Bad Berleburg. Schulnoten sind nicht entscheidend. Entscheidend ist die Einstellung zu einem Beruf. Was EJOT bei der Suche nach Mitarbeitern anders macht.

Spätschicht im Drahtlager in der Herrenwiese bei Cocktails und Hotdogs. EJOT lädt in seinem Bad Berleburger Werk zur Nacht der Ausbildung ein. Schülerinnen und Schüler aus allen weiterführenden Schulen Wittgensteins sind eingeladen, sich hier ein Bild von einem möglichen neuen Arbeitgeber zu machen.

Das Besondere daran ist nicht nur die lockere Atmosphäre an einem Abend mit Softdrinks – das Besondere ist, dass hier Azubis und junge Facharbeiter auf Augenhöhe mit möglichen zukünftigen Kollegen darüber sprechen, was ihren Beruf ausmacht.

Seit 2014 „Nacht der Ausbildung“

„Unternehmen müssen sich heute von ihrer besten Seite zeigen“, erläutert EJOT-Sprecher Andreas Wolf. Im Grunde bewerben sich heutzutage die Firmen bei den kommenden Azubis. Erfolgreich zu sein reicht dann allein nicht. Auch die Frage nach dem Verdienst ist nicht allein entscheidend. Junge Menschen haben viele Fragen und auch Erwartungen an ihren künftigen Beruf. Dabei geht es auch um Weiterbildung, Karrierechancen oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Deswegen müssen die Unternehmen in der Region neue Wege gehen, um für Jugendliche als Ausbildungsbetrieb attraktiv zu sein. Bei EJOT hat man das bereits vor Jahren erkannt und schon 2014 die „Nacht der Ausbildung“ entworfen.

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Andreas Kurth, Leiter Ausbildung und Studium bei EJOT, sieht sich selbst als gutes Beispiel für eine EJOT-Karriere. Der frühere Realschüler und Mechatroniker führt heute gut 100 Einstellungsgespräche im Jahr. Und das wichtigste Kriterium dabei seien längst nicht mehr die Schulnoten. „Wir können bei einer Lese-Recht-Schreibschwäche helfen – ebenso bei einer Rechenschwäche.“ Das wichtigste sei eine andere Schlüsselqualifikation: Kurth hält eine Imagebroschüre seines Arbeitgebers hoch und der Titel sagt alles: „Hast Du Bock?“. „Das ist sicher nicht die konservative Sprache, die man bei einem Unternehmen erwartet“, macht Kurth klar. Aber auch bei EJOT ist man sich bewusst, dass man junge Menschen gezielt ansprechen muss.

Rund 4000 Mitarbeiter

Einfluss von Eltern auf Berufswahl

Viele Eltern begleiten und beraten ihre Kinder intensiv bei der Berufswahl. Das berichtet „wbv Publikation“ bereits 2019.

Studien kommen demnach zu dem Ergebnis, dass Jugendliche den Rat ihrer Eltern bei der Berufswahl am hilfreichsten finden. Sind Eltern also die besseren Berater? Der Bericht wertet eine Untersuchung der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit aus und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Gegenüberstellung von informeller privater Beratung und professioneller Beratung nicht sinnvoll ist. Die Stärken der jeweiligen Beratung sollten hingegen verknüpft werden, um das „Beste aus beiden Welten“ miteinander zu verbinden.

Er schließt mit der Empfehlung, die Eltern verstärkt als eigenständige Kundengruppe in der Berufsberatung zu fokussieren und ihre mögliche Multiplikatorenrolle stärker ins Bewusstsein der Berufsberatung zu rücken.

Insgesamt rund 20 Ausbildungsberufe und duale Studiengänge bietet das mittelständische Unternehmen mit inzwischen rund 4000 Mitarbeitern weltweit. Um den Bedarf an Nachwuchs decken zu können, muss EJOT immer schon kreativ sein. Doch jetzt kam die Pandemie, die laut Kurth vor allem die Schüler hart getroffen hat. „Zwei Jahre lang ist die Berufsorientierung komplett ausgefallen. Es hat keine Praktika gegeben“, berichtet der Ausbildungsleiter. Und gerade Praktika seien wichtig, um überhaupt einen Eindruck von Berufen und Unternehmen zu bekommen. Nicht zuletzt helfen Praktika aber auch den Firmen bei der Einschätzung, ob die Jungen und Mädchen für einen Beruf geeignet sind. Die Einschätzung aus dem Praktikum ist wichtig. Dann geht es wieder um die neue Leitfrage: „Hast du Bock?“

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Andere, angestaubte Sätze wie „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ haben mit der Realität moderner dualer Ausbildung in technischen und auch kaufmännischen Berufen nichts mehr zu tun. Umgekehrt ist aber auch ein klangvoller Firmenname allein keine Garantie mehr für einen Briefkasten voller Bewerbungen. Darum sind Veranstaltungen wie diese so wichtig für Firmen.

Eltern im Fokus

Auszubildende und junge Facharbeiter führen Schülerinnen und Schüler und deren Eltern durch die Lernwerkstatt des Verbindungselementeherstellers EJOT in Bad Berleburg. Auf Augenhöhe zu möglichen Kollegen sollen sie ihren Beruf und die Möglichkeiten erklären. 
Auszubildende und junge Facharbeiter führen Schülerinnen und Schüler und deren Eltern durch die Lernwerkstatt des Verbindungselementeherstellers EJOT in Bad Berleburg. Auf Augenhöhe zu möglichen Kollegen sollen sie ihren Beruf und die Möglichkeiten erklären.  © WP | Lars-Peter Dickel

Wichtig ist es auch, neben den Mädchen und Jungen auch die Schulen und vor allem Eltern in den Blick zu nehmen. „Wir müssen das Image der Dualen Ausbildung stärken“, sagt Andreas Wolf. Die steht in Konkurrenz zur Akademisierung. Dabei müssen die Unternehmen nicht nur die potenziellen Azubis in den Blick nehmen, sondern auch die Schulen, die nicht nur für ein mögliches Studium vorbereiten sollten.

Ganz wichtig sind laut einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung auch die Eltern, die nach wie vor maßgeblichen Einfluss auf die Berufsfall ihrer Kinder hätten. Nicht umsonst hatte EJOT auch die Eltern herzlich zur Nacht der Ausbildung eingeladen.