Schameder/Göteborg. Die Forscherin aus Schameder arbeitet an der Uni Göteborg und wird jetzt vom schwedischen König ausgezeichnet. Wir haben mit ihr gesprochen.
Am 8. Dezember ist es soweit. Dann wird eine Forscherin aus Wittgenstein in Stockholm einen königlichen Preis für ihre Arbeit als Meeresbiologin an der Universität Göteborg entgegen nehmen. Wir haben mit Dr. Sophie Steinhagen über diese tolle Auszeichnung und ihre berufliche Leidenschaft für Algen gesprochen. Sie erklärt uns, warum diese Meeresorganismen für uns alle noch sehr wichtig werden.
Was ist das für ein Gefühl, eine königliche Auszeichnung entgegenzunehmen?
Sophie Steinhagen Es ist sehr interessant eine E-Mail oder einen Brief vom schwedischen Königshaus zu bekommen. Ich habe es mehrfach lesen müssen, weil man das natürlich nicht glaubt. Es kam ohne Vorankündigung und war in meinem Posteingang. Dann checkt man natürlich, ob es Spam ist…
… Oder will mich da jemand veräppeln?
(Lacht) Genau. Auf einer persönlichen Ebene ist das aufregend und nichts Alltägliches. Aber von der beruflichen Ebene her ist das wunderbar, dass die Arbeit wertgeschätzt wird. Bei Forschern ist es häufig so, dass man im Verdeckten ermittelt. Man betreibt seine Forschung und spricht in seinem Fachchinesisch mit seinen Kollegen. Davon dringt wenig an die Öffentlichkeit. Deshalb ist das eine schöne Würdigung der Forschung. Es ist schön, wenn diese Arbeit Anklang in der Gesellschaft findet.
In ihren Fachkreisen sind Sie bekannt, aber durch diese königliche Würdigung wird der breiten Öffentlichkeit präsent, was Meeresbiologen machen…
Genau. Und es ist diese Präsenz, die momentan sehr wichtig ist. Wir wissen, dass unsere Welt in einem Wandel ist. Egal ob man daran glaubt, dass es einen menscheninduzierten Klimawandel gibt, oder nicht. Fakt ist, wir haben einen Wandel, der uns Menschen betrifft. Und ich als Forscherin bin daran interessiert, diesen zu erfassen. Deswegen sind meine Forschungsergebnisse für die Menschen relevant. Jetzt ist das wichtig, dass diese Ergebnisse auch so kommuniziert werden, denn wir Forscher sind nur ein kleiner Teil und der große Teil ist die Bevölkerung, die wissen möchte, was passiert. Deswegen ist die Aufmerksamkeit, die durch diesen Preis erzeugt wird, auch ein ganz wesentlicher Teil der Öffentlichkeitsarbeit. Es geht darum, zu zeigen, was Forscher tun und was das für eine Relevanz für jeden von uns hat.
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Sie untersuchen Algen. Was ist so faszinierend an Algen?
Algen sind relevant für jeden von uns, der atmet. Uns hat man in der Schule beigebracht, dass die Regenwälder die Lungen der Erde sind. Aber 50 bis 80 Prozent des Sauerstoffs kommen von Algen. Also erfährt man ihre Bedeutung mit jedem Atemzug. Jetzt gibt es verschiedene Algen. Mikroalgen bestehen aus einer oder wenigen Zelle. Makroalgen sind recht groß. Das sind die, die wir beim Baden um die Füße haben. Und mit genau diesen beschäftige ich mich.
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Was ist das Ziel Ihrer Forschung?
Schameder, Gießen und Kiel als Stationen
Dr. Sophie Steinhagen ist 30 Jahre alt und wuchs in Schameder auf.Nach dem Besuch der Realschule Schloss Wittgenstein folgte das Abitur am Schloss in Bad Laasphe.Sophie Steinhagen studierte Biologie an der Justus-Liebig-Universität und schloss nach ihrem Master auch eine Promotion am GEOMAR - Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel an.Inzwischen forscht sie für ein Institut der schwedischen Universität Göteborg.Am 8. Dezember wird ihr im königlichen Schloss in Stockholm durch den schwedische König Carl XVI. Gustaf ein Stipendium überreicht. Der König würdigt damit die Arbeit von Forschern deren Ergebnisse wegweisend für eine nachhaltigere Entwicklung sind.
