Ich würde mich freuen, am Montag von einer Wahlbeteiligung jenseits von 60 Prozent zu schreiben. Aber das ist nicht so wahrscheinlich.
Es ist jetzt 30 Jahre her, dass ich mein erstes Kreuz in einer Wahlkabine gemacht habe. Das war am 13. Mai 1990 bei der Landtagswahl NRW. Seit dieser Zeit habe ich nicht eine einzige Wahl verpasst – nicht im politischen Kontext, aber auch keine Wahlen an der Universität oder später die Betriebsratswahlen bei meinem Arbeitgeber. Aber selbstverständlich ist das offensichtlich längst nicht mehr, dass wir von unserem Wahlrecht gebrauch machen.
Das ist umso interessanter, weil sich sehr viel verändert hat, das eigentlich zum genauen Gegenteil hätte führen müssen. Nehmen wir doch einmal das Beispiel Briefwahl. Keiner muss mehr am Wahltag zwischen 8 und 18 Uhr in seinem Wahllokal erscheinen. Inzwischen kann jeder auch auf dem Sofa zu Hause sein Kreuzchen machen, zum Beispiel weil er am Wahltermin im Urlaub ist, oder aber nicht mehr so mobil ist. Das ist ein echter Fortschritt.
Ob es ein Fortschritt ist, dass wir inzwischen tatsächlich mehr oder weniger die Qual der Wahl haben, sei einmal dahingestellt. Durch den Wegfall der 5-Prozenthürde bei den Kommunalen Parlamenten können sich immer mehr kleine Parteien berechtigte Hoffnungen machen, in die Räte einzuziehen. Kein Wunder also, dass allein in Bad Berleburg inzwischen sieben unterschiedliche Gruppierungen um Stimmenanteile wetteifern. Das macht es spannend für die Wähler und noch spannender für die Parteien und Bürgermeister, die später Bündnisse aus verschiedensten Farben schmieden müssen, oder mit wechselnden Mehrheiten umgehen lernen.
Dann wurde das Alter für das aktive Wahlrecht auf 16 herabgesetzt. Während ich dies vor Jahren noch für falsch hielt, muss ich heute sagen, dass sich viele junge Menschen – nicht erst seit der Fridays-for-Future-Bewegung politisch interessieren und klare Ziele für die Zukunft haben. Es ist also vollkommen richtig, sie an Wahlentscheidungen zu beteiligen und sie auf diese Weise Verantwortung tragen zu lassen. Während diese Regelung in NRW nur auf die Kommunalwahlen bezogen ist, haben Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein dies auch schon bei den Landtagswahlen eingeführt.
All diese im Grunde positiven Bedingungen haben aber dennoch nicht dazu geführt, dass sich Wahlbeteiligungen signifikant jenseits von 70 oder gar 80 Prozent einpendeln. Im Gegenteil! Bei den der Kommunalwahlen in NRW in 2009 lag die Beteiligung bei 52 Prozent und 2015 waren es nur 50 Prozent. Das macht mir Sorgen.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle dafür werben, dass am morgigen Sonntag möglichst viele Menschen in die Wahllokale gehen, um dort ihre Stimme abzugeben, für Landrat und Kreistag, für Bürgermeister und Gemeinderäte. Gerade hier – im Lokalen – ist es möglich, die Politik durch die eigene Stimme zu beeinflussen und im Gegenzug auch hautnah zu spüren, wie sich Wahlergebnisse auswirken können. Dabei geht es um Neubaugebiete, kommunale Straßen, Schulpolitik, Sportstätten, das Vereinsleben und nicht zuletzt auch die lokale Wirtschaft. Ich würde mich freuen, am Montag von einer Wahlbeteiligung jenseits von 60 Prozent zu schreiben.