Bad Berleburg. . Nathalie Winter, eine der drei Tagesmütter der „Berleburger Minis“, sieht die Großtagespflege als Vorstufe zur Kita in einem liebevollen Umfeld.
Mitten in der Bad Berleburger Kernstadt: Die Tagesmütter Nathalie Winter (39), Katharina Dickel (53) und Martina Saßmannshausen (62) betreuen in einer umgebauten Wohnung an der Poststraße Jungen und Mädchen unter drei Jahren. Gemeinsam mit Heike Schüssler, beim AWO-Kreisverband Siegen-Wittgenstein/Olpe als Träger Regionalleiterin Kinder, Jugend und Familie für die Region Bad Berleburg berichten sie im Interview aus ihrem Alltag. Aber auch darüber, wie man sich selbst als Tagespflegeperson engagieren kann.
Inwiefern ist die Kindertagesbetreuung bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater eine echte Alternative zur Kita?
Heike Schüssler: Die Betreuung findet in einem familiären Umfeld statt, die Gruppe ist klein. Es gibt feste Bezugspersonen für die Kinder, es ist somit ruhiger als in einer Kita. Auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder kann durch den größeren Personalschlüssel besser eingegangen werden. Die Kinder erleben hier das Zusammenleben in einer kleinen Gruppe, sie lernen die ersten Regeln und Rücksichtnahme auf andere Kinder, also das Sozialgefüge in einer Gruppe kennen. Was darf ich, was nicht? Der Tagesablauf richtet sich nach den Bedürfnissen der Kinder und vorgegebenen Strukturen. Pflegerische Maßnahmen erfordern noch einen sehr hohen Zeitaufwand. Kinder diesen Alters suchen noch oft den Körperkontakt zu ihrer Bezugsperson, um Sicherheit zu erlangen.
Drei Tagesmütter im Einsatz
Die Großtagespflegestelle „Berleburger Minis“ an der Poststraße mitten in der Bad Berleburger Kernstadt ging im Oktober 2016 an den Start und wird von drei Tagesmüttern betreut.
Nathalie Winter (39) ist gelernte Bürokauffrau, hat nebenher die Ausbildung zur Tagesmutter gemacht und mit der Pflege schon einige Jahre privat Erfahrung gemacht.
Martina Saßmannshausen (62) ist gelernte Arzthelferin und dank Fortbildungen sowie Erfahrungen etwa beim CJD in der Schulbegleitung nun für die AWO aktiv.
Katharina Dickel (53) ist ausgebildete Pädagogin.
Kontakt: AWO-Großtagespflege, Poststraße 12, 57319 Bad Berleburg, 02751/4487314, E-Mail: kg-berleburgerminis@awo-siegen.de
Nathalie Winter: Die Kindertagespflege betrachten wir nicht als Alternative für die Kinder, sondern eher als eine gute Vorbereitung für den späteren Alltag in der Kindertagesstätte. Sie dient als sinnvolle Ergänzung, als Vorstufe zur Kindertagesstätte, die in einem kleinen, liebevollen und familienähnlichen Umfeld stattfindet.
Warum entscheiden sich Eltern ganz bewusst für die Betreuung bei der Tagesmutter? Welche Rolle spielt bei der Entscheidung die oft knappe Zahl an Kita-Plätzen?
Schüssler: Neben den bereits genannten Punkten bietet die Großtagespflege eine flexible Betreuungszeit an, sie richtet sich nach dem Bedarf der Eltern und dem Wohl des Kindes.
Martina Saßmannshausen: Viele Eltern möchten gerne ihre oftmals noch ganz kleinen Kinder, Säuglinge (0 bis 1 Jahr) und Kleinkinder (1 bis 3 Jahre), lieber in einer familienähnlichen Betreuungsform unterbringen, die Großtagespflege bietet hier einen guten Rahmen.
Wie sieht so ein typischer Betreuungstag bei Ihnen aus?
Katharina Dickel: Die Kinder werden zu unterschiedlichen Zeiten gebracht, aber bis zum Frühstück um 8.30 Uhr sind alle da. Es geht also damit los, sich etwas auszuwählen, mit dem man spielen möchte. Es gibt natürlich auch Angebote durch die Betreuerinnen wie etwa eine große Menge Knete, Wasserfarben oder eine Kletterlandschaft. Der weitere Tag in Stichworten:
> Begrüßungsritual im Stuhlkreis mit Liedern, Fingerspiel
> Angeleitetes Spiel/Freispiel
> Bewegung, etwa durch Tanz, Spiel, Toben, Draußenzeit auf Spielplätzen in der Umgebung
> gemeinsames Aufräumen
> gemeinsam Mittagessen
> Mittagsruhe/Schlafenszeit
> Individuelle Förderung
> Abschiedsritual
> Nachmittagssnack
> Spiel angeleitet/frei, Draußenzeit
> Abschiedsritual
Für die Mitarbeiterinnen laufen nebenher noch viele andere Tätigkeiten, alle pflegerischen, hauswirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Aufgaben werden übernommen.
