen. Für die Wirtschaft ist das ein Problem.

Mindestens 1000 neue Windenergieanlagen sollen nach dem Willen der nordrhein-westfälischen Landesregierung bis 2027 neu errichtet werden. Ein ambitioniertes Ziel, dessen Erreichen jedoch durch Missstände im Bereich der Schwertransporte gefährdet wird. „Kaum jemand weiß, dass rund 80 genehmigungspflichtige Schwertransporte für eine einzelne Windenergieanlage erforderlich sind“, erläutert Klaus Gräbener von der IHK Siegen.

Wenn man sich anschaut, mit welchen Widrigkeiten es die Disponenten in den produzierenden Betrieben und Speditionen zu tun haben, fällt es schwer zu glauben, dass die politisch gesetzten Ausbauziele erreicht werden können“, so der Hauptgeschäftsführer.

Potenzial für klimafreundliche Energien

Die Region Südwestfalen biete für den Ausbau klimafreundlicher Energien durchaus Potenzial. Das betrifft unter anderem Windenergieanlagen und den Aufbau einer Wasserstoffindustrie, für die Pipelines und Druckbehälter benötigt werden. Der heimische Wirtschaftsraum zählt viele Unternehmen, die hierfür ihre Kompetenzen einbringen können. Für den Transport der Produkte indes sind Schwertransporte und damit ein leistungsfähiges Straßennetz unentbehrlich.

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„Wir wissen inzwischen kaum noch, wie wir die großen und schweren Teile überhaupt aus der Region bekommen sollen. Nach dem Komplettausfall der A 45 ist die A4 Richtung Köln unsere Nabelschnur. Sie hängt am seidenen Faden, seitdem eine Brücke bei Untereschbach vor wenigen Tagen für Transporte über 78 Tonnen gesperrt werden musste. Marode Brücken und Straßen sperren uns in der Region geradezu ein“, beschreibt Fabian Jung von der Spedition Bender GmbH die katastrophale Situation.

Transporte zeitlich und finanziell kaum noch finanzierbar

Hinzu kommt, dass die Transporte für die Speditionen zeitlich und finanziell kaum noch kalkulierbar sind. Nach jahrelanger Diskussion wurde zuletzt eine neue Gebührenordnung eingeführt, mit der die Antragsbearbeitungsgebühren bundesweit einheitlich berechnet werden sollen. „Das Ergebnis ist, dass sich die Transportkosten vervielfacht haben und sich die Gebührenhöhe durch frei bestimmbare Kostenparameter dennoch von Kommune zu Kommune unterscheidet“, kritisiert Jörg Reichmann, Vorstand der Spedition STL Logistik AG.

IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer: „Es zeigt sich immer deutlicher: Die Schwertransporte werden zum Schlüsselfaktor für das Gelingen der Energiewende.“

Viele betroffene Branchen in der Region

Die schlechte Ausgangssituation trifft die Hersteller hart. Zu den betroffenen Branchen in der Region gehören unter anderem der Maschinenbau, der Apparate-und Behälterbau, die Rohrherstellung, die Walzenproduktion und der Betonfertigteilbau. „Die Wettbewerbsfähigkeit ist einfach nicht mehr gegeben“, erläutert Klaus-Dieter Wolf, Robert Josef Wolf GmbH & Co. KG.

Beispiele aus der Vergangenheit zeigten: Produktionen und Teilstandorte werden verlagert – in andere Bundesländer oder direkt ins Ausland. Dies dürfte unmittelbar Arbeitsplätze gefährden, fürchtet Hans-Peter Langer. Immerhin stünden in der gesamten Wertschöpfungskette für die Schwertransporte rund 10.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze alleine im heimischen IHK-Bezirk.