Bad Berleburg. Rolf Schmerer, der frühere Leiter der Physikalischen Therapie der Bad Berleburger Baumrainklinik, erklärt, wie wertvoll Wasser ist.

Wenn sich jemand mit Kneippschen Anwendungen auskennt, dann ist das Rolf Schmerer. Der frühere Leiter der Physikalischen Therapie der Baumrainklinik hat passend zum 200. Geburtstag des Priesters und Gesundheits-Vordenkers jetzt am Tretbecken der Espequelle in Bad Berleburg erklärt, wie wertvoll Wasser ist. „Im Wasser ist heil!“ Allein dieser Satz von Sebastian Kneipp verdeutlicht den zentralen Stellenwert des Elements Wassers in der Kneipp-Therapie, die insgesamt fünf Säulen umfasst:

1. Wasseranwendungen (Hydrotherapie), wie zum Beispiel Wassertreten, Güsse, Bäder und Waschungen

2. Bewegungstherapie: regelmäßige, aber sanfte körperliche Betätigung

3. Ernährungstherapie: ausgewogene Ernährung nach dem Prinzip der vollwertigen Mischkost

4. Pflanzenheilkunde: Einsatz von Heilpflanzen bei unterschiedlichsten Beschwerden

5. Ordnungstherapie: Gesund und zufrieden kann nur derjenige sein, der mit sich und seinem Leben im Reinen ist.

Über die Heilkraft des Wassers ließen sich abendfüllende Vorträge halten. Denn wer kennt sie nicht, die Geschichten von Wunderquellen und heilenden Gewässern. Das Element Wasser spielt seit Menschengedenken eine große Rolle. Kein Wunder, denn es ermöglicht erst das Leben auf der Erde. Der Mensch besteht zu 70 Prozent aus Wasser und so führt ein Mangel an Wasser zu erheblichen gesundheitlichen Problemen (Dehydration). Die Muskelzellen werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Kurz gesagt: ohne Wasser kein Leben.

Für Kneipp galt der Grundsatz: Wasser und Gesundheit gehen Hand in Hand. Diese Erkenntnis kam ihm nicht zufällig. Zwei Jahre lang an Tuberkulose erkrankt, wagte er den Selbstversuch mit täglichen Bädern in der kalten Donau. Bald schon fühlte er sich besser und nach drei Jahren regelmäßiger Bäder und Wassergüsse verschwand die Tuberkulose schließlich ganz. Sebastian Kneipp, der später zum Priester geweiht wurde, begann seine Erfahrungen und Erkenntnisse auch an Patienten anzuwenden, wodurch er unter anderem eine an Cholera leidende Frau vollständig heilte. Schnell wurde Kneipp als Wasserdoktor bekannt und mit seinem Buch „Meine Wasserkur“ gelang ihm schließlich der große Durchbruch.

Es gibt etwa 120 Wasseranwendungen nach Pfarrer Kneipp. Zum Einsatz kommen Güsse, Bäder, Wickel und Waschungen, wobei kaltes Wasser sein Mittel der Wahl ist. Warmes Wasser kommt meist nur im Wechsel mit kaltem zum Einsatz. Kneipp‘sche Wasseranwendungen wirken sich positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden aus.

Folgendes ist zu beachten

Vor den ersten eigenen Erfahrungen mit den Wasseranwendungen nach Sebastian Kneipp, sollte man unbedingt Folgendes beachten: Bei schweren Erkrankungen sollte unbedingt erst der behandelnden Arzt gefragt werden, ob diese Form der Therapie für einen selbst empfehlenswert ist. Dies sollte auch geschehen, wenn man gedenkt, die Kinder mit kalten Güssen ein wenig auf Trab zu bringen. Die Kneipp-Therapie eignet sich hervorragend zur Behandlung vieler sogenannter Volkskrankheiten. Die Wirkung der Wasseranwendungen bleibt dabei nicht nur auf den Reizort beschränkt. Sie erstreckt sich –vermittelt über das vegetative Nervensystem sowie hormonelle Botenstoffe – über den ganzen Körper. Dies spürt man zum Beispiel sehr deutlich nach einem kalten Knie Guss, der den ganzen Körper belebt.

