Diedenshausen/Bromskirchen. Das Berleburger Dorf liegt auf NRW-Seite, die Siedlung Seibelsbach in Hessen, jenseits des Baches Elsoff. Was verbindet? Was trennt?

Das Bürger-Votum steht: Über 73 Prozent der Wahlberechtigten in der hessischen Gemeinde Bromskirchen haben gerade für einen Zusammenschluss mit dem benachbarten Allendorf zum 1. Januar 2023 gestimmt. Und auch in der Diedenshäuser Siedlung Seibelsbach gebe es dafür Zustimmung, berichtet Bewohner Georg Gernand (62). Schließlich gehört die Siedlung zwar zum Bad Berleburger Ortsteil Diedenshausen mit seinen insgesamt rund 300 Bewohnern, liegt aber komplett auf hessischem Boden. Und das nun schon seit 1532. Häuser allerdings gab es dort erst ab dem 18. Jahrhundert.

Das Alleinstellungsmerkmal

Die Besonderheit

Der Bad Berleburger Ortsteil Diedenshausen in Wittgenstein hat eine Besonderheit: Östlich des Baches Elsoff, der durch das Dorf fließt, liegt die Siedlung Seibelsbach – auf dem Gebiet des benachbarten Bundeslandes Hessen. Zwar gehört die Siedlung, die über keine direkte Straße mit dem hessischen Hinterland verbunden ist, geografisch zu Diedenshausen, politisch jedoch zu Hessen, genauer gesagt zur Gemeinde Bromskirchen im Landkreis Waldeck-Frankenberg.

So beteiligten sich die Seibelsbächer Mitte März erst an der hessischen Kommunalwahl – und votierten außerdem in einem Bürgerentscheid mit breiter Mehrheit dafür, dass ihre Gemeinde Bromskirchen (etwa 2000 Einwohner) zum 1. Januar 2023 mit der Nachbargemeinde Allendorf (rund 5600 Einwohner) fusioniert. Größere kommunale Einheiten – das sei von der hessischen Landesregierung in Wiesbaden „auch so gewollt“, weiß Georg Gernand vom Ortsbeirat für die hessischen Wohnplätze Seibelsbach, Dachsloch und Neuludwigsdorf.

Die Seibelsbächer fühlen sich sowohl als stolze Hessen, aber eben auch „ihrem“ NRW-Dorf Diedenshausen zugehörig. Allerdings ist das Leben im Grenzgebiet nicht immer einfach – oft gibt es auch Hürden. In unserer kleinen Serie wollen wir zeigen, was die Menschen über den Grenzbach Elsoff hinweg verbindet, was sie trennt. Und wie sie ihr Leben meistern.

„Diedenshausen ist eins“, betont Gernand, gelernter Schreiner – „nur mit einem Teil westfälischer und einem Teil hessischer Bürger. Das ist ein kleines Alleinstellungsmerkmal“, schmunzelt er. Und alle Bewohner vom „Wohnplatz Seibelsbach“ seien gut in Diedenshausen integriert, etwa in den Vereinen des Dorfes. Gernand selbst zum Beispiel mischt beim TuS, im Heimat- und Verkehrsverein mit sowie bei der Freiwilligen Feuerwehr, zumindest als passives Mitglied. „Und wir gehen ja auch nicht in Bromskirchen in die Kirche“, sagt Gernand. Friedhof und Kita lägen ebenso zentral in Diedenshausen.

Die Wohnplätze

Der 62-jährige Holzwaren-Produzent Georg Gernand gehört dem fünfköpfigen Ortsbeirat für den Bromskirchener Ortsbezirk mit den sogenannten Wohnplätzen Neuludwigsdorf, Dachsloch und eben Seibelsbach an. In Neuludwigsdorf leben rund 80 Bewohner, im Dachsloch drei Familien mit einem knappen Dutzend Menschen.

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Und im Seibelsbach mit seinen beiden Straßen „Zum Seibelsbach“ und „Zum Heiligenholz“? „Sind wir jetzt fast 60 Leute“, freut sich Gernand. Das liege auch daran, dass erst kürzlich eine ganze Familie hier zugezogen sei. Offensichtlich bietet das Neubaugebiet „In den Krautgärten“ dafür einen gewissen Charme. Zwei von sieben Bauplätzen hier sind derzeit noch frei. Gut zu wissen für den Start: Baugenehmigungen seien in der Regel bei der Verwaltungsstelle Frankenberg des Kreises Waldeck-Frankenberg zu beantragen, so Gernand.

Das sagt der Ortsvorsteher

Aus Sicht von Diedenshausens Ortsvorsteher Ulrich Dienst ist der Seibelsbach „ein stark wachsender Ortsteil“ – dank junger Familien, die sich hier ansiedelten. Und die Preise im komplett erschlossenen Neubaugebiet mittendrin seien günstig – während Baulücken anderswo im Dorf ja leider nicht zum Verkauf stünden.

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Im Ortsbeirat

Im neu gewählten Ortsbeirat, der sich nach der hessischen Kommunalwahl Mitte März parallel zum erwähnten Bürgerentscheid bereits konstituiert hat, „treffen wir uns, wenn etwas Aktuelles anliegt“, erklärt Gernand. Daraus ergäben sich dann oft „Empfehlungen an Verwaltung oder Gemeinderat“ im Bromskirchener Rathaus. Wegen Corona habe sich im neuen Beirat aber bislang noch nicht viel getan.

