Bad Berleburg/Siegen. Florian Kroh hat als Notfallsanitäter alles erlebt: Skurrile, aber auch traurige Einsätze. Manche nutzen den Notdienst jedoch schamlos aus.

Und plötzlich ist da ein Baby – von der Schwangerschaft hat die Mutter nichts bemerkt. Doch dann waren da diese starken Bauchschmerzen. Sie geht auf Toilette, denkt, sie habe was am Magen. Und dann geht es ganz schnell: Ihr Baby ist da. „Zustand nach Geburt“ lautet die Einsatzalarmierung. Die Einsatzkräfte des DRK machen sich auf dem Weg – unter ihnen auch Florian Kroh aus Bad Berleburg, damals noch auf der Wache in Kreuztal.

„Als wir in der Wohnung ankamen, kniete die Frau schon vor ihrem Baby – um sie herum war Blut.“ Ein Einsatz, an den sich der 33-Jährige auch heute noch erinnert. Einsätze, in denen Leben entsteht. Doch er weiß auch, dass nicht jeder Einsatz mit einer positiven Nachricht endet. Zehn Jahre lang war er als Rettungs- und später auch Notfallsanitäter tätig. Nun steht er vor einer neuen Herausforderung. Welche das ist, hat er der Lokalzeitung verraten.

Kfz-Mechatronik und Bundeswehr

Es ist der 27. Januar 2022, 7 Uhr: Florian Kroh verlässt zum letzten Mal die Rettungswache Bad Berleburg. Angefangen hatte er dort vor zehn Jahren als Praktikant für seinen sogenannten Einsatzsanitäter, den er bei der Bundeswehr absolvierte. In der weiteren Zeit etablierte sich ein neues Berufsbild im Rettungswesen – das des Notfallsanitäters. 2019 erlangte Kroh diese Qualifikation.

Dabei kam er durch Zufall zum Rettungswesen, denn: Kroh ist gelernter Kfz-Mechatroniker. Die Wirtschaftskrise im Jahr 2008/09 führte dazu, dass er sich plötzlich umorientieren musste. Doch dann wurde er auch schon zum Wehrdienst eingezogen, verlängerte seine Zeit dort und machte die Ausbildung zum Einsatzsanitäter. Die Rettungsassistenten-Ausbildung folgte danach beim DRK. Die Entscheidung für das Rettungswesen und gegen den Kfz-Bereich hat Kroh bis heute nicht bereut.

Zehn Jahre voller spannender Momente

Stattdessen blickt er heute auf zehn Jahre voller spannender Momente. Eindrücke, die bleiben. „Aber keine, die mich negativ beeinflussen“, sagt Kroh. Natürlich hatten nicht alle Einsätze einen positiven Ausgang. „Unter anderem starben zwei Familienväter im besten Alter. „Es ist für niemanden schön, wenn die Emotionen der Angehörigen dann hochkochen“, sagt er.

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In diesen Momenten hilft es ihm, sich gut zuzusprechen. „Wir haben alles getan, was wir konnten – sowohl medizinisch, als auch technisch. Alles andere liegt nicht in unseren Händen.“ Es sei wichtig, über das Erlebte zu sprechen – „sonst bringt eine Kleinigkeit das Fass zum Überlaufen. Dann geht es in unserem Job nicht lange gut“.

Es gibt kaum etwas, was die Rettungskräfte noch nicht erlebt haben

Schwere Unfälle, Reanimationsversuche ohne Erfolg und schwere Verletzungen – es gibt kaum etwas, was die Rettungskräfte noch nicht erlebt haben. Aber auch skurrile Einsätze und jene, die einen positiven Ausgang haben. „Der einfache Kontakt zum Patienten – egal ob bei Kleinigkeiten oder in Ausnahmesituationen – und auch ein Danke von Angehörigen sind wertvoll.

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Etwas, was ihm negativ aufgefallen ist in den vergangenen Jahren ist die gesellschaftliche Erwartung: „Es kommt immer mal wieder vor, dass jemand den RTW ruft, weil er sich kein Taxi zum Krankenhaus rufen möchte/kann. Wenn dann etwas Schlimmes passiert, können wir dort nicht mehr helfen, da unser Fahrzeug unterwegs ist.“ Auch haben die Rettungskräfte zunehmend mit Aggressionen seitens der Gesellschaft zu tun.

