Rückershausen. . Der Kreis möchte medizinisches Personal für das Land gewinnen. Dafür sollen u.a. mehr Studien- und Ausbildungsplätze geschaffen werden.
Mit aktuell zehn Hausärzten erreicht Bad Laasphe einen Versorgungsgrad von 125 Prozent – und ist damit medizinisch überversorgt. Auch die erforderliche Anzahl von Fachärzten ist laut Statistik weitestgehend gedeckt. Dennoch gibt es perspektivischen Handlungsbedarf. Denn: Sieben der zehn Hausärzte sind bereits über 60 Jahre alt und werden in absehbarer Zeit in Rente gehen. Gleichzeitig liegt der vermeintlich positiven Facharzt-Situation eine statistische Verzerrung zugrunde. Die Zahl der Fachärzte wird nämlich nur auf Kreisebene erhoben und nicht pro Kommune. Das bedeutet: Theoretisch könnten sich alle Fachärzte in Siegen niederlassen und Bad Laasphe gelte dennoch als gut versorgt. „Gesundheit und Pflege sind sehr komplexe Themen, die unterschiedliche Bereiche zu verantworten haben“, so Landrat Andreas Müller. Am Dienstagabend sprach er im Rahmen der SPD-Sitzung des Oberen Lahntals im Dorfgemeinschaftshaus Rückershausen über die medizinische Versorgung im Kreis Siegen-Wittgenstein. Der Tenor: Die Unterversorgung, auf die der ländliche Raum statistisch zusteuert, kann jetzt schon abgefedert werden. Aber: Es wird eine Herausforderung.
Ausbildung
Die Zahlen
732 Pflegebedürftige gibt es aktuell in Bad Laasphe.
115Menschen sind in einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht.
243Personen werden im Rahmen einer ambulanten Pflege betreut.
374Menschen erhalten Geldleistungen nach dem Pflegegesetz.
Medizinstudium: Mit dem zum Wintersemester 2018/2019 gestarteten Studiengang „Humanmedizin Bonn-Siegen“ erhofft sich Landrat Müller, dass mehr Fachärzte ihre Ausbildung in regionalen Krankenhäusern absolvieren und später dort auch bleiben. Im März 2018 hatten die Universitäten Bonn und Siegen dafür einen Kooperationsvertrag mit den vier Siegener Partnerkliniken unterzeichnet (DRK-Kinderklinik, Diakonie in Südwestfalen, Kreisklinikum und Mariengesellschaft Siegen). 25 zusätzliche Medizin-Studienplätze wurden damit geschaffen. Das sei ein Anfang, aber: „Wir mussten Tausenden jungen Menschen absagen, die sich beworben haben. Es ist nicht so, dass wir nicht genügend motivierte Schulabgänger haben: Wir haben nicht genügend Studienplätze“, erklärte Müller. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Frauenanteil bei den Medizin-Studierenden mittlerweile bei fast 70 Prozent angekommen sei, müssten mehr Studienplätze bereitgestellt werden. Bei Familiengründung sei es nun mal so, dass Frauen in Mutterschutz gehen und sich einige Beschäftigte danach entscheiden, ins Teilzeit-Modell zu wechseln. Die dadurch eingesparten Stunden reißen eine Lücke ins Versorgungssystem, die es zu minimieren gilt, so Müller. „Bis jetzt haben wir darauf noch nicht reagiert.“
Kranken- und Altenpfleger: Mit der Eröffnung des Bildungsinstituts für Gesundheitsberufe Südwestfalen (BiGS) in Siegen sei eine weitere Maßnahme gegen den Fachkräftemangel ergriffen worden. „Damit haben wir die Ausbildungskapazitäten um 50 Plätze pro Jahr erhöht“, sagt Müller. Die Pflegeschüler sind jeweils direkt bei den Trägerkliniken des Bildungsinstituts angestellt, also bei der DRK-Kinderklinik, dem Kreisklinikum und der Marien Gesellschaft Siegen. Eine derartige Organisation sei einzigartig in NRW. „Auf so eine große Gemeinschaft kann unsere Region stolz sein.“
Pflege
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Laut dem aktuellen Pflegebedarfsplan des Kreises lag die durchschnittliche Belegungsquote der Pflegeheime in Bad Laasphe im Jahr 2017 bei 100 Prozent. Die Vollbelegung deutet darauf hin, dass einige Pflegebedürftige abgewiesen werden mussten, weil es zu wenig Betten gab. Mit dem Neubau der Mediko-Seniorenresidenz am Gennernbach soll das mit 82 zusätzlichen Pflegeplätzen reguliert werden. Abgesehen davon sei Landrat Müller bei seinem Amtsantritt 2014 „überrascht“ gewesen, wie zäh das Thema Tagespflege bis dahin überhaupt angegangen wurde – zu diesem Zeitpunkt gab es kreisweit nämlich gar kein Angebot dafür. „Allmählich schließt sich diese Versorgungslücke mit neuen Einrichtungen, wie zum Beispiel in Dreis-Tiefenbach und Neunkirchen“, so Müller. Auch der Zweig der ambulanten Pflege müsse stärker in den Fokus gerückt werden; bisher sei diese bei der Pflegebedarfsplanung beispielsweise gar nicht berücksichtigt gewesen.
Zukunftsvision
Für die Zukunft könnte sich Landrat Müller eine App vorstellen, die in Echtzeit freie Betten in den Pflegeheimen in der Region anzeigt. Bislang gebe es dabei jedoch nicht nur datenschutzrechtliche Probleme, sondern auch einen bürokratischen Mehraufwand. Zumal sich die Zahl der freien Betten nahezu stündlich ändern kann.