Bad Berleburg/Siegen. Es ist eine Neuauflage mit Ansage. Die Verteidigung vermisst ein wichtiges Puzzleteil. Die Staatsanwaltschaft aber bleibt gelassen.

Der Gullydeckel-Anschlag auf die Rothaarbahn kommt erneut vor Gericht. Noch in diesem Jahr beschäftigt sich die 3. Kleine Strafkammer des Landgerichtes Siegen erneut mit der aufsehenerregenden Straftat. Gegen den am 2. Oktober 2020 vom Schöffengericht in Bad Berleburg getroffenen Schuldspruch gegen den Lokführer hatte dessen Verteidiger bereits vier Tage nach dem ersten Urteil Rechtsmittel eingelegt. Eine Berufung mit Ansage.

Nur in einem sind sich Anklage und Verteidiger einig

„Es war uns von Anfang an klar, dass das Verfahren in die zweite Instanz gehen wird“, sagt Verteidiger Dennis Tungel aus Lünen. Mit einem von der Verteidigung geforderten Freispruch wäre die Staatsanwaltschaft genauso wenig zufrieden gewesen wie jetzt die Verteidigung mit der in Bad Berleburg verhängten Haftstrafe von 21 Monaten ohne Bewährung. Aber auf diesen langen Weg durch die Instanzen sei auch sein Mandant vorbereitet gewesen, sagt Tungel im Gespräch mit dieser Zeitung.

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Auch Staatsanwalt Rainer Hoppmann bestätigt diese Einschätzung. Allerdings glaubt dieser nicht daran, dass in der zweiten Instanz ein Freispruch für Thomas C. herausspringt. „Die Beweislast hat für eine Verurteilung ausgereicht, daran hat sich nichts geändert“, so Hoppmann. Immerhin, mehr als die 21 Monate Haft könnten dem Angeklagten nicht drohen. „Dann hätten wir als Staatsanwaltschaft Berufung einlegen müssen“, erläutert der Ankläger, der auch die Ermittlungen betreut hatte.

Begründung des Verteidigers

Der Grund für die Berufung liegt auf der Hand, findet andererseits der Rechtsanwalt: „Ein entscheidendes Puzzleteil fehlt – das Motiv“, sagt Verteidiger Tungel und greift damit ganz bewusst das Bild auf, das Richter Torsten Hoffmann in Bad Berleburg im Oktober 2020 gebraucht hat, als er die schwierige Beweisaufnahme beschrieben hat, die zum Richterspruch führte: „Das Gericht hatte so etwas wie ein Puzzle zusammenzusetzen“, sagte Hoffmann damals.

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In einer dreitägigen Hauptverhandlung würdigte das Gericht die wenigen Zeugenaussagen und zahlreichen Spuren. DNA- und Fasergutachten waren erstellt, Handydaten ausgewertet worden. Fallanalytiker des Landeskriminalamtes hatten den Hergang mit Pappmaché-Hindernissen minuziös nachgestellt. Deren Fazit lautete, dass sich nur ein Zugführer haben retten können, der von dem Hindernis wusste. Am Ende stand für das Gericht fest: „Wir haben keine Zweifel, dass er (der Angeklagte/die Red.) den Unglücksfall selbst verursacht hat“, so Richter Torsten Hoffmann.

Ein fehlender Baustein

Aber auch das Gericht stellte damals fest, dass ein Baustein fehle: das Motiv. So etwas wie das Bestreben, eine Entschädigung für eine Berufsunfähigkeit nach einem traumatischen Zugunfall zu erhalten, scheide aus, so Tungel, weil sein Mandant vor und während des Verfahrens immer wieder deutlich gemacht habe, wie gerne er Zugführer sei. „Das ist nach vielen Tätigkeiten so etwas wie seine berufliche Erfüllung“, sagt der Verteidiger.

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Noch gibt es keinen Termin für die Neuaufnahme. Voraussichtlich erst in zwei Monaten werde es soweit sein, erläuterte eine Sprecherin des Landgerichtes. Verteidiger Dennis Tungel hat Verständnis dafür, immerhin seien zahlreiche Spurenauswertungen und Gutachten zu lesen. Der Rechtsanwalt wünscht sich aber neben diesen technischen Details auch eine genauere Berücksichtigung der Lebensumstände seines Mandanten. Der war in seinem, Leben häufig Opfer von Straftaten. Beim Raubmord seiner Mutter und Großmutter 2008 in Dortmund war er kurzzeitig sogar durch belastende Indizien zum Verdächtigen geworden.