Bad Berleburg/Köln. „Viele können sich das Leben in der Stadt gar nicht mehr leisten“, berichtet die Familie, die Köln mit Bad Berleburg getauscht hat.
Das Thema Work-Life-Balance spielt eine immer größere Rolle. Es ist eine Abwägung zwischen Lebensumfeld und Arbeitsumfeld. Für Menschen, die mit ihrer Arbeit nicht an einen festen Ort gebunden sind, wird das Leben auf dem Land wieder attraktiver.
„Es wird eine Stadtflucht geben“, ist sich Janina Wolf sicher. Und das hat nicht nur romantische Gründe: „Viele können sich das Leben in der Stadt gar nicht mehr leisten“, berichtet die Mutter zweier Kinder, die mit ihrem Mann Sebastian Wolf gerade den Sprung zurück nach Bad Berleburg gewagt hat. Der selbstständige Schreinermeister und die Gymnasiallehrerin haben die Rheinmetropole Köln mit der Kleinstadt ihrer Kindheit getauscht. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Viele unserer Freunde aus Köln beneiden uns inzwischen“, sagt Sebastian Wolf.
20 Jahre in Köln
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Er ist 2000 aus Bad Berleburg zum Zivildienst nach Köln gezogen und hat dort später seinen Schreinermeister gemacht. Janina Wolf zog es nach dem Abitur zunächst in den Senegal und dann zum Studieren nach Köln. Das war 2015. In Ehrenfeld hat sich das Paar eine gemeinsame Zukunft aufgebaut. Dann kommt vor drei Jahren Sohn Arthur auf die Welt und in der Wohnung wird es eng.
„In einer Mietwohnung ohne Garten zu wohnen, ist dann nicht mehr so cool“, berichtet Janina Wolf. Mit dem kleinen Arthur durch die Straßen mit ihren Abgasen zu laufen, fand die junge Mutter absolut nicht okay und genoss die Tage bei ihrem Vater und Schwiegereltern in Bad Berleburg.
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Das Ehepaar hatte außerdem schon immer den Traum vom eigenen Haus. Also beginnt die kleine Familie mit der Suche: „Wenn wir das nötige Kleingeld gehabt hätten, hätten wir uns ein Haus in Ehrenfeld gebaut“, sagt Janina Belz und liefert die Großstadt-Immobilienpreise hinterher: Freunde haben sich gerade eine Eigentumswohnung gekauft. 120 bis 130 Quadratmeter kosten 850.000 Euro. Und der Markt ist begrenzt: „Es gibt nichts. Und das, was es gibt, ist entweder nicht schön oder ein Kompromiss für 700.000 Euro“, sagt Janina Wolf.
Suchradius auf 40 Kilometer rund um Köln
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Das Paar erweitert den Suchradius auf 40 Kilometer rund um Köln und steht irgendwann vor diesen Fragen: „Was wollen wir in Gummersbach? Wollen wir hier wohnen, nur um uns vorzumachen, wir wohnen in Köln?“ Der endgültige Entscheidung bringt ein gemeinsamer Wohnmobilurlaub in Kanada mit seinen riesigen Entfernungen und der Natur. Auch da fahren die Menschen eine Stunde zum Einkaufen. Warum also nicht zurück nach Bad Berleburg gehen, ein Haus bauen oder kaufen? Die Lieblingsstadt Köln ist doch nur eineinhalb Stunden mit dem Auto entfernt.
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2018 fällt die Entscheidung für Bad Berleburg. Anders als viele andere haben die Wolfs aber auch einen entscheidenden Vorteil: „Ich bin Lehrerin und Basti ist Schreinermeister. Wir können unsere Jobs überall machen“, sagt die Beamtin. Sebastian Wolf hat sich in Bad Berleburg selbstständig gemacht. Er hat das Glück, die Werkstatt seines Vaters übernehmen zu können. Und Janina Wolf wird eine Stelle als Lehrern für Französisch und Englisch bekommen, wenn der Mutterschutz vorbei ist.
Neues Haus per Zufall gefunden
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Doch auch auf dem Land ist die Suche nach einem passenden Grundstück oder einem Haus zum Kauf nicht ganz so einfach. Auch hier passt einiges nicht, bis Sebastian Wolf vom Sohn eines Schulkameraden erfährt, dass dessen Elternhaus zum Verkauf steht. Im Februar 2020 halten sie den Schlüssel zu ihrem neuen Heim in den Händen. Kurz danach, sind die Wolfs auch schon zu viert: Töchterchen Karla komplettiert das Glück.
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Inzwischen leben die vier auf einer Baustelle. „Zum Glück bin ich selbstständig, und kann mir meine Zeit einteilen“, sagt Sebastian Wolf, der zwischen Büro, Werkstatt und der eigenen Baustelle pendelt. Das wird wohl noch bis zum Frühjahr 2021 so sein. „Wir leben in zwei Zimmern und kochen auf zwei Platten. Das ist ein bisschen wie Camping“, lacht Janina Wolf. Aber seit Corona wissen die jungen Eltern auch das zu schätzen: „Ich möchte jetzt nicht im Corona-Hotspot Köln sein. Wir haben da den Lockdown erlebt und man konnte nur draußen um die Häuser oder am Rheinufer laufen“, sagt die Mutter, die nun in wenigen Minuten zu Fuß in der Stadt oder im Wald ist.
Als sie Köln den Rücken kehrten gab es wehmütige Momente. „Natürlich hat Köln mehr Möglichkeiten. Aber die nutzt Du doch gar nicht alle. Mit Familie geht es vor allem darum, den Alltag zu gestalten, das kann ich überall tun“, sagt Janina Wolf und schätzt nun die Vorzüge des Landlebens wieder mehr. Und wenn ihr hier die Decke auf den Kopf fällt gehts im Wagen nach Köln. Auch die Freunde am Rhein stärken dem Paar den Rücken und schauen zugleich ein bisschen neidisch auf das Glück der Familien mit dem Haus in Wittgenstein.