Müsse. Eberhard Friedrich war 36 Jahre in der Politik aktiv. Ein Gespräch zwischen zwei Generationen über Wahlen, Freundschaften und Siege.
Strahlender Sonnenschein. 16 Grad. Auf den Straßen in Müsse ist kaum etwas los, als ich in den Steinsbachweg abbiege. Eberhard Friedrich wartet bereits auf mich. Er sitzt in seinem Arbeitszimmer, die Hände ineinander gelegt. Auf einem Beistelltisch steht ein Bild seiner Enkel – auch ich könnte vom Alter her seine Enkelin sein.
Als er mit 41 Jahren in die Politik ging, war ich noch nicht auf der Welt. Dennoch interessiert es mich, was der Vorsitzende der Bad Berleburger CDU-Fraktion, der im übrigen nicht mehr für die Partei antritt, in den vergangenen 36 Jahren erlebt hat – welche positiven, aber auch negativen Erlebnisse ihm in Erinnerung geblieben sind, während meine ersten politischen Erinnerungen aus dem Schulunterricht resultierten.
Herr Friedrich, vor 36 Jahren haben Sie sich dazu entschlossen, politisch aktiv zu werden. Warum?
Eberhard Friedrich: Es gab immer schon gewisse Dinge, die mir nicht zusagten. Irgendwann dachte ich mir, wenn ich wirklich etwas ändern möchte, muss ich selbst aktiv werden. So kam es, dass ich 1984 in die Politik eintrat und bereits im gleichen Jahr meinen Wahlbezirk hier in Müsse für mich gewinnen konnte. Damals aber lief der Wahlkampf anders ab, als es heute der Fall ist.
Inwiefern anders?
Heute hat man ganz andere Medien zur Verfügung. Früher ging es eher um das Persönliche. Da spielte das Parteiische eine eher nebengeordnete Rolle. Heute merkt man bereits in Berleburg, dass eine gewisse Anonymität herrscht.
Dennoch aber war für Sie von Beginn an klar, dass Sie zur CDU gehen?
Ja. Man muss aber auch sagen, dass hier in der Kommunalpolitik die Ideologie eher nachrangig ist. An erster Stelle geht es hier bei uns um die Interessen der Menschen vor Ort und um unsere Stadt. Natürlich gab es schon immer einzelne Personen, für die das Ideologische wichtiger war und die wird es auch immer geben. Aber im Allgemeinen geht es erst einmal um die Menschen hier. Und da muss ich sagen, dass die Zusammenarbeit hier im Bad Berleburger Rat im Gegensatz zu anderen Kommunen super funktioniert.
Stichwort „Berleburger Weg“?
2008 haben wir die Vereinbarung gemeinsam mit der SPD getroffen. Das fand natürlich nicht überall Zustimmung – selbst in unserer Fraktion war sie mit einigen Kämpfen verbunden. Der Erfolg aber hat uns am Ende Recht gegeben. Er hat eine Konstanz bewiesen. Denn am Ende geht es nicht darum, sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen, sondern darum, für die Bürgerinnen und Bürger das Beste herauszuholen und das schafft man nicht, in dem man eine Stimme mehr hat, sondern durch eine große Mehrheit. Man sollte sich nicht von Randgruppen abhängig machen. Wenn man sich wirklich einbringen möchte, sollte man dies in den Fachausschüssen tun, denn dafür sind sie da. Aber das ist ja häufig gar nicht gewollt, stattdessen wird in den Stadtverordneten-Versammlungen ein Fass aufgemacht, was die Sitzungszeit nur unnötig verlängert.
Wie ging es nach 2008 dann weiter?
Im Jahr 2011 hatten wir einen Einschnitt, der für uns alle nicht leicht war. Mit Hilfe von externen Beratern haben wir einen Kassensturz durchgeführt, der 2012 nicht nur personell einen drastischen Einschnitt bedeutete, sondern auch finanziell. Es war abzusehen, dass sonst in ein bis zwei Jahren der Ofen aus sein wird. Daher haben wir gemeinsam die einzelnen Haushaltspositionen bis 2018 durchgearbeitet. Das hat uns sehr viele Sorgen bereitet und wir haben den Bürgern damals einiges zugemutet. Der inzwischen sichtbare Erfolg hat aber den eingeschlagenen Weg bestätigt.
Wenn Sie an die vergangenen Jahre zurück denken: Gibt es dort Etwas, wo Sie sagen, das hätte man eventuell besser machen können?
