Bad Berleburg. Wegen einer guten Sozialprognose entkommt ein 28-Jähriger Bad Berleburger trotz langer Anklageschrift der Haft.
Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte in besonders schwerem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und versuchte Sachbeschädigung — alle Taten im Zustand verminderter Schuldfähigkeit: Wegen dieser Vergehen musste sich ein 28-jähriger ehemaliger Bad Berleburger vor dem Amtsgericht Bad Berleburg verantworten.
Richter Torsten Hoffmann verurteilte ihn schließlich zu 180 Sozialstunden und einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung — die positive Entwicklung des Angeklagten rettete ihn vor der Haft.
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Der 28-Jährige bestätigte die Anschuldigungen, die die Staatsanwaltschaft Siegen gegen ihn erhoben hatte: „Ich gebe das alles zu. Ich stand unter Alkohol.“ Es war also alles so gewesen, wie Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel es aus der Anklageschrift verlesen hatte: Der Angeklagte wirft im Mai vergangenen Jahres eine Bierflasche gegen einen Geflügel-Verkaufswagen, der auf einem Bad Berleburger Supermarkt steht.
Bier über Streifenwagen geschüttet
Eine Zeugin ruft die Polizei, die den Angeklagten später im nahe gelegenen Stadtpark auffinden kann. Dort verhält sich der 28-Jährige äußerst aggressiv, schüttet unter anderem Bier über den Streifenwagen, sperrt sich gegen polizeiliche Maßnahmen und schlägt mit einer Bierdose in Richtung eines Polizisten.
Das Vorstrafenregister des Angeklagten
Im Jahre 2011 macht sich der 28-jährige das erste Mal wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes schuldig.
Auch in folgenden Jahren sitzt er immer wieder vor Gericht, unteranderem wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamten.
Während seiner Taten im Mai 2019 stand er unter Bewährung.
Dieser kann dem Schlag ausweichen und den Angeklagten zu Boden bringen. Einige Tage später sprüht der Angeklagte Graffiti an die Wand eines Bad Berleburger Supermarktes. Der Sachschaden: rund 5000 Euro.
„Haben Sie ein Problem mit Hähnchen?“, fragte Richter Hoffmann den Angeklagten und verwies auf den Flaschenwurf gegen den Geflügelwagen. Weil kein Sachschaden entstanden war, stellte das Gericht dieses Verfahren ein. „Nein, ich habe ein Problem mit Alkohol“, äußerte sich der 28-Jährige schließlich. Schon seit einigen Jahren kämpfe er mit seiner Sucht nach Alkohol, THC und Amphetaminen. Außerdem sei er an einer paranoiden Schizophrenie und ADHS erkrankt.
Täglich Stimmen gehört
„Ich habe damals täglich Stimmen gehört und Halluzinationen gehabt“, so der Angeklagte, der seine Krankheiten bis vor einigen Monaten unbehandelt ließ. Das hat sich mittlerweile geändert: Im November
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2019 hatte er sich in eine Entgiftung begeben, direkt im Anschluss in eine Langzeittherapie. Heute befindet sich der junge Mann in Adaption in Berlin — und dort möchte er im Anschluss auch bleiben.
Bewährungshelfer Reinhold Vater sieht in dem Angeklagten Potenzial, die Sozialprognose sei durchweg positiv: „Ich bin erstaunt, wie konsequent er seinen Weg geht. Das habe ich selten erlebt.“ Auch Christof Afflerbach, gesetzlicher Betreuer des Angeklagten, beschreibt den 28-jährigen Wahlberliner als sehr selbstständig und motiviert: „Der Angeklagte ist auf einem sehr guten Weg. Ich sehe das alles sehr positiv.“
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Dass der mehrfach vorbestrafte Angeklagte jemals eine solche Kehrtwende in seinem Leben machen würde — damit hätte auch Anklägerin Judith Hippenstiel nicht gerechnet: „Man kann den Hut davor ziehen, was der Angeklagte geschafft hat. Da hätte ich nicht mal meinen kleinen Finger für ins Feuer gehalten.“