Bad Berleburg. Vorsätzliche und versuchte gefährliche Körperverletzung: Das Amtsgericht beschäftigt sich in einer Verhandlung gleich mit zwei Fällen.

Ein eher ungewöhnliches Bild am Freitagmorgen im Amtsgericht Bad Berleburg: Gleich zwei Bad Berleburger mussten sich wegen Körperverletzungsdelikten verantworten — und zwar nicht gemeinschaftlich, sondern gegeneinander. Der erste Angeklagte, 27 Jahre alt, saß wegen vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter gefährlicher Körperverletzung auf der Anklagebank. Schräg gegenüber von ihm ein 39-jähriger Bad Berleburger — ebenfalls wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Schlussendlich stellte Richter Hoffmann das Verfahren gegen den Älteren ein. Im Gegenzug muss dieser eine Geldbuße in Höhe von 800 Euro an den örtlichen Jugendförderverein zahlen. Der 27-jährige Angeklagte wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu 80 Tagessätzen zu je 20 Euro verteilt. Die versuchte gefährliche Körperverletzung stellte das Gericht ein.

Die Anklage

Im Mai vergangenen Jahres soll sich zwischen den beiden Angeklagten ein erst verbaler Streit in einem Bad Berleburger Lebensmittelgeschäft zugetragen haben. Wenige Minuten später sei die Situation dann eskaliert — und aus den einst verbalen Streitigkeiten soll eine massive körperliche Auseinandersetzung entstanden sein. Dabei wird dem 27-Jährigen vorgeworfen, seinem Gegenüber eine Kopfnuss verpasst zu haben.

Außerdem soll er den 39-Jährigen mit einem Klappmesser angegriffen haben. Dieser wiederum soll seinem Angreifer dann mit einem Stein mehrfach auf den Kopf geschlagen und ihn dann zu Boden gedrückt haben. Der 27-Jährige hatte dadurch multiple, blutende Kopfverletzungen erlitten. Für den 39-Jährigen hatte die Kopfnuss eine angebrochene Nase und eine Platzwunde im Gesicht bedeutet. Zeugen konnten die beiden schließlich auseinander bringen. Auslöser für das Gefecht sollen politische Meinungsverschiedenheiten gewesen sein.

Die Sicht des 27-Jährigen

„Er hat mich viele Male provoziert – auf WhatsApp und Facebook“, so der erste Angeklagte über seinen Rivalen. Früher habe er mit ihm ein freundschaftliches Verhältnis geführt. Im Geschäft — dort wollen sich die beiden zufällig beim Einkaufen begegnet sein — sei der 39-Jährige laut und aufbrausend gewesen.

Laut des 27-Jährigen habe der Bad Berleburger ihn mehrfach dazu aufgefordert, ihm nach draußen zu folgen, um es „unter Männern zu klären“. Der jüngere Angeklagte berichtet, er habe sich von seinem Gegenüber bedroht gefühlt — deswegen habe er das Messer aus seinem Auto geholt. „Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm den Kopfstoß zu geben.“

Nach dem Kopfstoß soll der 39-jährige Angeklagte schließlich mit einem Stein auf seinen Kopf eingeschlagen haben. Erst dann habe der 27-Jährige das Messer gezückt: „Ich wollte ihn nicht stechen. Ich wollte ihm Angst machen.“ Letztlich will er das Messer direkt fallengelassen haben. Mit Politik habe der Bad Berleburger nur wenig zutun. Er bestreitet die Vorwürfe, dass es sich in dem Streit um politische Meinungsverschiedenheiten gedreht haben soll.

Die Sicht des 39-Jährigen

Der zweite Angeklagte hat jenen Tattag im Mai 2020 anders in Erinnerung, als der Mann auf der gegenüberliegenden Anklagebank: „Das ist doch Fantasie, was der hier erzählt.“ Er behauptet, der 27-Jährige habe den Streit begonnen und ihn provoziert. Der 39-Jährige weiß, wieso er seinen Opponenten gebeten hat, mit ihm aus dem Geschäft zu gehen: „So etwas klärt man alleine – nicht vor meiner Frau und nicht vor meinem Kind.“

Laut dem 39-Jährigen soll sein Gegenüber ihm zu seinem Auto gefolgt sein, ihm dort eine Kopfnuss verpasst und erst danach das Messer geholt haben. Der 27-Jährige sei damit mehrfach auf ihn zugegangen. Dann habe der 39-Jährige mit einem Stein auf ihn geschlagen. Nach dem Fallenlassen des Messers habe der 27-Jährige trotzdem immer wieder danach gegriffen.

„Das war alles andere als harmlos. Ich fürchtete wirklich um mein Leben“, zeigte sich der 39-Jährige türkischer Abstammung sichtlich aufgewühlt.

Von seiner Seite aus gebe es keinen Anlass zur Provokation — vor allem nicht in politischer Hinsicht. Er wisse jedoch — so behauptete er — dass der 27-jährige Kurde eine Abneigung gegen Türken habe und er sich sogar von einer türkischen Flagge provoziert fühle. Der 39-Jährige berichtete außerdem davon, dass der 27-Jährige ihm und seiner Familie nach dem Vorfall regelmäßig mit Mord gedroht habe. Wer hier nun wen provoziert hat und weswegen, das bleibt weiterhin unklar. Für Staatsanwalt Markus Urner ist das aber auch nicht wichtig: „Das Ganze war vollkommen vermeidbar. Provokationen rechtfertigen dieses Handeln überhaupt nicht.“ Er appelliert an beide: „So etwas darf sich nicht wiederholen und dieser Konflikt muss hier und heute sofort beendet werden. Ansonsten sehen wir uns hier sehr schnell wieder.“ Urner stellte fest, dass der 27-jährige Angeklagte „mit relativ kurzer Zündschnur ausgestattet“ ist und deutete auf ein Aggressionsproblem hin.

Nach einer rund halbstündigen Unterbrechung, in der Richter Hoffmann Rücksprache mit den Verteidigern Thomas Biek und Sabina Bald hielt und der Sachverhalt nochmals erörtert wurde, stand schließlich fest, dass das Verfahren gegen den 39-Jährigen eingestellt wird. Doch Richter Hoffmann weiß: „Sie haben beide zur Eskalation beigetragen.“