Bad Berleburg. Im Interview spricht Jan-Willem van Kleef über seine Zeit in Bad Berleburg, die Schließung der Rehbar und seinen Plänen für die Zukunft.

Von weiten sind die Lichter der Girlande an der Rehbar zu sehen. Geöffnet – steht auf einem leuchtenden Schild an der Hausfassade. Während es draußen allmählich dunkler wird, brennt im Inneren der urigen Kneipe in der Bad Berleburger Innenstadt bereits das Holz im Ofen und taucht den Raum in ein gemütliches Licht. „Hallo! Magst du einen Kaffee haben?“, fragt Jan-Willem van Kleef mit einem Lächeln im Gesicht, als ich die Kneipe betrete. Wir sind verabredet, um über die vergangenen Jahre, die Schließung und seinen Plänen für die Zukunft zu sprechen. Denn: Am heutigen Samstag wird der 53-Jährige zum letzten Mal seine Gäste in der Rehbar bedienen. Er hat sich entschlossen den Pachtvertrag mit dem heutigen Tag auslaufen zu lassen.


Herr van Kleef, seit gut zwei Jahren sind sie bereits in Bad Berleburg und führen diese Kneipe mit Herzblut. Wann haben Sie den Entschluss gefasst, die Kneipe nun endgültig zu schließen?

Jan-Willem van Kleef:
Den konkreten Entschluss habe ich Ende vergangenen Monats gefasst. Letztes Jahr im Sommer haben wir noch überlegt, die Kneipe zu kaufen. Dann kam der erste Lockdown und wir mussten schauen, dass wir über die Runden kommen. Jetzt mit den ganzen Maßnahmen haben wir auch im Inneren des Lokals nicht viele Plätze. Früher kamen am Wochenende rund 80 Leute an einem Abend – jetzt sind es vielleicht 20. Damit kann man langfristig nicht überleben. Meine Partnerin und ich haben lange überlegt, wie es weitergehen soll. Und da der Pachtvertrag nun ausläuft, haben wir gesagt, dass wir damit die Kneipe schließen werden.


Wie haben Sie die ersten Wochen während des ersten Lockdowns erlebt?

In den Niederlanden wurde die Gastronomie bereits eher geschlossen, da haben wir uns bereits gedacht: Das kommt auch hier. Und so kam es auch. Am 15. März wurde uns gesagt, dass wir schließen müssen. Es war eine sehr schwere Zeit für uns. In den ersten zwei Monaten waren wir kaum hier. An sich ging es nur noch darum zu überleben. Nach acht bis neun Wochen dann haben wir die Soforthilfe erhalten. Das reichte, um die laufenden Kosten hier zu decken, aber es gibt ja nicht nur die Kneipe. Man muss ja auch noch die Miete für seine Wohnung zahlen können. Strom, Telefon – das alles läuft ja weiter. Am Ende musste ich dann meiner Partnerin kündigen. Sie wohnt mittlerweile wieder in den Niederlanden.

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Wie ging es dann im Sommer weiter?
Irgendwann durften wir wieder öffnen. Aber bei 30 Grad zieht es die meisten Menschen nach draußen. Was ich auch verstehen kann. Wir haben keine große Außenterrasse, wo wir hätten viele Gäste bewirten können.


Gäste, die Sie und die Rehbar bestimmt vermissen werden. Wie kamen Sie damals eigentlich nach Bad Berleburg?

Wir sind 2010 nach Deutschland gekommen und hatten in Medebach ein kleines Ess-Lokal. Jedoch lag dies sehr versteckt. Über die Krombacher Brauerei kamen wir dann schließlich nach Bad Berleburg. Als wir uns die Kneipe hier angeschaut haben, war noch alles dunkel und leer. Aber wir haben uns sofort in sie verliebt. Da war klar, dass wir hierhin kommen. Am 1. Dezember 2018 war es dann endlich soweit. Da haben wir die Rehbar wiedereröffnet. Der Start verlief echt super.

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War es schon immer Ihr Traum, eine eigene Kneipe zu führen?

Der Kneipenwunsch ist in den vergangenen Jahren über entstanden. Früher habe ich immer gesagt, dass ich auf der günstigen Seite der Theke stehen möchte. Heute weiß ich, dass der Gast auf der günstigen Seite steht und der Wirt auf der teuren.


Nun sind zwei Jahre seit der Eröffnung vergangen. Wie haben Sie die Zeit erlebt?

Es war eine tolle Zeit mit Höhen und Tiefen. Wie bereits gesagt, verlief der Start wirklich toll. Und auch im ersten Sommer hatten wir eine schöne Zeit. Gerade mit den Konzerten auf dem Marktplatz – da konnte man hier auf der Terrasse sitzen und die Musik bei einem kalten Getränk hören. Das waren tolle Abende. Im vergangenen Jahr haben wir dann auch ein kleines Fest gefeiert zum einjährigen Bestehen, wo eine holländische Schlagersängerin zu Gast war.


