Womelsdorf. Einen Vormittag lang durften wir ein Team der Rettungswache bei seinen Einsätzen begleiten. Und die Einsäte ließen nicht lange auf sich warten.

Ein Sturz in den eigenen vier Wänden, eine Verletzung, starke Magenschmerzen, ein Schlaganfall – es gibt zahlreiche Gründe, warum Menschen die 112 wählen. Das weiß niemand besser, als die Mitarbeiter der Rettungswachen. Insgesamt drei dieser Rettungswachen gibt es in Wittgenstein – in Bad Berleburg, Bad Laasphe und Womelsdorf. Letztere haben wir nun besucht und eines der Teams einen Vormittag lang begleitet. Insgesamt arbeiten dort – inklusive der drei Auszubildenden – rund 30 Mitarbeiter.

Schichtwechsel

Es ist 7 Uhr – Schichtwechsel. Insgesamt drei Zweierteams starten um 7 Uhr in Womelsdorf – ein Team jedoch darf bereits um 15 Uhr wieder nach Hause gehen. „Der Krankentransportwagen (KTW) ist nur von 7 bis 23 Uhr besetzt und wird auf zwei 8-Stundenschichten aufgeteilt“, erklärt Stefan Groos. Die übrigen Teams arbeiten in 24-Stundenschichten. Für Sie endet der Tag am nächsten Morgen um 7 Uhr. Neben dem Krankentransportwagen gibt es in Womelsdorf zwei Rettungswagen (RTW). Und die werden zu Schichtbeginn alle erst einmal durchgecheckt, damit beim Einsatz auch alle Geräte vorhanden und einsatzbereit sind. Lange Zeit bleibt an diesem Morgen hierfür allerdings nicht. Kurz nach 7 Uhr heißt es: Einsatz!

Gemeinsam mit Johannes „Joe“ Goldin, Alea Stockmann und Berufspraktikant Dirk Brombach geht es mit dem RTW 1 nach Erndtebrück. In nur wenigen Minuten sind wir am Zielort angekommen. Eine 81-Jährige klagt über sehr starke Bauchschmerzen, die in der Nacht plötzlich einsetzten. Das Team bringt sie nach der Erstversorgung im RTW – wo auch der Notarzt hinzukam – in das Krankenhaus nach Bad Berleburg. „In welches Krankenhaus die Patienten kommen, entscheidet sich je nach dem, welche Beschwerden sie haben“, erklärt Goldin. Er arbeitet seit vier Jahren schon als Rettungssanitäter in Womelsdorf.

Der Liebe wegen ist der gebürtige Österreicher nach Deutschland gezogen. Zuvor hatte er bei der Polizei und dem Polizeitransport in der Schweiz gearbeitet. „Blaulichtfahren war daher nichts Neues für mich“, sagt er. „Man muss immer damit rechnen, dass jemand nicht an die Seite fährt oder doch plötzlich abbiegt. Das ist schon auch stressig. Manche wissen beispielsweise auch nicht, dass sie in Schrittgeschwindigkeit über eine rote Ampel fahren dürfen, wenn sie sonst nicht an die Seite fahren können.“

Der Beruf

Die Entscheidung – zum Rettungsdienst gewechselt zu haben – hat er bis heute nicht bereut. „Ich liebe meinen Job, auch wenn er stressig ist. Am Ende des Tages habe ich das Gefühl, etwas getan zu haben. Anderen Menschen helfen zu können, ist ein schönes Gefühl.“ Durch seinen Job bei der Polizei habe er vorab schon einige Fälle kennengelernt – auch schwere Fälle. „Einmal wurde ein Kind von einem Zug erfasst, das war schon schwer. So etwas habe ich hier in meinem Job als Rettungssanitäter zum Glück noch nicht erleben müssen.“ Zum Abschalten geht er nach seiner Schicht gerne in den Wald. „Ich glaube, jeder von uns hat ein Hobby, um den Kopf wieder frei zu bekommen.“ Sollte es dennoch einen Einsatz geben, der die Rettungskräfte mitnimmt, steht ihnen ein sogenanntes PSU-Team (Team zur psychosozialen Unterstützung) zur Seite.

Schon früh am Morgen bringt das Team des RTW 1 aus Womelsdorf die Patientin nach Bad Berleburg ins Krankenhaus.
Schon früh am Morgen bringt das Team des RTW 1 aus Womelsdorf die Patientin nach Bad Berleburg ins Krankenhaus. © WP | Ramona Richter

Die Ausbildung zum Rettungssanitäter dauert drei Monate. Währenddessen werden die Grundlagen der Notfallmedizin und Techniken der Rettung schwer verletzter oder erkrankter Personen erlernt. Der Rettungssanitäter wird in der Notfallrettung als Fahrer des Rettungswagens und Teampartner des Notfallsanitäters eingesetzt. Im Krankentransport wird er hingegen als höher qualifiziertes Besatzungsmitglied mit einem Rettungshelfer eingesetzt. Auf dem RTW ist ein Rettungssanitäter daher immer auch mit einem Notfallsanitäter in einem Team. „Wir sind in Siegen-Wittgenstein jedoch in der glücklichen Situation, häufig auch zwei Notfallsanitäter in einem Team zu haben“, sagt Alea Stockmann.

