Wittgenstein. Ortsvorsteher berichten in einer Umfrage unserer Redaktion über deutliche Einschränkungen auch vor ihrer Haustür. Und sie zeigen sich besorgt.

„Das Vereinsleben ist tot. Wir können nichts, wir dürfen nichts und wir wollen auch nicht.“ So beschreibt Elvira Haßler, Ortsvorsteherin in Banfe, die Situation im Dorf. Die Corona-Pandemie bereitet ihr hörbar Sorgen. „Wir haben in Banfe jetzt auch zwei Fälle. Es kommt immer näher.“ Über deutliche Einschränkungen berichten in der kleinen Umfrage unserer Redaktion auch andere Ortsvorsteher in Wittgenstein.

Banfe


„Ich fürchte, dass die Vereine jetzt auf der Strecke bleiben“, sagt Elvira Haßler mit Blick auf die neuen Corona-Vorgaben, die ab dem heutigen Montag zunächst einmal für die nächsten vier Wochen gelten. Das Ehrenamt funktioniere gar nicht, etwa im Frauenchor 1970 Banfe, dessen Vorsitzende Haßler ist. Viele ältere Sängerinnen blieben den Chorproben fern. Sie hätten „einfach Angst“, sich zu infizieren, seien zum Teil auch vorerkrankt. Mittlerweile seien die Proben vorerst eingestellt, übrigens auch beim Chor „Canticum Novum Wittgenstein“, dem viele Sängerinnen aus Banfe angehören. Was Haßler fürchtet: dass die beiden Chöre ihre ältere Generation verlieren. Und dass ein Neustart schwierig wird.

Treffen werden die neuen Regeln wohl auch die letzte kleine Kneipe in Banfe, das „Ventilchen“. Auch sie werde wohl ab Montag für die nächsten Wochen geschlossen bleiben müssen, schätzt Haßler. Und hat generell kein Verständnis dafür, würden etwa passionierte Kneipengänger nun ihre Treffen kurzerhand auf privates Gelände verlegen, Stichwort Abstandsregeln. „Wenn ich mit meiner Nachbarin über den Gartenzaun spreche, sind wir fünf Meter voneinander entfernt.“ Da könne an sich nichts passieren.

Benfe

„Bei uns gibt‘s ja keine Gastronomie mehr im Ort“, sagt Matthias Althaus, Ortsvorsteher in Benfe. Das hätten irgendwann einmal der Schützenverein 1929 Benfe und der FC Benfe übernommen. Doch das Vereinsleben sei mittlerweile „komplett zusammengebrochen“, bedauert Althaus. Schieß- und Trainingsbetrieb seien „total eingestellt“. Ebenso das Veranstaltungsangebot. Anfang September hätten in Benfe die traditionelle Meilerwoche stattfinden sollen – abgesagt. Ebenso die alljährliche Tierschau der Oberndorfer Rassegeflügelzüchter in der Schützenhalle. Und der Volkstrauertag am 15. November? Es werde nun einen „ganz stark eingeschränkten“ Gottesdienst nur mit den Vereinsvorsitzenden geben, anschließend werde er den Kranz niederlegen, so Althaus. Das war‘s.

„Man igelt sich hier ein“, berichtet der Ortsvorsteher, dessen Arbeitgeber aus der Elektro-Branche gerade wegen Corona Kurzarbeit fährt. Schon beim letzten Lockdown im März habe es im Dorf einen Einkaufsservice für alleinstehende Ältere gegeben – „doch das ist nicht zum Tragen gekommen. Die Unterstützung funktioniert noch innerhalb der Familie“, sagt Althaus. Zum Glück.

Der Kontakt zur Gemeinde Erndtebrück in der Pandemie, zu Bürgermeister Henning Gronau sei im Übrigen „bestens“, betont Althaus – „das fühle ich mich gut aufgehoben“. Aber bislang habe Benfe ja auch noch keinen akuten Corona-Fall im Ort gehabt, bei dem es dann noch einmal um besondere Verhaltensregeln gehe.

Dotzlar

„Im Moment läuft ja gar nichts“, sagt Dirk Jung, Ortsvorsteher in Dotzlar. Für unser Gespräch meldet er sich aus dem Homeoffice. Den geplanten Laternen-Umzug für die Kinder am 13. November zum Beispiel hätten der Verein für Kultur-und Heimatpflege sowie das Tambourkorps „Wittgenstein“ Dotzlar bereits schweren Herzens abgesagt.


Eine „einschneidende Maßnahme“ sei indes die Schließung der Kulturhalle im Ort. Der Schul- und Vereinssport sei raus, und auch die üblichen zehn bis zwölf türkischen Hochzeiten pro Jahr fänden 2020 nicht statt. Das seien zwar Dinge, „die uns finanziell wehtun“, so Jung – „aber es gibt Schlimmeres“.

Sorgen macht sich der Ortsvorsteher um die vielen älteren Leute in Dotzlar, die „total allein“ seien, denen die sozialen Kontakte verloren gingen – etwa bei den Senioren-Feiern oder -Ausflügen, die nun flachfielen. Vielleicht müsse man da gerade in der Weihnachtszeit noch etwas machen, überlegt Jung. Sein dringender Appell an die Dotzlarer: Bitte jetzt nicht privat feiern, sich vielmehr in Geduld üben. Zumindest in den nächsten vier Wochen. Was Jung allerdings fürchtet: dass diese vier Wochen nicht reichen werden, um das Infektionsgeschehen richtig einzubremsen.

Über den Austausch der Ortsvorsteher mit der Bad Berleburger Stadtverwaltung kann sich Dirk Jung nicht beklagen. In der vorigen Woche erst habe es wieder eine Video-Konferenz der Beteiligten gegeben. Ausdrücklich lobt Jung Bürgermeister Bernd Fuhrmann, der sich etwa über die sozialen Medien viel Mühe gebe, die neuesten Informationen rund um Corona an die Bevölkerung zu kommunizieren.

Birkefehl


„Das Vereinsleben ist natürlich komplett zum Erliegen gekommen“, bedauert Birkefehls Ortsvorsteher Steffen Haschke angesichts der Pandemie-Entwicklung. „Das ist eins der gravierendsten Merkmale.“ Gerade habe der MGV Sangeslust Birkefehl sein Adventskonzert in der evangelischen Kirche Erndtebrück abgesagt. Vorsorglich, so Haschke, obwohl man ja noch gar nicht wisse, wie die Corona-Verordnungslage im Dezember aussehe. Beim Schießverein Tell 1964 Birkefehl habe es am Freitag noch ein Training gegeben, „im geselligen Bereich“ aber werde jetzt nichts mehr stattfinden.


„Keiner weiß mehr so richtig, wie er sich verhalten soll“, hat Haschke in der Pandemie mit ihren ständig neuen Vorgaben festgestellt. „Wenn sich vier Freunde mit Kindern zu einem Treffen verabreden wollten, dürfen sie es noch?“ Da gebe es schon eine gewisse Verunsicherung. Froh ist der Ortsvorsteher, wenn nun wenigstens der Betrieb in Schulen und Kitas aufrechterhalten werde. Wer weiß, wie lange noch.

Den Kontakt zur Gemeindeverwaltung hält Steffen Haschke als Ortsvorsteher und als CDU-Ratsmitglied – aber auch als Vorsitzender des MGV, der gemeinsam mit dem Ordnungsamt Hygienekonzepte für Veranstaltungen aufstellen muss. „Und das hat mir auch in anderen Bereichen geholfen.“