Oberndorf. . Streicheln, schmusen, spielen: Sieben ausgebildete Fellnasen besuchen den Bad Laaspher Heimalltag. Ein aufregender Tag für Mensch und Tier.
Erna und Nessy warten auf ihren Einsatz. „Wer möchte mal einen Hund streicheln?“ Im schattigen Innenhof sitzen rund ein Dutzend Senioren, die schon auf den tierischen Besuch gewartet haben. Manche Bewohner möchten lieber nur zuschauen, andere lächeln und strecken die Hände nach Erna und Nessy aus.
„Der ist aber groß!“ – Angst hat Heinrich Benfer jedoch nicht, er selbst hatte früher Hunde, unter anderem einen Spitz. Behutsam krault er Erna unter dem Kinn. Die beiden verstehen sich auf Anhieb.
Die einjährige Ausbildung
Die Hundetrainerinnen Bente Wied und Karin Noll sind heute mit ihren insgesamt sieben Hunden zu Besuch im Seniorenstift Elim. Streicheln, schmusen, spielen, lachen – das bringt Abwechslung in den Heimalltag und manche Augen der Bewohner förmlich zum Leuchten.
Erna – ein Mix aus Irischem Wolfshund und Altdeutschem Tiger –, Nessy – eine Border-Collie-Hündin – und Hippo – eine Chihuahua-Dame – haben ihre Ausbildung zum Therapiehund bereits erfolgreich bestanden. Diese ist unterteilt in fünf Module und ausgelegt auf einen Zeitraum von zwölf Monaten.
In dem praktischen Teil werden die Hunde vor allem auf ihre Reaktionen auf Stress geprüft. Sie werden zum Beispiel von fremden Menschen umarmt, lernen neben einem Rollator oder einem Rollstuhl zu gehen oder dass sie auf ungewöhnliches Verhalten von fremden Personen gelassen reagieren sollen.
Die Hunde sollen absolut kein Risiko für die Menschen darstellen. Bente Wied und Karin Noll sind dabei immer an der Seite ihrer Hunde. Das gibt ihnen Sicherheit.
Situationen in der Realität
„Sie ist so brav“, sagt Konstanze Mengel, als sie über Nessys weiches Fell am Kopf streichelt. „So einen hätte ich auch gerne...“ Nessy rückt noch ein bisschen näher an sie heran und scheint die Schmuseeinheit aufrichtig zu genießen. Gleichzeitig stupst Erna mit ihrer feuchten Nase die Hand von einer Besucherin an; so, als ob sie damit sagen wollen würde: „Hey, du darfst mich auch mal streicheln!“
Sie senkt ganz kurz den Kopf – ein Zeichen, das Karin Noll sofort auffällt, für Laien aber kaum bemerkbar ist. Eva Schwarz hat den Rest aus ihrem Wasserglas über Ernas hinteren Rücken verschüttet. Sie meinte es nur gut, weil ihr aufgefallen ist, wie viel Erna bei der Hitze hechelt; da würde eine kurze Abkühlung doch sicher gut tun.
Für Hunde kann so eine abrupte Handlung allerdings schnell Stress auslösen, unausgebildete Hunde könnten in so einer Situation vielleicht sogar zuschnappen. In ihrer Ausbildung hat Erna jedoch gelernt, wie sie mit solchen Situationen umgehen soll. Sie bleibt gelassen und wird dafür mit einem Leckerli belohnt.
Die Kompetenzen der Trainer
Es geht weiter über die einzelnen Stationen. Zu den Bewohnern, die nicht mehr die Kraft haben, das Bett zu verlassen. Hier ist Hippo gefragt. Mit ihrem Körpergewicht von knapp drei Kilo kann sie auch mal zu den Senioren auf die Bettdecke gelegt werden. Das Streicheln über das kleine Köpfchen oder die spitzen Ohren wirkt beruhigend.
Manchmal schleckt Hippo auch die Finger der Patienten ab; Elisabeth Becker kann sie damit ein breites Lächeln entlocken. Aufrichtige Freude im Hier und Jetzt. Genau wegen solcher Momente besuchen Bente Wied und Karin Noll mit ihren Hunden regelmäßig Bewohner im Seniorenheim. Nicht nur in Wittgenstein, sondern zum Beispiel auch in Gießen.
Nach gut eineinhalb Stunden, in denen Bente mit Hippo von Zimmer zu Zimmer gegangen ist, wirkt Hippo etwas abwesend. „Ich habe gemerkt, dass sie hektisch hin und her schaut und sich von den Menschen eher wegdreht als sich anzuschmiegen“, sagt Bente. Für sie ein klares Zeichen, dass Hippo für heute genug gearbeitet hat.
Als Team in der „Menschen-Gesellschaft“ unterwegs
Seit Juni bieten Bente Wied und Karin Noll auch selbst eine Besuchs- und Therapiehundeausbildung in ihrer Hundeschule in Bad Berleburg an.
Sie folgen in ihrer Ausbildung dem K.S.I.© -Prinzip nach Katrin Scholz. K.S.I. © steht dabei für „Kynologisch-Sozialogische-Integration“. „Kynologie“ bezeichnet dabei die „Wissenschaft des Hundes“, mit der das Verständnis für das Wahrnehmen und Handeln des Hundes gefördert werden soll. Dem steht die „Soziologie“ – die Gesellschaft des Menschen – gegenüber. Zusammen soll eine harmonische Integration gelingen. Insgesamt soll K.S.I. © den Hunden und ihren Haltern ermöglichen, sich als Team problemlos in der „Menschen“-Gesellschaft zu bewegen.
Um zur Therapiehundeausbildung zugelassen zu werden, führen die Trainerinnen vorab ein persönliches Gespräch mit dem Halter und schauen sich den Hund genau an; erst dann wird entschieden, ob eine Therapiehundeausbildung sinnvoll und erstrebenswert für Tier und Halter ist.
„Uns ist es wichtig, dass es unseren Hunden zu jeder Zeit gut geht. Wir möchten sie nicht überfordern.“ Auch das gehört zu der Therapiehunde-Ausbildung: dass der Mensch das Verhalten des Hundes lesen kann und ihn unterstützt. Hippo hat deswegen jetzt Feierabend.
Der wilde Nachwuchs
Zum Schluss dürfen Hilde und Pandora noch einmal kurz den Aufenthaltsraum aufmischen. Die beiden jungen Chihuahuas – Hilde ist gerade mal ein Jahr, Pandora ein halbes Jahr alt – sind neugierig-verspielte Energiebündel.
Die beiden toben zusammen, springen an Beinen hoch und können nur kurzfristig mit einem Stück aus der Leberwurst-Tube von Karin still halten. „Wie aufgeregt die sind!“, freut sich eine Bewohnerin und klatscht lachend in die Hände.
Auch Hilde und Pandora sollen später einmal Therapiehunde werden. Bis dahin sollen sie noch einige Erziehungs-Basics lernen. Aber vor allem noch viel spielen, schmusen und die Welt entdecken.
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