Durch ein regelmäßiges Wiederholen der Anwendungen stellen sich mehrere positive Effekte, wie die Stärkung der Abwehrkräfte, eine verbesserte Durchblutung sowie die Stärkung von Kreislauf und Nervensystem ein. Beginnen sollte man die Kneippkur zuhause unbedingt mit kleinen Anwendungen um dem Körper Zeit zu geben, sich an die unterschiedlichen Reize zu gewöhnen und diese auch zu verarbeiten.

So funktioniert es

Der Satz „Viel hilft viel“ trifft nicht auf die Kneipptherapie zu. Generell gilt: Kleine Reize regen an, mittlere Reize stärken, zu starke Reize zerstören. Besonders für die ersten beiden Wochen der „Kur“ eignen sich ein Wechsel-, Fuß- oder Armbad, ein kalter Knie- oder Armguss und das Wassertreten besonders. Dafür sollte man eine Stunde vor und nach der Anwendung nicht essen und auch nicht rauchen. Bitte die Therapie in einem gut geheizten Raum durchführen.

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Zudem sollten keine Kalt- oder Wechselanwendungen durchgeführt werden, sofern man friert. Dies würde zu unerwünschten Fehlreaktionen führen. Für den Kneippguss zuhause genügt es, den Brausekopf Ihrer Dusche abzuschrauben und schon kann es losgehen – hierfür den Wasserdruck so regulieren, dass das Wasser den Körperteil, der behandelt wird, sanft umschließt (Wassermantel). Beginnen sollte man immer herzentfernt, also an der Außenseite des rechten Fußes oder an der rechten Hand – dazu den Wasserschlauch langsam nach oben (beim Knieguss bis etwa handbreit oberhalb der Kniescheibe, beim Armguss bis oberhalb der Schulter) und wieder herunterführen – das ganze zwei bis drei Mal ausführen und auf der linken Seite wiederholen.

Beim Wechselguss beginnt man immer mit warmem Wasser und einer Temperatur von etwa 36 Grad. Die Warmphase sollte so lange durchgeführt werden, bis ein deutliches Wärmegefühl vorhanden ist (rund eine Minute). Dann folgt die Kaltphase für etwa zehn bis 20 Sekunden. Anschließend wird das Ganze ein weiteres Mal wiederholt. Nach Wechsel- oder Kaltanwendungen wird das Wasser nur abgestreift und durch Bewegung (wie einen kurzen Spaziergang) für Wiedererwärmung gesorgt. Alternativ kann man sich aber auch für etwa 15 bis 30 Minuten ins Bett legen.

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Für ein Wechsel-, Fuß- oder Armbad benötigt man zwei entsprechend große Gefäße. Das eine wird mit etwa 37 Grad Celsius warmem Wasser gefüllt, das andere mit etwa 15 Grad kaltem Wasser. Begonnen wird mit einer fünfminütigen Warmphase, gefolgt von einer zehn- bis 20-sekündigen Kaltphase. Danach wiederholt man beide Phasen ein zweites Mal. Auch hier wird das Wasser wieder nur abgestreift und für Wiedererwärmung gesorgt. Anfangs sollte mit einer Anwendung pro Tag begonnen werden, ab der zweiten Woche kann eine zweite Anwendung pro Tag durchgeführt werden – idealerweise vormittags eine Wechselanwendung und nachmittags oder abends eine Kaltanwendung. Für zuhause bestens geeignet sind auch das Wassertreten (in der Badewanne), der kalte Gesichtsguss, die Wechseldusche, medizinische Teil- und Vollbäder mit Zusatz, sowie Wickel und Auflagen.

Im Internet ist eine ausführliche Beschreibung zur Durchführung der Therapien mit den entsprechenden Indikationen zu finden unter www.kneipp.com.