Ich bin daran interessiert, zu erforschen wie viele Algen haben wir in Nordeuropa, wie ist die Biodiversität dieser Algen und können wir diese Algen nutzen. Der Nutzen bekommt eine hohe Relevanz, da wir nach erneuerbaren Energien und nachhaltigen Rohstoffen suchen. Es ist momentan so, dass landwirtschaftliche Anbauflächen an Land schon genutzt sind. Die einzige Fläche, die noch bleibt, um etwas exzessiv zu erschließen, ist der Ozean, der auch den größten Teil unseres Planeten bedeckt. Algen wachsen im Ozean und das Gute ist, wir müssen sie nicht düngen und sie nehmen keine Süßwasserreserven weg. Wir haben aktuell eine Süßwasserknappheit. Und die Anbauflächen der Algen stehen nicht in Konkurrenz zu denen an Land.
Welchen Nutzen habe ich von Algen?
Prinzipiell wachsen Algen schneller als Landpflanzen und sind damit eine schnell nachwachsende Ressource, die wir nutzen können. Es gibt unglaublich viele chemische Substanzen, die wir extrahieren können.
Das heißt, wir können sie als Nahrungsmittel nutzen und man kann mit Algen auch Energie erzeugen?
Genau. Jede Zelle besteht aus bestimmten biochemischen Bestandteilen. Eine tierische Zelle – z.B. von einem Rind – besteht zu einem Großteil aus Proteinen. Das ist für uns schön, weil wir das gerne essen. Algen wie der Meersalat haben einen hohen Proteingehalt von bis zu 30 Prozent. Aber wir haben auch Zuckerverbindungen oder Fette und Öle, die beispielsweise zu Biodiesel verarbeitet werden können. Das Gleiche gilt für Landpflanzen. Jede hat bestimmte Bestandteile in der Zelle, die sich der Mensch zunutze machen kann, als Nahrungsmittel über Proteine und Fettsäuren oder als innovative Biomaterialien. Zellulose ist ein Stichwort. Oder eben für erneuerbare Energien. Und genau das versuche ich herauszufinden: Welche Algen unter welchen Anbaubedingungen haben welche biochemischen Verbindungen und wie können wir diese vervielfältigen oder anreichern.
Vor dem Hintergrund des Klimawandels geht es also um die Frage, was können wir aus dem Meer nutzen, um unser Leben besser zu machen?
Neben der Nutzbarmachung von Rohstoffen geht es auch um momentan nicht genutzte Flächen. Die am wenigsten genutzte ist der Ozean. Innerhalb des letzten Jahrhunderts hatten wir die grüne Revolution – Die Bauern konnten ertragreicher ernten. Aber das basiert auf der intensiven Nutzung von Ökosystemen und das kommt uns jetzt teuer zu stehen. Durch den Anbau von Algen oder generell in der Aquakultur versucht man das Ökosystem nicht weiter zu schädigen.
Sie sind Meeresbiologin. Ich gehe dabei von einer Liebe zum Meer aus. Das, was sie erforschen, könnte ein Türöffner für eine noch stärkere Nutzung des Meeres sein. Dadurch wird einer der letzten noch nicht vollständig vom Menschen erschlossenen Lebensräume nutzbar gemacht. Ist das nicht ein Spannungsfeld für Sie?
