Wittgenstein. Ein Berleburger Hausarzt möchte auf die zentrale Einrichtung nicht verzichten – sein Kollege von der Kassenärztlichen Vereinigung dagegen schon.

Die Salzmann-Schule in Bad Berleburg als sogenannte „Impfstelle“ für den Altkreis Wittgenstein? „Ein rein politischer Wunsch […], der nicht den realen Bedingungen und den real gelieferten Impfstoff-Mengen gerecht wird“, kritisiert Dr. Martin Junker aus Olpe, Leiter der Bezirksstelle Lüdenscheid, Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), in einem Schreiben an Siegen-Wittgensteins Landrat Andreas Müller. Unterdessen kann sich zum Beispiel sein Bad Berleburger Hausarzt-Kollege Dr. Holger Finkernagel „gut vorstellen, dass in der Salzmann-Schule für die verschiedenen Hausärzte Raum und Zeit zur Verfügung gestellt wird, damit die Arztpraxen impfen können“ – sofern sie das denn wollten.

Das sagt Dr. Junker

Haus- und Fachärzte schaffen das

Er spreche aus der Praxis-Erfahrung heraus, „als Betriebs- wie auch Umweltmediziner und als Arzt für Gesundheitsfürsorge und Prävention“, betont der Olper Hausarzt und KVWL-Bezirksstellenleiter Dr. Martin Junker.

Und er ist er überzeugt: Das weitere Impf-Prozedere sei auch in der Region Wittgenstein von seinen Haus- und Facharzt-Kollegen zu bewältigen.

Er selbst habe in seiner Praxis vergangenes Jahr rund 700 Grippe-Impfungen vorgenommen, so Dr. Junker, komme mit Einsätzen als Betriebsarzt am Ende sogar auf 1100 bis 1200 Impfungen.

Zum einen seien die Kapazitäten im Eiserfelder Impfzentrum für den gesamten Kreis noch gar nicht ausgeschöpft, argumentiert Dr. Junker – und: „Dem Wunsch, zuhause Pflegebedürftigen und behinderten Menschen auch die Impfung zu ermöglichen, inklusive den entsprechenden Pflegepersonen, wäre mit einer Weitergabe von Impfungen wie von Moderna oder Astrazeneca in die Praxen flächendeckend mehr genüge getan, als wenn ein neuerliches Impfzentrum eröffnet wird.“ Und über die zusätzlichen Kosten für den Steuerzahler wolle er gar nicht erst reden, so Dr. Junker weiter. Mehr noch: Die Personal-Situation für ein komplette zweite Impfstelle sei von der KV gar nicht zu stemmen, fürchtet der Bezirksstellenleiter.

Dr. Junker wünscht sich deshalb von Landrat Müller, dass dieser sich beim NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) für die schnelle Freigabe von Impfungen für die Arztpraxis einsetzt.

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Kritik übt der Olper Mediziner auch an den Prioritäten beim Impfen. „Hätte man schon frühzeitig die ,Multiplikatoren‘ geimpft, die ambulanten und stationären Pflegekräfte, die Kindergärtner, Lehrer, Verkäuferinnen und Kassiererinnen, dann wäre das Virus gar nicht erst in die stationären Einrichtungen und andere hineingetragen worden“, schreibt Junker. Dann „hätten wir weniger oder kaum Mutationen, dann wäre die Inzidenz niedrig gewesen“.

Sicher: „Die jetzt vorrangig Geimpften sind gesundheitlich vielleicht höher gefährdet“, so Junker weiter, würden aber „in der Regel nur von außen mit den Virus konfrontiert“. Hätte man vielmehr „die ,Zubringer‘ frühzeitig und flächendeckend geimpft, hätte man hier schnellere und bessere Ergebnisse erzielt, ohne dass pauschal ganze Branchen in den Bankrott getrieben worden wären“.

Das sagt Dr. Finkernagel

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Mit der Salzmann-Schule als zen­traler Impfstelle für die heimischen Hausärzte könnten in einer Woche gut 700 Patienten geimpft werden, schätzt der Bad Berleburger Hausarzt Dr. Holger Finkernagel – bei insgesamt sieben Hausarzt-Kollegen. Und „wenn dann jeder Arzt im Routinebereich seiner Praxis an den übrigen Tagen Impfungen durchführt wie bei den Grippe-Impfungen, dann kämen gewiss noch einmal 100 geimpfte Patienten dazu“. Ohne die zentrale Impfstelle in der Salzmann-Schule werde es aber wohl nicht zu schaffen sein, die Impfzahlen in Wittgenstein nennenswert zu steigern.

Die Einrichtung einer Schwerpunkt-Praxis lehnt Dr. Finkernagel dagegen ab, da sie „eine Kompetenz vorspiegelt, die überhaupt nicht gegeben ist“. Das sei auch von den Hausärzten so nicht gewollt. Ein weiteres Argument des Mediziners: „Da die Patienten nach der Impfung schon aus rechtlichen Gründen 20 bis 30 Minuten in einem Ruheraum verweilen sollen, ist das in einer Praxis kaum möglich.“

So plant der Kreis

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Der Kreis Siegen-Wittgenstein plant derzeit für die Region Wittgenstein sowohl mit der Salzmann-Schule als Zweigstelle des Impfzentrums in Siegen-Eiserfeld als auch mit je einer Schwerpunkt-Praxis in Bad Laasphe und Erndtebrück – nach derzeit noch aktuellen Vorgaben des Landes NRW. Dieses Konzept könnte allerdings schon bald überholt sein, sollte das Impfen in den Praxen von Haus- und Fachärzten möglich werden – findet auch Dr. Junker. Und sieht dabei die meisten Arzt-Kollegen in Südwestfalen hinter sich.