Bad Berleburg. Die Initiative Seebrücke Bad Berleburg gibt es seit einem Jahr. Susanne Bald spricht über das aktuelle, nationale Anliegen „Sichere Häfen“.

Nachdem bereits im April die Schließung der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Bad Berleburg für August 2019 bekanntgegeben wurde, sieht die Initiative Seebrücke Bad Berleburg nun einen Wendepunkt für die Stadt. „Jetzt ist es an der Zeit, Zuwanderung neu zu gestalten“, sagt Susanne Bald, Mitbegründerin der Bewegung in Bad Berleburg.

Taliesin Matthes, Anke Althaus-Aderhold und Detlev Schnell sind neben Susanne Bald Aktivisten der ersten Stunde in Wittgenstein. Rund 40 Personen zählt die Bewegung hier aktuell, die sich aus einer Themengruppe und eine Aktions-/Strategiegruppe zusammensetzt. Allerdings sei dies nur ein geschätzter Wert, gibt Matthes zu bedenken, denn es sei schwierig eine konkrete Zahl zu nennen, da jeder immer und überall an den Veranstaltungen und Aktionen teilnehmen kann. Der Zugang und die Teilhabe an der Bewegung seien bewusst niedrigschwellig gehalten und nicht parteipolitisch gebunden.

Gemeinsam waren die vier Initiatoren zu Besuch in der Redaktion, um über das aktuelle Bestreben „Sichere Häfen“ der Initiative und den Bezug zwischen Wittgenstein und der Situation im Mittelmeer zu sprechen.

Wie und wofür engagiert sich die Initiative Seebrücke Bad Berleburg?

Susanne Bald: Unsere Minimalforderungen sind eine unverzügliche Aufnahme der Geretteten sowie die Wiederaufnahme der staatlichen Seenotrettung. Außerdem fordern wir, dass die private Seenotrettung entkriminalisiert wird und legale Fluchtwege geschaffen werden, damit die Menschen nicht mehr auf Gummibooten nach Europa kommen. Unser erster öffentlicher Auftritt in Bad Berleburg war im August 2018 auf der Sommernachtsparty. Außerdem hielten wir an allen Adventssonntagen eine Mahnwache. Zu dieser Zeit wurden wir noch sehr befremdlich angeschaut.

Seitdem sind wir in verschiedene Einrichtungen, Vereine und Parteien gegangen und haben Vorträge gehalten oder interessante Gesprächspartner eingeladen. Wir haben auch eine Kooperation mit dem Kino. Gemeinsam mit einem Referenten, der im Mittelmeer vor Ort war, haben wir den Dokumentarfilm „Iuventa“ über Seenotrettung vor mehreren hundert Wittgensteiner Schülern gezeigt.

Zuletzt waren wir Anfang Mai am Rande des Wollmarkts im Rahmen der Proteststaffel. Mit dieser Aktion der nationalen Seebrücke, die durch mehrere Städte tourte, wollten wir mit Informationen und einem originalen „rubber boat“ aus dem Mittelmeer, also einem Schlauchboot, auf die dramatische Situation der Menschen im Mittelmeer aufmerksam machen und für Humanität und Solidarität sensibilisieren.

Inwiefern ist die Situation im Mittelmeer nach wie vor dramatisch?

Derzeit befinden sich noch über 40 Personen auf dem Rettungsboot Sea Watch 3, darunter drei Minderjährige. Die Sea Watch hat – wie alle Boote mit Flüchtlingen an Bord – aktuell keine Erlaubnis an irgendeinem europäischen Hafen anzulegen. Die Menschen harren dort teilweise bis zu zwei Wochen auf dem Meer aus.

Über 2000 Menschen sind im vergangenen Jahr im Mittelmeer ertrunken, von hunderten Toten 2019 wissen wir bereits. In einer Gesellschaft, die sich auf die Fahne schreibt, Menschenwürde zu achten, darf nicht weggesehen werden. Es muss sich etwas ändern.

In Berlin fand in der vergangenen Woche der Kongress „Sichere Häfen“ statt. Welches Anliegen steckt dahinter?

„Sichere Häfen“ sind Städte und Gemeinden, die sich per Resolution dazu bereit erklärt haben, bei Bedarf kurzfristig und ohne gesetzliche Verpflichtung zusätzliche Geflüchtete aufzunehmen und zu versorgen. Der Weg über die Kommunen, wie er im Policy Paper der Heinrich-Böll-Stiftung der Politik empfohlen wird, soll im Zuge dessen eine Neuausrichtung der europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik darstellen. Dabei soll den Städten und Gemeinden neben einem direkten Zugang zu europäischen Fördermitteln auch ein stärkeres Mitspracherecht gewährleistet werden.

Außerdem schlagen die Wissenschaftler in dem Papier vor, ressourcenorientiertere Verteilmechanismen anzustreben. Seitens der Kommunen soll berücksichtigt werden, wen sie aufnehmen können und welche Ressourcen zur Verfügung stehen. Auf der Seite der Geflüchteten soll berücksichtig werden, was sie mitbringen und wo sie hinwollen.

Was bedeutet das für Bad Berleburg?

Unser Fernziel ist natürlich, dass Bad Berleburg zu einem „sicheren Hafen“ wird. Allerdings sind wir aktuell noch nicht so weit. Wir sind noch dabei, Befürworter in Politik, Vereinen und Kirche zu sammeln sowie die Menschen zum Nachdenken anzuregen, sie zu sensibilisieren und aufzufordern, nicht wegzusehen. Wir möchten durch unsere Veranstaltungen wieder verstärkt Humanität in der Gesellschaft nach vorne bringen.

Die nächste Gelegenheit zum Austausch und zur Information gibt es am Donnerstag, 11. Juli, um 18 Uhr im Berleburger Hof in der Ederstraße 18. Dort treffen sich alle Interessierten zu einer Arbeitsgruppe, um lokale Strategien zu entwickeln.

Wurden Sie im Rahmen Ihres Engagements schon einmal angefeindet oder gab es negatives Feedback von der Wittgensteiner Bevölkerung?

Bei einer Mahnwache wurden wir einmal von einem vorbeifahrenden Auto heraus angepöbelt. Kritik von rechtsgerichteten Bürgern gab es auch im Sinne der Frage: „Was haben wir mit Flüchtlingen zu tun?“ Aber überwiegend erlebe ich, dass die Leute lieber weggucken und sagen: „Was geht mich das an?“ Doch grundsätzlich ist der Anteil von Anfeindungen zum Glück nur marginal.

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