Was muss man für eine ordnungsgemäße Tagesbetreuung an Räumen bieten? Stichwort „Sicherheit“?
Schüssler: Wir halten alle gesetzlich vorgegebenen Sicherheitsstandards ein. So wurde unsere Einrichtung extra umgebaut, um diesen Standards gerecht zu werden. Es werden regelmäßige Kontrollen von unserem Gebäude-Management und den Sicherbeauftragten durchgeführt, um eventuell entstandene Mängel zu erkennen und zu beseitigen. Die Räume sollten sowohl den Kindern Entfaltungsmöglichkeiten bieten als auch für die Tagespflegepersonen ergonomisch ausgestattet sein. Ein vom Spielraum abgegrenzter Schlafraum sorgt für Ruhe – und ein kleiner Gruppenraum bietet zusätzliche Möglichkeiten, um etwa in Kleingruppen zu arbeiten.
Wie groß ist eigentlich so eine Kinder-Gruppe, um die sich eine Tagesperson kümmert?
Schüssler: Bei uns in der Großtagespflege sind es in der Regel neun Kinder und 2,4 ausgebildete Tagespflegepersonen. Grundsätzlich kann jede Tagespflegeperson bis zu fünf Kinder betreuen, eine Großtagespflege aber eben maximal neun.
Wie können Eltern Kontakt aufnehmen mit Tagesmüttern oder Tagesvätern? Welche Auswahlmöglichkeiten gibt es? Wo kann man sich als Mutter oder Vater beraten lassen?
Schüssler: Eltern haben jederzeit nach Absprache die Möglichkeit, unsere Räumlichkeiten zu besichtigen. Unsere Betreuerinnen sind immer gerne bereit, den Eltern hier einen ersten Einblick auch in den Tagesablauf zu gewähren und auch deren Fragen zu beantworten. Im Allgemeinen läuft die Anmeldung dann über das Jugendamt. Dort muss ein Antrag auf Betreuung gestellt werden.
Was kostet die Betreuung in der Regel? Ist sie teurer oder günstiger als in einer Kita? Gibt es finanzielle Hilfen der öffentlichen Hand?
Schüssler: Diese Informationen erhalten Eltern bei der Anmeldung ebenfalls beim Jugendamt.
Saßmannshausen: Sie ist abhängig vom Einkommen und der gebuchten Stundenzahl.
Was sollten Eltern beim Betreuungsvertrag und bei der Betreuung selbst beachten?
Schüssler: Eltern sollten bei der Wahl der Einrichtung – egal, ob Großtagespflege, Kita oder private Tagespflege – immer ein gutes Gefühl haben. Wichtig ist das gegenseitige Vertrauen. Eltern geben ihr größtes Gut, das Kind, in fremde Hände – deshalb ist hier das gute Gefühl und das Vertrauen in die Betreuungsperson das Wichtigste.
Wie wird man eigentlich Tagesmutter oder Tagesvater? Braucht man dafür Talent? Kann man damit auch auskömmlich Geld verdienen?
Schüssler: Ich sehe das wie in anderen Berufen auch: Ich wähle diesen Beruf, weil er mich interessiert, weil er mir Spaß macht.
Ein Talent, die Freude an der Arbeit mit Kindern, Umgang mit Menschen, Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Belastbarkeit und Flexibilität sollten schon Voraussetzung für diesen Beruf sein. Es werden regelmäßig Kurse zur Ausbildung als Tagespflegeperson angeboten. Ein Kurs umfasst 160 Stunden. Darüber hinaus ist aber auch eine pädagogische Ausbildung mögliche Voraussetzung. Bei uns sind die Tagespflegepersonen fest angestellt und werden nach AWO-Tarif bezahlt. Tagespflegepersonen arbeiten in der Regel allein mit einer Gruppe von Kindern.
Wie findet man wie Sie im Trio zu einer Großtagespflege zusammen? Wo erhalten Sie fachliche Unterstützung für ihren Betreuungsalltag?
Schüssler: Bei der Eröffnung einer AWO-Großtagespflege werden die Stellen öffentlich ausgeschrieben. Die Tagespflegepersonen, die gerne bei uns arbeiten möchten, können sich dann bewerben und so wird das Team zusammengestellt.
Dickel: Das Team ist erste Anlaufstelle für Beratungsgespräche. Da jede Tagespflegeperson jedes Kind kennt, können wir individuelle Stärken fördern – und bei Entwicklungsverzögerungen sofort in Absprache mit den Eltern reagieren.
Schüssler: Die AWO und das Jugendamt bieten regelmäßige Schulungen und Fortbildungen an. Unsere Großtagespflege erhält jeden Monat ebenfalls ein Monatsgespräch, in dem offene Fragen und Anliegen besprochen werden können.
Saßmannshausen: Wir stehen in ständigem Kontakt mit den AWO-Regional- und Fachbereichsleitungen sowie dem Jugendamt – und sind immer am Puls der Zeit durch aktuelle Entwicklungen in der Forschung von Pädagogik, Sprache und Bewegung.
Ein Video zum Interview finden Sie hier.