Erndtebrück. Therapeutinnen des Gesundheitszentrums erklären, wie es wirkt. Was sie derzeit aber auch beschäftigt: der Fachkräfte-Mangel in ihrer Branche.

Als die Tochter von Nina Völkel-Böhl vor vier Jahren zur Welt kam, war es eine Steißgeburt. Folge: „Sie konnte nicht richtig nach links gucken“, berichtet ihre Mutter. Grund: „Ein Halswirbel war blockiert.“ Was tun? Ein Arzt aus Siegen verschrieb neben Krankengymnastik und Osteopathie unter anderem eine Bobath-Therapie – und schon nach einem halben Jahr verschwand die Entwicklungsstörung. Jetzt bietet Völkel-Böhl diese Therapie speziell für Säuglinge und Kinder selbst an – in ihrem Gesundheitszentrum Erndtebrück an der Siegener Straße. Und der Bedarf sei da, sagt die ausgebildete Physiotherapeutin unserer Redaktion. Was sie derzeit aber auch beschäftigt: der Fachkräfte-Mangel.

„Es werden immer mehr Kinder, die das haben“

Die Therapie sei „anwendbar bei Kindern, Säuglingen, Jugendlichen und Erwachsenen mit angeborener oder frühkindlich erworbener zerebraler Bewegungsstörung“, sagt Völkel-Böhl, ebenso bei Entwicklungsverzögerungen, sensomotorischen Störungen und anderen neurologischen sowie neuromuskulären Erkrankungen. Und: „Es werden immer mehr Kinder, die das haben“, stellt die Therapeutin fest.

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Unter den jungen Patienten gebe es aber noch deutlich schwierigere Fälle, weiß die Mitbetreiberin des Gesundheitszentrums, Gertrud Hirschfeld, ebenfalls Physiotherapeutin. Sie litten etwa unter Hirnschäden oder spastischen Lähmungen. Viele betroffene Kinder sprächen auf eine Bobath-Therapie gut an, ergänzt Nina Völkel-Böhl. Zwar lasse sich damit die Entwicklungsstörung nicht heilen, sie erleichtere aber das Leben und wirke sich positiv auf die Prognose fürs Alter aus. Während der Therapie werden die Eltern gleich mit angeleitet – schließlich sollen sie die gezielten Übungen daheim oft fortsetzen.

Drei Therapeutinnen aus dem Team des Gesundheitszentrums Erndtebrück auf einen Blick (von links): Nina Völkel-Böhl, Aylin Trippe und Gertrud Hirschfeld.
Drei Therapeutinnen aus dem Team des Gesundheitszentrums Erndtebrück auf einen Blick (von links): Nina Völkel-Böhl, Aylin Trippe und Gertrud Hirschfeld. © Eberhard Demtröder

Aylin Trippe hat sich spezialisiert

Derzeit kümmert sich Aylin Trippe aus dem Physio-Team etwa um ein halbes Dutzend junger Patienten – vorwiegend Jugendliche, aber auch Babys. Die Therapeutin hat sowohl die Zusatzqualifikation für Bobath für Erwachsene, als auch jene speziell für Säuglinge und Kinder. „Denn die Therapie-Ansätze sind da schon recht unterschiedlich“, sagt Gertrud Hirschfeld. Die Therapie werde vom Arzt per Rezept verordnet und in der Regel auch von den Krankenkassen erstattet, so Völkel-Böhl.

Neue attraktive Angebote

Das Gesundheitszentrum Erndtebrück im Ederzentrum an der Siegener Straße existiert in dieser Form seit dem 1. Mai 2017.

„Vorher waren wir im Hallenbad in Erndtebrück unter dem Namen ,Therapiezentrum Wittgenstein’ ansässig“, so die Betreiberin, Nina Völkel-Böhl.

Hausbesuche erledigt das Therapeutinnen-Team umweltfreundlich mit Elektroautos – oder auf der Kurzstrecke auch mit dem E-Bike.

Gut angelaufen sind die neuen Rehasport-Kurse. Es gibt aber noch ein paar freie Plätze, etwa in der Wassergymnastik.

Das Team plant noch weitere neue Kurse, etwa eine Rückenschule und Pilates, aber auch Yoga speziell für Kinder.

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Das Therapie-Konzept, benannt nach der Physiotherapeutin Berta Bobath und ihrem Ehemann, dem Kinderarzt Karel Bobath, beruht im Übrigen auf der Annahme der Plastizität, also der „Umorganisationsfähigkeit“ des Gehirns. Das heißt, dass gesunde Hirnregionen die zuvor von den erkrankten Regionen ausgeführten Aufgaben neu lernen und übernehmen können. Ob die Bobath-Therapie tatsächlich „signifikant wirksam“ ist? Bislang ist dies jedenfalls nicht durch wissenschaftliche Studien belegt. Nina Völkel-Böhl berichtet jedoch von „guten Erfolgen“.

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Fachkräfte kaum zu finden

Derzeit sucht das Erndtebrücker Team Physiotherapeuten und Masseure zur Verstärkung – doch sei es „fast unmöglich, gut ausgebildete Fachkräfte zu finden“, bedauert Völkel-Böhl. „Wird hier von Seiten der Politik nicht schnellstens gegengesteuert, sprich die Ausbildung attraktiver gemacht, sieht es in naher Zukunft sehr schlecht für den Beruf des Physiotherapeuten aus.“ Es fehle einfach eine vernünftige Ausbildungsvergütung. „Schon jetzt sind Wartezeiten für Patienten bis zu sechs Wochen leider keine Seltenheit mehr.“

Mehr Infos im Internet: www.gesundheitszentrum-erndtebrueck.de