Erndtebrück. Ein Friedensaktivist hatte die Soldaten der Hachenbergkaserne aufgefordert, Militärgeheimnisse preiszugeben und wurde zunächst freigesprochen.

Vor knapp zwei Monaten hieß es noch: Freispruch für den sogenannten Friedensaktivisten Hermann Theisen, der vor der Erndtebrücker Hachenbergkaserne Flugblätter an Soldaten verteilte – mit der Aufforderung zum Whistleblowing, also Militärgeheimnisse zu verraten und die Öffentlichkeit über „Hintergründe der Beteiligung der Verbindungskommandos der Luftwaffe an den Drohneneinsätzen der US-Army [...] auf deutschem Einsatzgebiet“ zu informieren. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Siegen Revision gegen das Urteil eingelegt.

Theisen sei zu Unrecht vom Vorwurf des öffentlichen Aufforderns zu Straftaten freigesprochen worden, leitet Oberstaatsanwalt Christian Kuhli die Revision ein. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung am 26. Februar vor dem Landgericht Siegen habe sich bestätigt, dass Theisen sich schuldig gemacht habe, indem er Angehörige der Bundeswehr aufgefordert hatte, militärische Geheimnisse zu verraten.

Der Tatbestand

Der Tatbestand des öffentlichen Aufforderns zu Straftaten setzt laut Staatsanwaltschaft voraus, dass der Täter zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen auffordert – dabei müsse zu einer bestimmten Handlung aufgefordert werden.

Theisen hatte am 11. Juli 2019 ausdrücklich an Angehörige der Bundeswehr am Standort Erndtebrück Flugblatt-Aufrufe an mehrere dienstliche E-Mail-Adressen versandt – diese Flugblätter riefen zur

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„Preisgabe von dienstlichen Informationen auf“. Dabei ging es im Speziellen um die nukleare Teilhabe der Bundeswehr. Die Anrede sei dabei gezielt gewesen und habe sich eindeutig an die Soldaten und Beschäftigten des Einsatzführungsbereichs 2 der Luftwaffe Erndtebrück gerichtet. Ebenso wurde in der E-Mail „ausdrücklich“ dazu aufgefordert, sie an Kameraden zu verteilen.

Die Begründung

Die Staatsanwaltschaft konzentriere sich in der Revision auf das Flugblatt, das die nukleare Teilhabe zum Gegenstand hatte. „Die Aufforderung zur Preisgabe von Informationen zur nuklearen Teilhabe ist eindeutig“, schreibt der Oberstaatsanwalt. Eine Preisgabe von genau solchen, als teilweise „streng geheim“

Angeklagter Hermann Theisen (rechts) und sein Verteidiger Martin Heiming freuten sich im Februar über den Freispruch. 
Angeklagter Hermann Theisen (rechts) und sein Verteidiger Martin Heiming freuten sich im Februar über den Freispruch.  © Emma Rothenpieler | Emma Rothenpieler

eingestuften Informationen könnte jedoch öffentliche Interessen gefährden – und zur Geheimhaltung seien die Geheimnisträger in der Bundeswehr förmlich verpflichtet. Die Weitergabe der Informationen würde damit auch einen Verstoß gegen die Geheimhaltungspflichten der Soldaten gegenüber ihrem Dienstherrn bedeuten.

„Wenn auch die politischen Motive und Ansichten des Angeklagten relevant sind und ehrenwert sein mögen, liegt nach Auffassung der Staatsanwaltschaft damit in dem ausdrücklichen Aufruf zur Preisgabe von Dienstgeheimnissen ein Verstoß gegen Paragraf 111 des Strafgesetzbuches vor“, heißt es in dem Antrag zur Wiederaufnahme des Verfahrens.

Das Verteilen des Flugblattes ist auch nicht durch die sogenannte Whistleblower-Richtlinie der EU gedeckt. „Der Angeklagte wendet sich seit vielen Jahren gegen die atomare Bewaffnung und tritt für deren Abschaffung ein. Hierbei handelt es sich um ein legitimes Ziel“, so der Oberstaatsanwalt. Jedoch sei seine Aktion mit den Flugblättern widerrechtlich gewesen.

>>>INFO:

Im Februar wurde Theisen frei gesprochen – inklusive einer Geldstrafe in Höhe von 750 Euro, weil er

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gegen Versammlungsauflagen verstoßen hatte.

Die E-Mails haben sich nicht an die Öffentlichkeit, sondern an einen festgelegten Personenkreis gerichtet, begründete Richter Hoffmann das Urteil.