Erndtebrück. Peter Hahn war der erste Nationale Sector Controller – Klaus Goldammer war Oberstleutnant der NVA. So haben sie den 3. Oktober erlebt. Mit Video

Bei der Integration des ostdeutschen Luftraumes in den bundesdeutschen Luftraum benötigte die Luftwaffe die Unterstützung der NVA – Dr. Klaus Goldammer, ehemaliger Oberstleutnant der NVA war damals einer derjenigen, die den Auftrag erhalten hatten, bei Problemen bei der Umstellung und Darstellung des Luftlagebildes der DDR zu helfen.

„So erhielt ich den Auftrag, am 1. Oktober 1990 mit vier Kameraden und zwei Pkw voller Technik nach Erndtebrück zu fahren und die Einrichtung durchzuführen. Nach einem Zwischenstopp in der Luftwaffenkaserne Goslar kamen wir ziemlich kaputt in Erndtebrück an und wurden, für uns überraschend, gut empfangen und erst einmal untergebracht“, berichtet Goldammer in der Chronik des Einsatzführungsbereiches 2.

Strom nicht kompatibel

Ein Staat, ein Himmel

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    „Am Morgen des 2. Oktober haben wir dann die Geräte aufgebaut und in Probebetrieb genommen. Die mitgebrachte Testtechnik bestätigte die volle Funktionstüchtigkeit. Nun begann das Warten auf die bestellten Fernmeldekanäle“, berichtet Goldammer. „Zuerst kam der Standarddatenkanal zustande, so dass eine Darstellung der Statusinformationen gewährleistet war. Mit dem erforderlichen Einfachstrom-Fernmeldekabel gab es Probleme. Die Fernmelder der Bundeswehr waren nicht in der Lage, den erforderlichen Einfachstrom-Modus bereitzustellen, weil dieser in der Bundeswehr nicht genutzt wurde und demzufolge in Erndtebrück entsprechende Technik nicht vorhanden war“, berichtet Goldammer von den zwischenzeitlichen Problemen.

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    „Nach längerem Warten folgten wir erstmal der Einladung zur Wiedervereinigungsfeier der Gemeinde Erndtebrück, allerdings immer unruhiger, da ja unser Auftrag, das Luftlagebild bis 24 Uhr bereitzustellen, noch nicht erfüllt war. Nach 21 Uhr ließ ich mich dann in die Kaserne fahren und wir überlegten, was zu tun sei. Nachdem ich überprüft hatte, welche und wie viele Ersatzleiterplatten des Signalempfängers vorhanden waren, habe ich mich entschlossen, auf Verdacht die Schaltung zu ändern und durch Einlöten einer Diode in den Empfangsrechner aus dem Doppelstrom- ein Einfachstromsignal zu erstellen. Der Versuch gelang und wir hatten ein Luftbild aus Fürstenwalde.“

    Peter Hahn war der erste Nationale Sector Controller

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    „Wer übernimmt um Mitternacht die erste Schicht?“ An diese Frage erinnert sich Peter Hahn noch heute. Es ist der 2. Oktober 1990. Vor ein paar Stunden kam er im Bunker Erich in Erndtebrück an. Der Grund: Er und rund 90 andere Soldaten sollten eine Einführung in die neuen Techniken der Luftüberwachungsanlagen bekommen. Denn: Ab dem 3. Oktober 1990 sollten von dort aus die neuen Bundesländer per Radaranlagen kontrolliert werden. „Wir waren alle völlig überrascht. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass wir direkt um Mitternacht schon eine Schicht übernehmen“, so der 69-Jährige heute. „Ich war der Einzige, der alles dabei hatte und so meldete ich mich freiwillig.“

    So spontan, wie er sich an diesem Tag meldete, fiel auch die Entscheidung für Erndtebrück. „Ich war gerade dabei, neue Kleidung zu kaufen und wollte eigentlich nur noch bezahlen“, so Hahn. Dann aber klingelte das Telefon. „Ist hier ein Major Hahn?“, wurde gefragt und ja, Peter Hahn war anwesend. „Ich musste mich noch direkt am Telefon entscheiden, ob ich nach Erndtebrück gehe oder nicht“, erinnert er sich. Das war am Samstag, 29. September 1990.

    Zurück in alten Zeiten

    Jetzt war er erneut im Bunker – 30 Jahre nach seinem Dienst und 30 Jahre nach der Übernahme der Lufthoheit der neuen Bundesländer. „Mir schossen sofort 1000 Erinnerungen durch den Kopf, als ich dort ankam“, sagt der 69-Jährige. „Viele der Gerätschaften stehen ja noch dort.“ Gerätschaften, mit denen Hahn lange Zeit gearbeitet hat.

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    Dabei verlief der Abend stressiger als erwartet. „Noch eine Stunde bevor es überhaupt losging, waren die Techniker vor Ort am arbeiten.“ Der Grund: Die neuen Bundesländer arbeiteten noch mit Einfachstrom. In Erndtebrück jedoch wurde bereits mit Doppelstrom gearbeitet. Der Techniker setzte alle Hebel in Bewegung, noch rechtzeitig an den Einfachstrom zu kommen. Um Mitternacht dann wurde verkündet, dass im Bunker die Arbeiten übernommen werden. Und wie verlief die erste Schicht? „Der erste Abend war voll mit Telefonaten. Wir hatten Mühe die ganzen Dienststellen zu erreichen. Einige der Dienststellen waren so geheim, dass nicht mal die Ehefrauen wussten, wo ihre Männer arbeiten“, sagt Hahn und lacht. „Wir sind an dem Abend durch den ganzen Bunker gelaufen und haben Büromaterialien gesucht, wir hatten ja zu diesem Zeitpunkt noch keine Unterlagen.“

    Er erinnert sich gerne an die Zeit in Erndtebrück zurück. „Mir wurde später erst bewusst, dass dies etwas Einmaliges in der Geschichte Deutschlands ist. Ich war der erste Nationale SOC-Kontroller in Deutschland. Da ist man natürlich auch stolz drauf.“