Wittgenstein. Im benachbarten Siegerland hat es mehrere Festnahmen gegeben – im Altkreis gibt es jedoch gleich zwei Faktoren, die offenbar abschreckend wirken.
Das Wittgensteiner Land ist offenbar kein Pflaster für dreiste und brutale Sprenger von Geldautomaten. „Im Altkreis Wittgenstein gab es bislang keinen Fall“, macht auf Anfrage unserer Redaktion Polizeihauptkommissar Stefan Pusch deutlich, Sprecher der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein. Erst kürzlich hatten die Wittgensteiner Geldinstitute vorsorglich die Verfügbarkeit ihrer SB-Bereiche mit Geldautomat, Service-Terminals und Kontoauszugsdrucker auf die Zeit zwischen 6 und 23.30 Uhr beschränkt. Seitdem gibt es dort nachts kein Bargeld mehr zu holen, was vor allem die Nachtschwärmer in der Bevölkerung kritisieren.
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Warum könnte es sein, dass die Täter die Region Wittgenstein eher meiden? „Speziell für den Bereich Wittgenstein dürfte in erster Linie die Infrastruktur maßgeblich sein“, schätzt Pusch. „Neben den ungünstigen überregionalen Verkehrsanbindungen haben die hiesigen Banken ihre kleineren Filialen ,in den Dörfern’ überwiegend geschlossen, so dass auch die Anzahl der verfügbaren Geldausgabe-Automaten insgesamt erheblich gesunken ist.“
Fälle eher im Siegerland
Aber auch insgesamt sei die Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein „in den letzten Jahren wenig von Geldautomaten-Sprengungen betroffen gewesen“, stellt der Polizei-Sprecher fest. Weil sich die Automaten oft nur noch in den Hauptgeschäftsstellen fänden, lägen sie für die Täter „strategisch ungünstiger – wegen des höheren Entdeckungsrisikos durch den Bürger und die Polizei“, so Pusch weiter. „Zudem sind die Hauptgeschäftsstellen in der Regel besser gesichert als die kleinen Geschäftsstellen.“
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Und wie sieht es mit diesen Delikten im Umfeld Wittgensteins aus? Beispiel Siegerland: Hier liegt die letzte Automaten-Sprengung nach Polizei-Angaben bereits mehr als drei Jahre zurück. Sie wurde am 11. Mai 2019 auf die Deutsche Bank an der Koblenzer Straße in Siegen verübt. Allerdings konnten am Ende Oktober desselben Jahres zunächst drei Tatverdächtige und im weiteren Verlauf zwei weitere festgenommen werden, „die Vorbereitungshandlungen zu einer Geldausgabe-Automaten-Sprengung trafen“, so die Polizei. Im Klartext: Sie kundschafteten mögliche Tatobjekte aus und beschafften Spreng-Utensilien.
Ein Verdächtiger, elf Taten
Und bei zwei der Festgenommenen habe „der dringende Verdacht“ bestanden, dass sie zudem an einer Automaten-Sprengung am 3. Oktober 2018 im Siegener Stadtteil in Kaan-Marienborn beteiligt waren – diesmal bei der Commerzbank.
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Polizeiliche Beratung nur ein Angebot
Was rät die Polizei den gefährdeten Geldinstituten zur Vorbeugung? „Zunächst grundsätzlich vorweg: Die Polizei berät die Geldinstitute zum einen auf Landesebene, zum Beispiel durch das Landeskriminalamt NRW“, erklärt Stefan Pusch, Sprecher der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein. „Aber auch das hiesige Kriminalkommissariat Kriminalprävention/Opferschutz unterstützt bei der Frage der Vorbeugung vor Automaten-Sprengungen.“
Allerdings handele es sich bei der polizeilichen Beratung lediglich „um Angebote“. Inwieweit die Geldinstitute die Angebote annähmen oder umsetzten, das sei natürlich ihre Sache.
Bereits Ende November 2015 habe in Hamburg ein Tatverdächtiger festgenommen werden können, „der für mindestens elf Automaten-Sprengungen in den Jahren ab 2007, überwiegend im hiesigen Dreiländereck, verantwortlich gewesen sein soll“, so die Polizei – darunter auch zwei Taten in Netphen und Siegen.
Bewegung bei den Geldinstituten
Allerdings: „Inwieweit der Ermittlungserfolg 2015 und die Festnahmen der fünf Täter 2019 nach intensiven vorangegangenen verdeckten Maßnahmen eine abschreckende Wirkung hatten, ist spekulativ“ räumt Polizei-Sprecher Stefan Pusch ein.
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Aber es bewege sich etwas bei den bedrohten Geldinstituten. „Wie bereits in jüngster Zeit in der Presse dargestellt, sind die hiesigen Banken dem Phänomen der Bedrohungslage durch Automaten-Sprengungen bereits in der Form begegnet, dass die Zugangszeiten zu den Geldautomaten verringert wurden“, so Pusch. Das bedeute konkret: Weil die Automaten nun zur Nachtzeit mehr nicht mehr zugänglich seien, müssten sich potenzielle Täter größeren Gefahren aussetzen, auf frischer Tat ertappt zu werden – etwa, „weil in den früheren Abendstunden deutlich mehr Zeugen zu erwarten sind“. Damit seien die Banken einem entscheidenden polizeilichen Präventionstipp gefolgt, so der Kommissar.
Bargeld im Automaten verringern
Die Polizei rät den Geldinstituten außerdem, „aufgrund der geringeren Zugangszeiten zu prüfen, die Automaten mit weniger Bargeld zu bestücken“. Auch auf diese Weise könnten Anreize für die Täter gesenkt werden. Und: Der Zutritt in die Vorräume sollte mittels Scheckkarte erfolgen – und nicht nach dem Prinzip „Tag der offenen Tür“. Diese Maßnahme sei bereits vielerorts umgesetzt worden.
Darüber hinaus gebe es hochwertige Sicherungseinrichtungen für die Geldausgabe-Automaten und die Bereiche, in denen sie stehen. Pusch: „Hier kann die Polizei fachkundige und unabhängige Beratung anbieten.“ Und auch diese Maßnahme kann der Vorbeugung dienen: Sollte ein Geldautomat tatsächlich gesprengt werden, wird das darin enthaltene Bargeld umgehend unbrauchbar gemacht – durch Farbkartuschen, die sich öffnen.