Jede Monokultur, die wir Menschen künstlich induzieren, ist auf lange Sicht nicht gut für die Umwelt. Das sehen wir im Waldbau und auf Ackerflächen. Die Idee der modernen Aquakultur ist ein integrativer Prozess. Wir haben nicht nur Fische, sondern auch Seegurken, Muscheln oder Algen, die in einer zirkulären Anbauweise vergemeinschaftet werden können. Seegurken und Muscheln sind Filtrierer und auch Algen nehmen ihre Nährstoffe durchs Wasser auf. Durch deren Anbau wird das Wasser also gereinigt. Mittlerweile sind unsere Meere durch Landwirtschaft oder Viehhaltung eutrophiert. Das heißt, sie haben einen hohen Nährstoffgehalt. Das ist ein Problem. Mit Algen können wir die Meere reinigen, obwohl wir gerade Biomasse anbauen. Das ist ein wichtiger Punkt. Wir brauchen keine zusätzlichen Düngemittel und haben gleichzeitig renaturierende Prozesse, die zu einem guten Grundzustand der Meere beitragen. Wir kennen das aus Asien. Dort baut die Bevölkerung seit vielen hundert Jahren exzessiv Algen an und man kann sehen, das dadurch ganze Strandabschnitte gereinigt werden können.
Wie sieht es in Europa aus?
Hier steckt die Entwicklung noch in den Kinderschuhen. Ich war beispielsweise im Rewe in Bad Berleburg. Vorne rechts findet man Algenchips. Das habe ich vorher noch nie gesehen. Ich habe mich sehr gefreut und fand es aufregend. Der Markt bekommt langsam den Geschmack. Und wenn man mit Leuten spricht, haben die auf jeden Fall schon mal von Algen gehört. Jetzt stellen wir uns vor, wir nehmen die Algen und machen uns einen Salat. Aber das muss gar nicht so sein.
…sondern?
Beispielsweise kann man die Proteine extrahieren und und daraus dann einen leckeren Schokoriegel machen. Wenn man den Geschmack von Algen nicht mag, kann man die Einzelbestandteile heraus raffinieren und verwenden. Das passiert heute schon. Auf der Zahnpasta-Verpackung lesen wir den Bestandteil Carrageen und das ist ein Algenbestandteil. In vegetarischen Fertiggerichten ist das Geliermittel Alginat. Die Algen begleiten uns bereits, es ist nur oft so, dass wir das nicht wissen. Sie haben nicht die breite Öffentlichkeit.
Woran liegt das?
Uns uns fehlt momentan der Rückhalt der Politik. Wenn wir uns überlegen, dass die meisten deutschen Küstengebiete unter Naturschutz stehen – was auch sehr gut ist – fallen bereits viele mögliche Anbauflächen weg, da der industrielle Nutzen von Naturschutzgebieten als Anbaufläche unzulässig ist. Das Gleiche gilt für Offshore Bereiche wie Windfarmen 60 Kilometer außerhalb. Das ist das politische Problem, denn die Technik wird gerade erforscht.
Warum sind diese Flächen nicht zugelassen?
Touristen möchten gerne über das offene Meer schauen und dann sind Algenfarmen nicht gerne gesehen. Es gäbe auch die Möglichkeit offshore etwas anzubauen, aber auch das ist in Deutschland nicht zugelassen.
Ich möchte noch wissen, wie Sie Meeresbiologin geworden sind.
Ich komme aus Wittgenstein. Das heißt, meine Kindheit habe ich weitestgehend draußen in der Naturverbracht. Mein Bruder und ich haben meistens im Wald gespielt und mit den Nachbarskindern Hütten im Wald gebaut oder sind an der Schameder auf und ab gelaufen um zu entdecken, was es zu entdecken gab. Für mich war Natur immer ein täglicher und wertvoller Begleiter.
Aber Wittgenstein ist weit weg vom Meer..?
Am tollsten war es, Urlaub an der Nordsee zu machen, Krabben zu sehen und Muscheln zu sammeln. Ich empfinde das Meer auf der einen Seite sehr beruhigend und auf der anderen Seite als einen unerschöpflichen Pool neuer Möglichkeiten. Wir sind Landlebewesen und sehen zunächst nur die Wasseroberfläche. Aber darunter verbirgt sich eine Schatztruhe voller unglaublicher Tiere und wertvollster Pflanzen.
Das Interview führte Lars-Peter Dickel