Bad Berleburg. . Günter Schnabel (90) aus Erndtebrück erzählt von seiner Gefangenschaft im Arbeitslager Buchenwald. Vier Jahre litt er unter Hunger und Folter.

Nummer 16.731. Die Zahl kann er bis heute auswendig. Und wird sie wahrscheinlich nie vergessen. Günter Schnabel floh als Jugendlicher mit seiner Mutter und Schwester aus seiner polnischen Heimat Breslau nach Leipzig, Torgau und schließlich nach Treffurt in Thüringen. Hier wurde er am 31. Dezember 1945 durch einen russischen Offizier verhaftet unter dem Vorwand, Mitglied in der sogenannten „Werwolf“-Gruppe zu sein und an Sabotageanschlägen gegen die Alliierten teilgenommen zu haben. Zu dem Zeitpunkt war er 15 Jahre alt. Er wird schließlich in das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Nummer 16.731. Erst im Alter von 20 Jahren kommt er wieder frei.

Die Autobiografie

Der heute 90-jährige Günter Schnabel wohnt seit 1987 in Erndtebrück. „Die Liebe hat mich hierher geführt“, sagt er. Bereits 1998 hat er ein Buch veröffentlicht, in dem er die traumatischen Jahre in Buchenwald verarbeitet hat. Der Titel: „Jedem das Seine“ – so wie die zynische Inschrift über dem KZ-Tor in Buchenwald. Regelmäßig besucht Schnabel Schulen, um als Zeitzeuge über die Schrecken des Krieges und der Zeit danach zu sprechen. Im Rahmen des Geschichtsunterrichts der Klassen 10 wurde Schnabel am Dienstag in die Aula der Realschule Bad Berleburg eingeladen. Sein Publikum: So alt wie er damals, als für ihn die Lager-Strapazen begannen.

Die Zustände

Günter Schnabel (90) aus Erndtebrück hat das Arbeitslager in Buchenwald überlebt.
Günter Schnabel (90) aus Erndtebrück hat das Arbeitslager in Buchenwald überlebt. © Julien Gillner

Nachdem Schnabel ein halbes Jahr lang im Gefängnis in Mühlhausen von russischen Offizieren geschlagen und gefoltert wurde, kommt er im Juni 1946 schließlich nach Buchenwald. In die Quarantänebaracke. 250 Gramm Brot und ein Liter Graupensuppe pro Tag erhalten ihn am Leben. Vier Jahre lang. „Wir schliefen auf Strohsäcken, die noch von den Nazis da gelassen worden waren. Sie waren voller Flöhe und Wanzen“, erzählt Schnabel. Er soll in der Lagerküche aushelfen und Kartoffeln schälen. Ein Zentner pro Tag. „Und wehe, es wurde zu viel abgeschnitten – dann wurde ich zusammengeschlagen.“

Die Rückkehr

Im Januar 1950 wird Schnabel freigelassen; wenige Wochen später – vier Jahre nach Gründung der DDR – wird das russische Lager aufgelöst. Insgesamt starben hier 7163 Menschen nach Kriegsende.

© Anna Tillenburg

Als Schnabel zur Familie zurückkehrt, erkennt seine eigene Mutter ihn nicht wieder. Die Haare sind dunkler, länger, zerzauster, sein Körper ist abgemagert. Und dennoch steckt so viel Lebensenergie in diesem jungen Mann. Einen Lebenswillen, den er sich bis heute bewahrt hat. „Ich bin immer optimistisch geblieben. Das ist mein Naturell“, so der 90-Jährige. Er braucht weder Brille noch Hörgerät oder Rollator, wirkt fit und – zufrieden. Er habe sich in seinem Leben viel mit jüngeren Leuten umgeben – ob in seinem Job als Verkaufsleiter eines Getränkeherstellers oder in seinem privaten Umfeld. „Meine Frau ist zum Beispiel 26 Jahre jünger als ich.“ Seit 43 Jahren ist er mit ihr glücklich verheiratet. „Es ist eine schöne Botschaft, die Herr Schnabel hier vermittelt: der Mut zum Leben“, so Realschulleiter Manfred Müller. Eine Botschaft, die auch bei den Jugendlichen ankommt.

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