Wittgenstein. In der Pandemie bekommen Hausärzte für ihre Patienten immer noch zu wenig Impfdosen. „Katastrophal“, sagt einer von ihnen in unserer Umfrage.
Zu wenig Impfdosen gegen Corona für die Hausärzte – das Problem hält offenbar an. Mediziner und Patienten in Wittgenstein ärgert das gleichermaßen. Eine kleine Umfrage in den Praxen.
Feudingen
Impf-Turbo einschalten
„Jetzt die Voraussetzungen für den ‚Impf-Turbo‘ schaffen“ – unter diesem Motto wollen Gewerkschaften, Verbände, Handwerk und IHK in Siegen-Wittgenstein die heimische Politik bei den betriebsärztlichen Impfung in die Pflicht nehmen.
In einer gemeinsamen Resolution „Impfanstrengungen gemeinsam maximal beschleunigen“, die heute den heimischen Bundes- und Landtagsabgeordneten zuging, richten die Arbeitgeberverbände Siegen-Wittgenstein und Olpe, der DGB Südwestfalen, die IHK Siegen, die IG Metall Siegen und Olpe sowie die Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd klare Erwartungen an die Regierungspolitik. Im Fokus stehen dabei die notwendigen Rahmenbedingungen für innerbetriebliche Impfungen.
„Es ist katastrophal, milde ausgedrückt.“ So macht der Feudinger Hausarzt Dr. Safwat Metwaly seinem Unmut Luft. „Ich habe heute gerade einmal sechs Patienten geimpft.“ Das liege einzig an der überschaubaren Zahl an Impfdosen, die für diese Woche geliefert worden seien: Je ein Fläschchen Biontec und Astrazeneca. Macht 16 statt der erhofften 45 Impfungen in Metwalys Praxis. Also habe man gut drei Vierteln der Patienten ihren Impftermin wieder absagen müssen. Und die reagierten enttäuscht bis zornig, berichtet der Mediziner – verständlicherweise. 100 Impfungen pro Woche – „das könnten wir im Team mit links“, so Metwaly.
„Die Ärzte hätten in drei Monaten weit mehr geschafft als die Impfzentren“, ist er überzeugt – wenn man sie schon Ende Dezember 2020 von Anfang an gelassen hätte. „Die Politik hat total versagt – von A bis Z“, kritisiert Metwaly. Und: Bei den Hausärzten fühlten sich die Patienten auch besser versorgt in Sachen Impfung. Doch offenbar würden die Impfzentren bei der Belieferung mit Impfdosen immer noch bevorzugt, vermutet Metwaly – „das ist paradox“.
Erndtebrück
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Aber auch Dr. Oliver Haas und sein Team können in ihrer Erndtebrücker Praxis nicht aus dem Vollen schöpfen. Immerhin: „Weil wir 48 Impfdosen pro Vertragsarzt bestellen können, kriegen wir am Ende relativ viel Impfstoff“, sagt Haas, der noch vier Arztkollegen beschäftigt. Diese Woche seien es 130 bis 140 Dosen, in der nächsten Woche hoffentlich 200 bis 250.
„Was wir so ein bisschen kritisieren: Wir wissen nicht, welchen Impfstoff es in zwei Wochen gibt.“ Und wenn Astrazeneca geliefert werde, müsse er dafür bei den Patienten schon „viel Werbung machen“. Immerhin sei die Impfbereitschaft „sehr hoch“.
Wenn jetzt endlich die versprochenen Impfdosen in hoher Zahl geliefert würden, „sehe ich auch Licht am Ende des Tunnels“, so Haas. „Es läuft besser, als ich gedacht habe.“ Vielleicht müsse in den Medien auch nicht so viel über mögliche Nebenwirkungen gesprochen werden, die es bei Medikamenten immer gebe, findet der Mediziner. Das bremse den einzigen Weg raus aus Corona nur aus.
Bad Berleburg
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„Wir verimpfen an einem Tag das, was wir pro Woche bekommen“, berichtet Dipl.-Med. Dimitri Osjutin, Facharzt für Innere Medizin in Bad Berleburg. Und das seien in dieser Woche 32 Dosen für die beiden Ärzte in der Gemeinschaftspraxis gewesen, die Osjutin mit Dipl.-Med. Juri Rein betreibt. „Bis jetzt sind bei uns 122 Patienten geimpft worden – und etwa 1000 stehen noch auf der Warteliste.“ Patienten, die nicht so lange warten wollten, empfiehlt Osjutin einen Termin im Eiserfelder Impfzentrum – zumindest, sofern sich die Lage bei den Impfstoff-Lieferungen nicht ändere.
Für die nächste Woche bestellt haben Osjutin und Rein Serum das mögliche Maximum für rund 96 Impfungen. „Was wir bekommen, wird aber wahrscheinlich deutlich weniger sein“, fürchtet Osjutin. Was er sich jetzt von der Politik wünscht: dass endlich die Priorisierung abgeschafft wird, sofern genug Impfstoff vorhanden – und die Hausärzte zum Beispiel endlich auch aktivere Menschen unter 50 impfen können, bei denen mit einem schweren Krankheitsverlauf zu rechnen sei.
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Schlicht „eine Unverschämtheit“ nennt der Bad Berleburger Allgemeinmediziner Dr. Holger Finkernagel das Röhrchen für sechs Patienten, das er diese Woche statt der bestellten 48 Impfdosen in die Praxis bekommen hat. „Das Defizit ist eben der grundsätzliche Mangel“, sagt er zum Thema Impfstoff. Und das Versagen der Politik gehöre in einen Untersuchungsausschuss, findet Finkernagel. 130 Corona-Infizierte allein in Bad Berleburg – da sollten sich die Stadtverordneten doch bitteschön mal fragen: Woher kommt das eigentlich?