Was werden Sie am meisten von Wittgenstein vermissen?

Die Gäste. Ich fand das immer so toll, dass hier alle Generationen miteinander saßen – vom Jugendlichen bis zum Senioren. Natürlich gab es auch Gruppen, die ihre eigenen Zeiten hatten: Die jüngeren Gäste kamen oftmals erst gegen 22 Uhr, während die Kurgäste dann schon wieder gehen mussten.


Und wie geht es nun für Sie weiter?

Ich werde erst einmal zurück in die Niederlanden gehen und dort nach einer neuen Stelle schauen.


Welche Stelle würden Sie sich wünschen?

Mein Traum wäre es, als Life-Coach zu arbeiten – im mentalen und spirituellen Bereich. Ich möchte anderen Menschen helfen, die in der gleichen Situation sind, wie ich vor einem Jahr.

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Und dann: Könnten Sie sich vorstellen wieder nach Wittgenstein zurückzukommen?

Auf jeden Fall. Unter anderem auch für das Coaching. Ich hatte dafür ein sogenanntes VIP-Paket geplant für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Und das intensive Kennenlernen soll dann in Bad Berleburg stattfinden – wenn Corona dies zulässt.


Wie waren die Reaktionen ihrer Gäste. als Sie von der Schließung erführen?

Die endgültige Entscheidung habe ich vor einer Woche auf Facebook gepostet. Die waren schon traurig, gerade die Stammgäste. Aber für uns ist es der richtige Schritt. So komme ich zwar ohne Geld, aber auch ohne Schulden raus und das ist doch auch schon einmal etwas Positives.

Kommentar von Emma Rothenpieler

Eine traurige Nachricht, die Jan-Willem van Kleef vor wenigen Tagen auf Facebook und Instagram verkündet hat: Die Reh-Bar muss schließen. Damit geht für Bad Berleburg ein Stück bedeutender Kultur verloren. Die Reh-Bar war ein durchaus wichtiger und vor allem schöner Treffpunkt für Einheimische, Kurgäste und Urlauber. Ein Ort für gemütliche Abende mit Freunden, für Austausch — für Gemeinschaft. Hier traf Jung und Alt aufeinander, um schöne Abendstunden bei dem einen oder anderen Kaltgetränk zu verbringen, um zu quatschen oder einfach nur um Karten zu spielen.

Emma Rothenpieler
Emma Rothenpieler © Privat | Privat

Auch mich zog es immer wieder in die Kult-Kneipe. Erst vor kurzem war ich wieder dort gewesen und es war wie jedes Mal ein schönes Erlebnis mit Freunden, guten Gesprächen und Apfelwein. Man hat sich immer wohl und willkommen gefühlt in der Reh-Bar. Wer schon einmal dort war, weiß, dass die Räumlichkeit nicht die größte ist. Dafür ist sie aber umso gemütlicher — mit einem ganz besonderen Flair. Nicht zuletzt waren es die herzlichen und sympathischen Holländer gewesen, die die Kneipe ausmachten. Ihre gastfreundschaftliche Art, ihre Kreativität in Sachen Gewinnspiele, Aktionen und Angebote und dieses ganz besondere Ambiente — das sind eigentlich DIE Elemente, die eine Kneipe am laufen lassen.

Um so trauriger finde ich es, dass sich unsere Odebornstadt nun von Jan-Willem van Kleef verabschieden muss. Die Corona-Pandemie und der Fakt, dass die Reh-Bar ziemlich klein ist und während dieser besonderen Zeiten nur für wenige Gäste einen Platz bieten konnte, sind dem Inhaber zum Verhängnis geworden. So geht es momentan leider vielen Wirten und Wirtinnen, das weiß ich — und das ist traurig. Existenzen sind bedroht, wertvolles Kulturgut geht verloren. Viele Fragen gehen mir durch den Kopf: Hätte ich die Reh-Bar öfter besuchen sollen? Wie tragisch muss eine solche Situation für Kneipenbesitzer sein, die so viel Herzblut, Hoffnung und Arbeit in ihr Geschäft stecken? Fragen, die ich mir selbst nicht alle beantworten kann.

Eines steht jedoch fest: Um das Kneipensterben zu verhindern, müssen wir alle an einem Strang ziehen und aktiv werden. Als Gemeinschaft. Zwar müssen am Montag bekanntlich alle Bars und Kneipen wieder vorerst für einen Monat schließen — doch wenn der Tag kommt, an dem es uns wieder möglich ist, sollten wir sie besuchen und unterstützen. Denn wenn die nächsten Wirte ihre Türen schließen müssen, dann trifft uns das sehr — aber dann ist es zu spät.