Sie hat 2018 ihre dreijährige Ausbildung zur Notfallsanitäterin abgeschlossen und arbeitet seitdem in Wilnsdorf in der Wache. „Nach der neunten Klasse wusste ich, dass ich Notfallsanitäterin werden möchte.“ Heute hilft sie in der Womelsdorfer Wache aus. Notfallsanitäter leisten am Zielort Erste Hilfe und beurteilen den akuten Krankheitszustand der Patienten. Sofern es notwendig ist, dass ein Notarzt zur Einsatzstelle kommen muss, übernehmen die Notfallsanitäter bis zur Ankunft die Versorgung des Patienten – so auch an diesem Morgen.

Der zweite Einsatz

Nachdem die Patientin dem Team im Bad Berleburger Krankenhaus übergeben worden ist, geht es für uns aber nicht zurück zur Wache, sondern direkt zum nächsten Einsatz: Eine ältere Dame ist in ihrem Wohnzimmer gestürzt. Ihr Mann hat sie auf dem Boden liegend gefunden und den Notruf gewählt. Kurz darauf sind wir auch schon vor Ort. Durch den Sturz hat sich die Dame unter anderem an der Nase eine Verletzung zugezogen, die stark geblutet hat. Das Team um Stockmann, Goldin und Brombach untersuchten sie direkt nach weiteren Verletzungen. „Wir arbeiten hier nach dem sogenannten ABCDE - Schema – ein europaweit einheitliches Schema“, wie Stockmann später erklärt. (Das ABCDE-Schema dient der systematischen Beurteilung sowie Behandlung von Patienten. A wie Airway (Atemwege): Es ist sicherzustellen, dass der Atemweg des Patienten frei ist. B wie Breathing (Atmung) und C wie Circulation (Kreislauf): z.b. den Kreislauf überprüfen. E wie Environment: Patienten entkleiden, um eventuelle Verletzungen nicht zu übersehen.)

Stefan Groos überprüft die Geräte in dem Rettungswagen.
Stefan Groos überprüft die Geräte in dem Rettungswagen. © WP | Ramona Richter

Doch nun muss alles ganz schnell gehen. „Die Pupillen sind erweitert und die Dame hat eine Kopfverletzung. Sie könnte eventuell auch eine Hirnblutung haben“, so die Notfallsanitäterin. Das Team trägt die Dame die Treppe hinunter, um sie dort auf die Trage zu legen und so in den RTW zu transportieren. „Wir haben seit diesem Jahr in fast allen RTW die elektrisch betriebenen Tragen – das erleichtert den Alltag um einiges.“ Nachdem im RTW die Erstversorgung erfolgt ist, informiert Stockmann die Klinik in Siegen via Funkgerät über die Patientin und, dass wir nun auf dem Weg zu ihnen sind. Und schon geht es los – mit Einsatzhorn und Blaulicht. Schon zu Beginn der Fahrt drückt Goldin auf einem der Funkgeräte auf eine Zahl. „Jede Zahl hier auf dem Gerät hat eine bestimmte Bedeutung“, erklärt er. „Wenn wir die Dame im Krankenhaus dem Team übergeben und den RTW wieder desinfiziert haben, drücke ich die 1. Das bedeutet, dass wir wieder frei sind für einen Einsatz.“ In der Leitstelle werden diese Meldungen verarbeitet.

Nach jedem Einsatz wird der RTW desinfiziert – so auch kurz nach 10 Uhr in Siegen durch Dirk Brombach, der heute zum dritten Mal mit dabei ist. Vier Wochen dauert sein Praktikum in der Womelsdorfer Wache ihm Rahmen seiner Ausbildung zum Berufsfeuerwehrmann. „Man kann sagen, dass ich nun meinen Traum zum Beruf mache“, sagt er. Künftig wird er dann in der Werkswehr bei seinem Arbeitgeber arbeiten. Schon seit seiner Jugend ist er bei der Freiwilligen Feuerwehr. „Ich finde es total spannend, nun auch einen Einblick in den Rettungsdienst zu bekommen“, sagt er. Nachdem der Einsatz via Ipad in einem Programm dokumentiert und anschließend im Krankenhaus gedruckt wurde, geht es zurück in die Wache nach Womelsdorf. 11.20 Uhr sind wir schließlich wieder da. „Der KTW und RTW 2 waren ebenfalls schon im Einsatz“, sagt Martin Born, Leiter der Wache. Nun heißt es: den RTW wieder auffüllen, den Einsatzbericht verfassen, den Einsatz besprechen und andere Arbeiten, die zum Alltag in der Rettungswache gehören, erledigen – bis zum nächsten Einsatz...