Siegen-Wittgenstein/Sauerland. Gutachten zeigt Chancen für eine Fortführung des Wisent-Projektes, aber auch deutliche Defizite auf. Die Ergebnisse werden nun diskutiert.
Das Artenschutzprojekt „Wisente am Rothaarsteig“ könnte fortgeführt werden – wenn die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Zu diesem Schluss kam ein Gutachten, das am Mittwochvormittag in Bad Berleburg vorgestellt wurde. Das Projekt sei für den Erhalt der vom Aussterben bedrohten Tierart, auch wegen seines besonderen Modell- und Vorbildcharakters von besonderer Bedeutung – so geht es aus dem 176-seitigen Gutachten hervor, dass das Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover erarbeitet hat. Doch was bedeutet das nun konkret für die Region und das Projekt?
„Die Koordinierungsgruppe wird die Ergebnisse des Gutachtens in den kommenden Monaten intensiv diskutieren“, so Landrat Andreas Müller. „Wir hoffen, dass wir schnell zu einer Lösung kommen – aber das geht nur gemeinsam.“ Der Vorschlag eines dauerhaften Großgatters soll dabei nicht weiter verfolgt werden, da hierfür die Akzeptanz fehle. Auch ein Erlegen der Tiere soll nicht erfolgen. Gegen die sogenannte letale Entnahme sprachen sich laut Gutachten auch sämtliche befragten internationalen Wisentexperten aus. Die Gutachter zeigen aber auch auf, wo im Falle einer Fortführung des Projekts nachgearbeitet werden müsste.
So halten sie für die Projektsteuerung eine Hinzuziehung weiterer, größerer Partner zum Trägerverein für dringend geboten, halten eine intensivere wissenschaftliche Begleitung für erforderlich und fordern insbesondere eine enge Zusammenarbeit mit anderen Wisent-Projekten, die auch einen Austausch der Tiere beinhalten sollte, ein. „Das Gutachten macht klar, welche besondere Rolle das Artenschutzprojekt „Wisente am Rothaarsteig“ für den Artenschutz haben kann. Es macht aber auch sehr deutlich, wo derzeit Defizite liegen – und das ist auch gut, dass es in dieser Deutlichkeit angesprochen wird und der Finger mahnend erhoben wird. Denn allein die Tatsache, dass das Projekt einzigartig in Westeuropa ist, macht deutlich, dass es dafür kein Drehbuch oder Leitfaden gab. „Da muss es dann auch gestattet sein, mal einen Fehler zu machen“, so der Landrat. Schade jedoch findet er, dass die Waldbauern sich bislang „kompromisslos und verhärtet zeigten“.
Keine eindeutige Empfehlung
Und was empfiehlt das Gutachten? „Eine eindeutige Empfehlung kann nicht ausgesprochen werden.“ Es müsse abgewogen werden, ob Artenschutz oder Eigentumsschutz vorrangig sind. Je nach Kosten seien sowohl Herrenlosigkeit als auch ein Abbruch denkbar. Aber: Ein kleiner Verein sei as Träger nicht geeignet, betonten die Gutachter. Und genau aus diesem Grund hat der Trägerverein Gespräche aufgenommen. Anfang kommenden Jahres wird er sich mit dem Kölner Zoo und der Deutschen Wildtierstiftung treffen.
„Wir haben geschaut, wer in Frage kommt und zum einen mit der strategischen Leitung eines Auswilderungsprojektes, die aktive Verteilung von geeigneten Wisenten in andere Projekte und in international geforderten Projekten sich auskennt“, so Bürgermeister Bernd Fuhrmann, Vorsitzender des Trägervereins „Wisent-Welt-Wittgenstein e.V.“. Und wie sieht er den Sachverhalt? „Der Artenschutz steht an erster Stelle, damit fügt sich das Projekt nahtlos in Nachhaltigkeitsstrategie 2030 der Stadt der Dörfer ein. Das Projekt hat eine enorme Strahlkraft, nicht nur für Siegen-Wittgenstein, sondern für die ganze Region. Einzigartigkeit in ganz Westeuropa verleiht der Region enorme Aufmerksamkeit.“
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Aus Sicht der Stadt Bad Berleburg hat sich das Projekt hervorragend entwickelt: „Touristisch, wirtschaftlich und vor allem mit Blick auf den Artenschutz ist das Projekt ein großer Gewinn. Wir als Stadt sind froh, dass wir wichtiger Impulsgeber für den Artenschutz sind und wollen dies auch bleiben. Wir müssen eine Lösung finden, damit das Projekt eine Zukunft hat.“
Projektziele nur teilweise erreicht
Laut Gutachten hat das Projekt großes Potenzial, dem Arterhalt zu dienen. „Die Wisente sind ein Markenzeichen der Region.“ Gleichzeitig zeigt es auf, welche der Projektziele bislang erreicht wurden und welche nicht. „Menschliche Nutzungsinteressen ließen sich mit den Lebensansprüchen des Wisentes vereinbaren. Und auch die Förderung von Umweltbildung und Naturtourismus in der Region (Wisent als Markenzeichen)“ wurden demnach erreicht. Doch: Die Auswirkungen auf Talwiesen ist bislang nicht bekannt und auch die Erkenntnisse würden nur unzureichend weitergegeben. Zudem sei das Konfliktmanagement nicht ausreichend und auch die Raumnutzung werde nicht gelenkt. „Die Dokumentation des Wisentprojektes weißt einige Lücken auf“, so der Gutachter Dr. Oliver Keuling. Und was sagt der Trägerverein zum Gutachten?
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„Für uns war von Anfang an klar: Wir werden uns den Schlussfolgerungen stellen, egal wie sie ausfallen. Wir haben versucht, einen Prototypen zu schaffen und ihn ans Laufen zu bekommen. Wir wussten damals noch nicht, wie es läuft. Nun hat der Prototyp viele Beulen bekommen. Aber: Wir haben gezeigt, dass freilaufende Wisente möglich sind. Wir würden uns freuen, wenn es uns gelingt, starke Partner an unsere Seite zu bekommen“, sagt Johannes Röhl, 3. Vorsitzender des Trägervereins. Im Sauerland indessen wünscht man sich einen baldigen Abbruch des Wisent-Projektes: „Die Beziehung zwischen und Bad Berleburg sind gut – das zeigt sich unter anderem im Waldskulpturenweg. Nur leider nutzen diesen Weg auch die Wisente. Es ist schön, dass es einen Schadensausgleich für die Waldbauern gab, aber die wollen ihren Wald auch aufwachsen sehen. Aus der Sicht der Stadt Schmallenberg sollte das Projekt schnell beendet werden.“