Bad Berleburg. Sebastian Knauer und Ulrich Tukur sorgen mit Herman Melvilles „Moby Dick“ für einen energiegeladenen Abend auf Schloss Berleburg.

Das Licht im Foyer wird gedimmt und erlischt schließlich. Nur noch der Flügel und der Schreibtisch sind schwach beleuchtet; gerade so viel, dass Sebastian Knauer seine Musiknoten und Ulrich Tukur seine DIN A4-großen Notizen lesen können. Das Gemurmel im Publikum verstummt. Die ganze Aufmerksamkeit liegt bei den beiden Künstlern. Erwartungsvolle Stille. Bis sich Ulrich Tukur laut räuspert; damit beginnt die Verwandlung in den Erzähler Ismael – der einzige Überlebende von dem Schiff „Pequod“, das nach dem Angriff von Moby Dick kenterte.

Mit einer szenischen Lesung eröffneten Pianist Sebastian Knauer und Schauspieler Ulrich Tukur am Montagabend die 47. Musikfestwoche auf Schloss Berleburg. Ein donnernder, emotionsgeladener Auftakt, der Knauer und Tukur mit Herman Melvilles „Moby Dick“ dort gelang.

Sprung zwischen den Persönlichkeiten

Einer der renommiertesten Schauspieler Deutschlands

Ulrich Tukur ist am 29. Juli 1957 im hessischen Viernheim geboren und wuchs als Jugendlicher in Hessen, Westfalen und Niedersachsen auf.

Heute gilt Tukur als einer der renommiertesten Schauspieler Deutschlands und bekam für seine Rolle als DDR-Oberstleutnant Anton Grubitz in dem Oscar-preisgekrönten Film „Das Leben der anderen“ (2006) internationale Anerkennung.

Neben der Schauspielerei ist Tukur auch als Musiker und Sprecher tätig. Unter anderem lieh er der deutschen Fassung der BBC-Dokumentation „Unsere Erde“ seine Stimme.

Tukur erhielt bereits zahlreiche Auszeichnung, unter anderem den Deutschen Fernsehpreis, die Goldene Kamera, den Bambi und den Grimme-Preis als bester Darsteller in dem Tatort „Im schmerz geboren“.

Tukur springt zwischen den Persönlichkeiten in der Geschichte so schnell hin und her, dass das Publikum staunend zurückbleibt. Sei es der Erzähler Ismael, dessen Stimme heiser und belegt klingt, der raubeinige Wirt mit seinem bellend-lautem Nuscheln oder das nahezu unverständliche Gemurmel des zahnlosen Matrosen. Manchmal haucht Tukur die Worte nur, dann presst er sie wieder heraus, ständig verändert er das Redetempo. Manchmal schreit er ins Mikro – ein mal auch so laut, dass er sich kurz vergewissern muss, ob er es nicht kaputt gemacht hat –, dann flüstert er wieder in der Rolle des Kapitän Ahab, der sich seinen Rachegedanken an Moby Dick hingibt. Mit einem Hall unterlegt wirken die Mordpläne noch bedrohlicher, noch hasserfüllter.

Von beschwingt bis melancholisch

So breit wie Tukurs Persönlichkeitsspektrum, so intensiv ist auch Sebastian Knauers Klavierspiel. Mal wiegen die Töne schwer, mal sind sie beschwingt und euphorisch, aber immer spiegeln sie das Gefühlsleben der handelnden Figuren in der Geschichte wider. „Wir ließen uns blind wie das Schicksal in den Atlantik fallen“ – Dabei schafft es Knauer, mit seinem Klavier den seichten Wellengang zu imitieren, bei dem auch immer etwas Ernsthaftes, nicht Vorhersehbares mitschwingt. Und schließlich in der Katastrophe, im Tod endet.

Sebastian Knauer hat die szenische Lesung unter anderem zusammen mit seinem Vater entworfen, der am letzten Tag der Arbeiten an der neuen Fassung gestorben ist. Knauer wollte abbrechen, doch Tukur überredete ihn zum Weitermachen. Auch für seinen Vater. Es hat sich gelohnt, über den Schmerz hinweg zu arbeiten.