Siegen/Bad Laasphe. Der Schauspieler (64) soll seine Nichten sexuell missbraucht haben. Er wehrt sich: Er solle wegen eines Erbstreits aus dem Weg geräumt werden.

Hat ein gebürtiger Wittgensteiner über Jahre zwei seiner seinerzeit minderjährigen Nichten missbraucht? Oder ist der bislang nicht vorbestrafte Mann, wie er selbst in seiner Einlassung vorträgt, unschuldiges Opfer eines bösen Erbstreits und einer damit verbundenen Intrige? Diese Frage sollte eigentlich bis heute vor dem Siegener Landgericht verhandelt und beurteilt werden.

Am Donnerstag wird aber klar, dass drei geplante Verhandlungstage nicht ausreichen. Das Verfahren wird ausgesetzt und soll nun im Juli neu aufgenommen werden. Außerhalb der Hauptverhandlung war mittlerweile der vor einer Woche gestellte Befangenheitsantrag gegen die Schöffen vom Gericht zurückgewiesen worden.

Angeklagter wehrt sich

Im bisherigen Verlauf hatte es keine Aussage des Angeklagten gegeben, was die Kammer wohl zu einer überschaubaren Zahl von Verhandlungstagen bewogen hatte. Nun liefert der Mann aber eine detailreiche Schilderung der anklagebezogenen Zeiträume und weist damit sowohl aus seiner Sicht klare Alibivorgänge nach, als auch jede persönliche Schuld zurück.

Der 64-Jährige spricht von einer „furchtbaren Anklage“, die jeder Substanz entbehre und versichert, nie in seinem Leben sexuelle Gewalt gegen Erwachsene oder Kinder ausgeübt zu haben. Er sieht die Verantwortung für die Vorwürfe weniger bei den beiden jungen Frauen, die ihn beschuldigten, als bei deren Mutter. Es gehe darum, ihn als einen Erben der Eltern auszuschalten, die im Frühjahr 2018 verstorben seien.

Lange Zeit kein Kontakt

Nach der Anklage geht es um einen Zeitraum von 1998 bis 2010. Der Angeklagte trägt vor, den Kontakt zu seiner Familie schon lange vor 1998 weitgehend abgebrochen zu haben. „Ich war damals ein junger Schauspieler. Ich habe mich für diesen Weg entschieden. Ich wollte jene Art von Leben nicht“, erklärt er.

Prozess wird im  Juli weitergeführt

Nach der Aussage steht fest, dass die Kammer im Juli noch mehrere vom Angeklagten benannte Zeugen hören muss.

Später wird deutlich, dass die Zeuginnen, ihre Geschwister und die Mutter die Angaben ihres Bruders respektive Onkels als falsch abtun. Der Ruf des toten Vaters sei tadellos gewesen.

Seine Familie sei hingegen sehr religiös, habe ihm die Schauspielerei als Teufelswerk übelgenommen. Nur zur Mutter habe noch eine Verbindung bestanden. Diese habe ihn 1998 entsetzt angerufen und gebeten, sich um seine Schwester und deren Kinder zu kümmern, weil deren Vater extrem gewalttätig sei.

Seinen 2018 verstorbenen Schwager beschreibt der Angeklagte als „wohl alkoholbedingten“ Schläger und Messerstecher, der jahrelang im Keller des unfertigen Hauses gelebt und seine Familie terrorisiert habe. Nur auf ausdrücklichen Wunsch seiner Mutter, „die ich sehr geliebt habe“, will er den Kontakt gepflegt haben.

Mädchen mit Vater erwischt

Eine längere Aufenthaltszeit habe es aber nur um 2003 gegeben, als seine Schwester im Krankenhaus war und er sich um die Kinder kümmerte. Um diese Zeit habe eine der angeblich von ihm missbrauchten Schwestern ihm berichtet, vom eigenen Vater sexuell belästigt worden zu sein.

Die andere habe er sogar in eindeutiger Situation mit seinem Schwager im Keller erwischt und seiner Schwester dies auch „nach kurzem Schock“ schweren Herzens berichtet, sie zum Handeln aufgefordert. Wenn er jenen Moment jetzt wieder vor sich sehe, „fühle ich mich wieder genau wie damals, als ich ins Bad lief und mich erst einmal übergeben musste!“

Beinahe tödlicher Unfall

Sein Schwager habe damals stets die Autoschlüssel in der Tasche gehabt, sich für jede Fahrt mit dem Familienwagen darum bitten lassen. Einmal kurz nach dem Vorfall habe der Schlüssel ungewöhnlicherweise frei im Flur gelegen. Der Angeklagte musste drei der Kinder zu einem Termin fahren, nahm das Fahrzeug und konnte einen tödlichen Unfall mit Mühe vermeiden und stellte fest, dass keine Bremsflüssigkeit mehr im Schlauch gewesen war.

Auf den Vorfall angesprochen, habe der Schwager ihn „am Schlafittchen gepackt, mich an die Wand gedrückt und gesagt, ‚Du hast das Auto kaputt gemacht’“. Danach habe er sich nur noch tageweise bei der Familie aufgehalten, später gar nicht mehr. Der Schwager sei irgendwann einmal für fast ein Jahr verschwunden gewesen. Bei seiner Rückkehr müsse er die Familie erpresst haben, sich für einen von ihnen zu entscheiden.

Ab 2003 habe der Angeklagte jahrelang eine Beziehung zu einer Frau mit drei Kindern gehabt, überwiegend in Spanien, betont er, zu vielen angeblichen Tatzeiten gar nicht in der Nähe gewesen zu sein. Vor einem Jahr habe er versucht, seinen Erbteil ausgezahlt zu bekommen, sogar Kompromissvorschläge gemacht, während seine Schwester heimlich schon die Strafanzeige betrieben habe.

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