Bad Laasphe/Betzdorf. Drogen, Alkohol und Eifersucht: Eine 22-Jährige hat nach einem Streit ihren Verlobten mit dem Messer verletzt. Nun stand sie vor Gericht.
Alkohol. Drogen. Liebe. Obdachlosigkeit. Verzweiflung. Letztlich ist es diese Kombination, die eine 22-jährige Bad Laaspherin vor Gericht zwingt, denn: Sie soll ihrem Verlobten im September 2018 auf einem Betzdorfer Parkplatz ein Taschenmesser in den Rücken gerammt haben. Straftatbestand: gefährliche Körperverletzung. Nach umfassender Beweisaufnahme im Amtsgericht Bad Berleburg am Freitagmittag entpuppte sich diese schließlich zu einer fahrlässigen Körperverletzung, die im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit verursacht worden war. Die junge Angeklagte wurde, weil sie zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt war und, weil Reifeverzögerungen nicht ausgeschlossen werden konnten, nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. Richter Torsten Hoffmann sprach eine Verwarnung mit den Auflagen einer einjährigen Betreuungsweisung und 40 Sozialstunden aus.
Eifersucht führt zum Streit
Der Vorwurf seitens der Staatsanwaltschaft Siegen wiegt schwer. Sichtlich beschämt, verzweifelt und zurückhaltend äußerte sich die Angeklagte dazu: „Ich kann mich daran nicht mehr erinnern. Wir haben uns nie so wirklich geprügelt. Deswegen verstehe ich nicht, wieso ich das gemacht habe.“ Zum Tatzeitpunkt seien sie und ihr Verlobter obdachlos gewesen, zudem drogen- und alkoholabhängig. „Wir haben viel Amphetamine konsumiert. Haufenweise“, erinnert sich die 22-Jährige. Am besagten Tattag sei sie außerdem bereits seit mehreren Tagen wach gewesen.
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Ihr 22-jähriger Verlobter und gleichzeitig Geschädigter im Verfahren wurde zur Verhandlung aus der Haft vorgeführt, in der er sich seit fast einem Jahr befindet. Er erinnert sich noch genau an jenen unglücklichen Tag im September 2018: „Wir haben schon vormittags angefangen, übermäßig viel Alkohol zu konsumieren. Ihr Zustand war gravierender als sonst. Sie war sehr betrunken. Ich weiß nicht, was an dem Tag los war“, so der 22-Jährige über den damaligen Zustand der Angeklagten.
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Auch wie es zu dem Messerstich gekommen war, weiß er noch genau: „Ich habe mit dem Messer zwischen meinen Fingern hin und her gestochen. Daraufhin hat sie mir das Messer abgenommen.“ Wenig später sei es dann zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen den beiden gekommen. Der Grund? Eifersucht. Der 22-Jährige habe daraufhin die Beziehung beendet und sich von seiner Verlobten entfernt. Diese sei ihm weinend nachgelaufen — das Messer habe sie noch immer in der Hand gehalten. „Sie wollte mich von hinten festhalten, daraufhin ist das Messer versehentlich in meinem Rücken gelandet. Ich habe den Stich erst gar nicht bemerkt. Erst, als mir das Blut in die Hose lief“, so der 22-Jährige. Von einer bösen Absicht seiner Verlobten gehe er nicht aus, viel mehr von einem unglücklichen Versehen. Mit vier Stichen musste die Verletzung im Krankenhaus genäht werden.
Schwierige Lebensverhältnisse
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Die Wunde sei rund zwei Zentimeter tief gewesen — also an und für sich recht ungefährlich — wäre die Wirbelsäule nicht in unmittelbarer Nähe gewesen. Dass der junge Mann Glück im Unglück hatten, weiß auch Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel: „Er hätte im Rollstuhl landen können.“ Sie ist sich sicher, dass es sich um eine fahrlässige Körperverletzung handelt. „Ein absichtlicher Stich hätte anders ausgesehen.“
Nach mehr als vier Jahren Drogen- und Alkoholkonsum sei die Angeklagte nun seit Mai 2019 clean. Patrick Wüst von der Jugendgerichtshilfe kennt die Vergangenheit der Bad Laaspherin und weiß, dass die alles andere als einfach gewesen ist. Mobbing, schwierige Familienverhältnisse, häufige Schulwechsel, eine Schwangerschaft im Jugendalter, die Drogen- und Alkoholproblematik und nicht zuletzt eine Sozialphobie, deren ärztliche Bestätigung jedoch noch aussteht, aber schon im Kindesalter vermutet worden war. Eine Berufsausbildung hat sie nicht. Reifeverzögerungen seien bei der 22-Jährigen laut Wüst sehr wahrscheinlich. Heute sei das größte Problem der jungen Frau ihre Sozialphobie, die dringend behandelt werden müsse. Eine stationäre Therapie lehnt sie ab.