Siegen/Erndtebrück. Am zweiten Prozesstag gegen eine Erndtebrückerin folgten bereits die Plädoyers. Staatsanwaltschaft und Verteidigung liegen dicht beieinander.
Was soll geschehen mit der Frau, die im November 2018 in Erndtebrück mit Hammer und Messer auf ihren damaligen Ehemann losging? Nach dem ersten Verhandlungstag vor dem Landgericht in Siegen am Dienstag steht fest, sie ist kein Fall für Psychiatrie oder Entziehung hinter geschlossenen Türen.
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Sie hat seit der Tat bereits viele Dinge selbst in die Hand genommen, um ihre Situation zu ändern. „Ich wüsste nicht, was Sie noch tun könnte“, betont Verteidigerin Monika Tropp aus Herborn. „Sie hat ihr Leben um 180 Grad gedreht“, hat vorher bereits Staatsanwalt Fabian Glöckner zugunsten der Angeklagten festgehalten. Das führt im Ergebnis zu sehr ähnlichen und in Sachen Strafe überschaubaren Anträgen.
Ungewöhnliche Umstände
Der Anklagevertreter fordert sieben Monate auf Bewährung, sieht die Vorwürfe bestätigt und berücksichtigt die mehr als ungewöhnlichen Umstände des Geschehens. Die Angeklagte hat alles zugegeben, mehrfach sogar, sich mit ihrem früheren Partner ausgesprochen und ausgesöhnt, ihr Alkoholproblem angenommen und sich auf Therapien eingelassen, die noch anhalten. Vorbestraft ist die 57-jährige Wittgensteinerin nicht und hat in Glöckners Augen seit dem Vorfall bewiesen, dass sie keine Gefahr mehr für ihre Umwelt darstellt. Er schließt sich den Ergebnissen des Gutachters an, nach denen die Frau an jenem Abend nach Konsum von reichlich Wein in Kombination mit einem Beruhigungsmittel unter einer Misch-Intoxikation stand und stark berauscht war. Was eine eingeschränkte Schuldfähigkeit bedeute und damit zu einer geringeren Strafe führen müsse. Als Auflagen beantragt der Staatsanwalt die Beiordnung eines Bewährungshelfers und die Anweisung, die laufende ambulante Alkoholtherapie nicht gegen ärztlichen Rat zu beenden.
+++ Gewalt in der Ehe wird bestraft
Sie könne sich dem prinzipiell anschließen, antwortet Anwältin Kropp, legt sich aber schließlich auf sechs Monate fest und glaubt, dass ihre Mandantin keinen Bewährungshelfer braucht. Die Frau habe einen Berufsbetreuer, die Therapeutin und eine weitere Ansprechpartnerin durch das ambulante Betreute Wohnen, für das sie sich ebenfalls freiwillig entschieden habe. Dadurch gebe es bereits ein Netz kompetenter Ansprechpartner. Die Verteidigerin geht noch einmal auf die Vorgeschichte ein, auf die Alkoholprobleme der Angeklagten, die den Ehemann entfremdet und zu anderen Frauen getrieben hätten. Die Mandantin sei eifersüchtig und verzweifelt gewesen, habe den Mann „leiden lassen wollen, wie sie selbst litt. Wie ein Tier“. Ihre Absicht sei keine schwere Verletzung gewesen, „sondern ein Hilferuf“. Er sollte sehen und anerkennen, wie schlecht es ihr ging, führt Monika Tropp aus.
Therapie zeigt Wirkung
Die Juristin verweist auf den mittlerweile eingetretenen Wandel in der Einstellung ihres Schützlings, der vom Ex-Mann und Betreuer und auch den gehörten Töchtern bestätigt worden sei. Heute könne sie etwa erkennen, dass ihr Mann es an ihrer Seite nicht sehr leicht gehabt hätte.
„Ich bin ruhiger geworden. Ich war noch nie so nah bei mir“, erklärt die Angeklagte in ihrem letzten Wort. Sie hat zugestimmt, die Therapie fortzusetzen, die ihr sehr viel helfe: „Wir haben schon vieles besprochen“, anderes müsse noch aufgearbeitet werden. Aber sie fühle sich gut.
Das Urteil wird am Montagmittag verkündet.