Gelegenheit rechtzeitig genutzt

Welche Einsatzfahrzeuge im Kreis Siegen-Wittgenstein unterwegs sind, weiß der Bad Berleburger nun ziemlich genau. Der 33-Jährige hat eine neue Stelle angetreten. Nach seinem letzten Dienst in der Bad Berleburger Wache ging es für ihn nach Siegen – zur Leitstelle. Sechs Wochen wurde er dort eingearbeitet, bis er dann am 12. März seine erste 24-Stunden-Schicht hatte. Für Florian Kroh ein besonderer Moment mit einer neuen Herausforderung. „Es ist zwar die gleiche Branche, aber die Arbeit ist komplett anders.“

Ein Bekannter gab ihm den Tipp, dass die Voraussetzungen für eine Stelle als Leitstellen-Disponenten angepasst wurden – das geht aus dem Erlass des NRW-Innenministeriums hervor.

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2017 hatte das Ministerium eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag betraut, Qualifizierungsmaßnahmen für Leitstellen-Disponenten zu erarbeiten. „Die Arbeitsgruppe hat ein neues Ausbildungskonzept erarbeitet“,heißt es seitens des Ministeriums. Doch: Der reine Einsatz in der freiwilligen Feuerwehr ist nicht ausreichend, um in der Leitstelle arbeiten zu können.

Gruppenführer-Ausbildung ist notwendig

Vielmehr kann die notwendige feuerwehrtechnische Ausbildung bis zum Erreichen des Truppführers ehrenamtlich erfolgen. Im weiteren Verlauf ist zwingend eine hauptamtliche Gruppenführer-Ausbildung mit Bezug zur Leitstelle am Institut der Feuerwehr (IDF) zu absolvieren. „Der Lehrgang existiert noch nicht und wird gerade seitens des IDF konzipiert.“ Dieser Erlass wurde beim Kreis Siegen-Wittgenstein von Beginn an umgesetzt.

„Inzwischen konnten durch Stellenbesetzungsverfahren alle offenen Stellen besetzt werden. Bis August diesen Jahres werden alle neuen Mitarbeiter den Dienst angetreten haben. Zukünftig werden in der Leitstelle insgesamt 41 Mitarbeiter arbeiten, wovon acht Personen als Notfallsanitäter gemäß vorstehendem Erlass eingestellt wurden oder werden“, so Thiemo Rosenthal, Dezernent für Gesundheit, Sicherheit und Bevölkerungsschutz beim Kreis.

Ab jetzt Dienst am PC

Florian Kroh ist einer der acht Notfallsanitäter. Statt dem Dienst auf der Straße gibt es nun den Dienst am PC. Und da muss es schnell gehen. Denn: „In 60 Sekunden sollte die Abfrage bei einem Notruf abgeschlossen sein, um sich ein Bild von der Lage zu machen.“ Der Vorteil: Was draußen abläuft, kann sich der Berleburger durch den Dienst auf dem RTW und der Freiwilligen Feuerwehr gut vorstellen. Nun entscheidet er, welche Fahrzeuge ausrücken.

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Die Situation richtig Einschätzen – das ist nicht immer einfach. Alles, was nicht Polizei ist, landet bei ihm. Dabei gilt: Den Anrufer bei Bedarf auch beruhigen und ihm Tipps geben, wie er in der jeweiligen Situation zu handeln hat. „Das kann soweit gehen, dass sie im Notfall selbst eine Reanimation durchführen können bis die Kollegen bei ihnen sind.“ Insgesamt drei Schichten gibt es in der Leitstelle, die eine von insgesamt 52 Leitstellen in Nordrhein-Westfalen ist – das geht aus einer Liste des Innenministeriums hervor.

Nicht nur für die Leitstelle beginnt mit dem Erlass ein neues Kapitel – sondern auch für Florian Kroh. Bereut hat er den Schritt bislang nicht, eher im Gegenteil: „Ich habe schon länger über diesen Schritt nachgedacht. Jetzt war die Gelegenheit da.“