Die Fusion der Gemeinden

Die Fusion von Bromskirchen und Allendorf begrüßt Gernand. „Beide Gemeinden bilden ja schon eine Verwaltungsgemeinschaft, bei der Synergie-Effekte genutzt werden. Und das klappt ja auch ganz prima.“ Gernands Hoffnung: dass sich mit dem Zusammenschluss ein größerer finanzieller Spielraum auf kommunaler Ebene ergibt.

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Die Autokennzeichen

An der Straße „Zum Heiligenholz“ informiert eine Tafel über die Grenze zwischen NRW und Hessen, die mitten durchs Dorf verläuft.
An der Straße „Zum Heiligenholz“ informiert eine Tafel über die Grenze zwischen NRW und Hessen, die mitten durchs Dorf verläuft. © Eberhard Demtröder

Die Landesgrenze quer durch Diedenshausen ist im Grunde unsichtbar, offizielle Orts- oder Hinweistafeln etwa gibt es nicht. Und doch ist sie erkennbar – weil sie mitten im Ort durch den Bach Elsoff markiert wird. Und: Statt „BLB“ oder „SI“ haben die Seibelsbächer „KB“, „FKB“ oder „WA“ auf den Nummernschildern ihrer Autos – für Korbach, der Kreisstadt des hessischen Landkreises Waldeck-Frankenberg, für den Altkreis Frankenberg oder den Altkreis Waldeck. „Und das gerade an der Straße ,Zum Seibelsbach‘“, lacht Gernand.

Das Wählen

Formal wählen gehen die Seibelsbächer in Hessen – wie jetzt im März, als neben der Kommunalwahl auch der Bürgerentscheid für die Fusion Bromskirchens mit Allendorf anstand. Das offizielle Wahllokal befinde sich seit ein paar Jahren schon nicht mehr in Neuludwigsdorf, sondern im Dorfgemeinschaftshaus in Bromskirchen, so Georg Gernand – „aber wir hier im Seibelsbach machen eh meistens Briefwahl. Pandemie-bedingt sowieso“.

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Die Postzustellung

Immerhin: Die Post wird nach wie vor von einem Briefträger aus NRW auch in die Siedlung gebracht. Eine Idee vor ein paar Jahren, diese Aufgabe einem hessischen Kollegen zu übertragen, konnte abgewendet werden. „Und meistens läuft‘s“, sagt Georg Gernand. Nur wenn amtliche Schreiben an die offizielle Meldeadresse der Seibelsbächer in Bromskirchen adressiert sind, hake es manchmal bei der Zustellung. Von sich aus geben die Siedler ohnehin Bad Berleburg-Diedenshausen als Absender-Ort an.

Der Familienbetrieb

Blick in die Diedenshäuser Straße „Zum Seibelsach“: Sowohl der Holzwaren-Betrieb als auch das Feuerwehrhaus stehen bereits auf hessischer Seite.
Blick in die Diedenshäuser Straße „Zum Seibelsach“: Sowohl der Holzwaren-Betrieb als auch das Feuerwehrhaus stehen bereits auf hessischer Seite. © Eberhard Demtröder

Schon seit den 1920er Jahren bearbeitet der reine Familienbetrieb von Georg Gernand Massivholz. Die aktuelle Artikelpalette der oberflächenveredelten Holzwaren reicht von Schubkästen verschiedener Größen für Badezimmermöbel über Sauna-Thermometer bis hin zu Spätzle-Brettern speziell für den Markt in Baden-Württemberg. Einer der Abnehmer von Gernands Produkten ist ein bundesweit aktiver Badmöbel-Anbieter aus Hallenberg. Ein Problem vor allem für Speditionen seien allerdings die fehlende Autobahn-Anbindung Wittgensteins und die Erreichbarkeit Diedenshausens vor allem im Winter, bedauert Gernand.

Die Siedlung und Corona

Ab und zu hat auch Corona den kleinen Unterschied zwischen Dorf und Siedlung gemacht. So erinnert sich Gernand an eine Ausgangssperre auf hessischer, aber nicht auf NRW-Seite. Und dann habe man in Diedenshausen abends gewitzelt: „Uh, jetzt müsst ihr Hessen aber schnell nach Hause...“

Die neue Brücke

Stolz sind Ortsbeirat Gernand und Ortsvorsteher Dienst auf eine gemeinsam komplett neu aufgebaute, überdachte Fußgängerbrücke über die Elsoff, die das Neubaugebiet direkt mit der Diedenshäuser Kita verbindet. Zur Finanzierung des Daches hat Dienst Fördergeld beim Land NRW in Form eines „Heimatschecks“ lockergemacht, während Gernand bei Bromskirchens Bürgermeister Ottmar Vöpel für den Brückenboden unkomplizierte Hilfe durch den Bauhof der Gemeinde organisierte. „Den Steg gab es eigentlich schon immer“, so Dienst – „wir haben ihn jetzt nur neu aufgesetzt“. Von der Brücke, die nun auf stabilen Fundamenten ruht, profitieren nun alle großen und kleinen Diedenshäuser – auf beiden Seiten der Elsoff.

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