Da gibt es einiges. Was mich persönlich berührt und was ich auch bedauere ist das 1A-Areal. Dort hätten wir vielleicht einen anderen Weg gehen können, aber wir haben uns vom Investor damals blockieren lassen. Des Weiteren ist die Entwicklung des Zweckverbandes zu nennen. Denn wir haben das Einsparpotenzial im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit nicht genutzt, was nicht an der Verwaltung hier in Bad Berleburg lag. Denn die hat vieles in die Richtung angestoßen. Dabei sprechen wir hier von einem Einsparpotenzial von rund 800.000 Euro jährlich für die drei Kommunen. Geld, das man hätte gut nutzen können. Sonst aber muss man sagen, haben wir auch einiges erreicht. In den vergangenen Jahren wurde hier in Bad Berleburg so viel investiert, wie noch nie zuvor.
Gibt es auch ein persönliches Highlight aus den 36 Jahren?
Mein Highlight ist ganz klar der Haushalt. Von Anfang an lag dort meine Priorität, um die kommunale Selbstverwaltung aufrecht zu erhalten. Der Haushaltsplan ist kein einfaches Instrument. Aber ich muss auch sagen, dass die Stadt einen effiziente leistungsfähige Verwaltung und einen sehr guten Kämmerer hat. Von einem Kämmerer erwarte ich, dass er zum einen kritisch die Ausgaben betrachtet, aber gleichzeitig auch fair und menschlich agiert.
Nun stehen die nächsten Kommunalwahlen an, bei denen auch der amtierende Bürgermeister Bernd Fuhrmann antritt. Sie waren es damals, der den gebürtigen Hilchenbacher für das Amt des Bürgermeisters vorschlug. Wie kam es dazu?
Wir hatten damals den Mut gehabt einen parteilosen Kandidaten zu nominieren, weil wir auch einen Umbruch haben wollten. Ich kannte Bernd Fuhrmann durch seine Jugendarbeit bereits. Wir hatten damals viele Gespräche, doch mir waren zwei Kriterien besonders wichtig. Zum Einen wollte ich gerne eine jüngere Person für das Amt, um eine Nachhaltigkeit zu schaffen. Jemand, der über mehrere Perioden hinweg das Amt besetzen kann. Gleichzeitig aber sollte derjenige nicht allzu fremd sein. Es sollte niemand sein, der sein Leben lang nur in Großstädten gelebt hat, sondern jemand, der sich auch mit der ländlichen Region identifizieren kann.
Thema jüngere Person: Wie sehen Sie die Wahlbeteiligung bei den jüngeren Menschen, wie zum Beispiel mich und unser Interesse an der Politik?
Bei vielen jüngeren Menschen ist das oftmals so: entweder geht es ins Extreme, oder das Interesse besteht gar nicht. Ich bedauere es sehr, dass so wenig junge Menschen sich aktiv in der Politik engagieren möchten. Veränderung ja – aber sich selbst beteiligen? Das möchten viele dann auch nicht. Wir von der CDU haben des öfteren gezielt junge Menschen angesprochen. Aber in der Politik bedeutet das auch, dass das Engagement dann über mehrere Jahre geht.
Mehrere Jahre waren auch Sie nun im Amt. Fällt Ihnen der Ausstieg aus der Politik nun schwer?
Natürlich wird mir etwas fehlen. Ich war immerhin mit Herzblut bei der Sache. Ich fühle mich noch absolut top, aber es ist an der Zeit, aufzuhören und der jüngeren Generation Platz zu machen. Es ist ja nicht so, dass ich meinen Platz ungeordnet hinterlasse. Wir arbeiten schon lange zusammen, so dass eine Nachfolge sicher ist. Viele haben auch schon gesagt, ich könne ja dennoch als sachkundiger Bürger weiter machen. Doch für mich gibt es keine halben Sachen. Zudem möchte ich anderen die Chance geben, selbst Fehler machen zu dürfen, um daraus zu lernen und nicht als Lehrmeister dahinter stehen.
Was wünschen Sie sich für die politische Zukunft der Stadt Bad Berleburg?
Dass sie auch weiterhin als Stadt der Dörfer attraktive Lebensmöglichkeiten bietet. Das bedeutet auch in Zeiten von Homeoffice, eine gute Breitbandversorgung und eine gute Verkehrsanbindung zu schaffen. Denn der Trend zeigt derzeit deutlich, dass viele zurück auf’s Land möchten. Gerade während Corona zeigten sich die Vorzüge der ländlichen Region.