Landtagsabgeordnete schnitzt ihr Löffeldiplom in Girkhausen
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Girkhausen. . Anke Fuchs-Dreisbach legt in der Drehkoite ihr Löffeldiplom ab. Nach harter Arbeit und mit Schwielen an den Händen gibt’s den Girkhäuser Rewwel.
Die Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach tauscht den Düsseldorfer Plenarsaal, Mikrofon und Schreibtisch gegen die Drehkoite, ein Stück Lindenholz, Dassel und Ziehhaken. Die Sassenhäuserin ist nämlich vom Vorstand des Verkehrs- und Heimatvereins auserkoren worden, das 24. Girkhäuser Löffel-Diplom zu erlangen. „Es ist eine Ehre für mich, ausgewählt worden zu sein“, nickt sie stolz, „und ich bin dankbar für die Gelegenheit, diese alte Tradition kennenlernen zu dürfen.“ Sie reiht sich damit in die Liste namhafter Vorgänger ein.
Der Ausbilder
Als ihr Ausbilder fungiert Schreiner Hartmut Riedesel, Inhaber der gleichnamigen Girkhäuser Holzwaren-Fabrik. „Wir vertreiben allerdings keine handgefertigten Löffel“, das habe er sich nach und nach beigebracht. Egal, er hat das nötige Know-How und die Geduld.
Als der „Lehrling“ das nur grob in Form gebrachte Stück Holz sieht und was daraus werden soll, befürchtet Anke Fuchs-Dreisbach: „Das ist nicht in ‘ner Viertelstunde gemacht.“ Richtig. Dabei müsse man bedenken, weiß der 1. Vorsitzende Volker Dickel, dass früher ein Löffelschnitzer 25 Exemplare am Tag herstellen musste, um davon leben zu können.
Was? 25 Stück? Das beeindruckt die 40-Jährige gewaltig.
Anke Fuchs-Dreisbach schnitzt ihr Löffeldiplom
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„Immer schön auf die Finger aufpassen!“ Aus den Zuschauerreihen kommt nach einiger Zeit die Frage: „Hat sie noch kein Pflaster?“ Nein, das Rote ist Nagellack – kein Blut! Alles ist gut, Anke Fuchs-Dreisbach stellt sich geschickt an. „Das wär’ mein erstes Angebot.“ Sie hält den Löffel hin.
„Nee, nee, da muss noch was raus“, lacht Hartmut Riedesel. So einfach ist es nicht. Nächster Schritt. „Das ist gerade anstrengend, der Ziehhaken ist nicht so handlich.“ Sie spüre noch nichts, aber das gehe in die Schultern, wenn man das den ganzen Tag machen müsste. Doch als examinierte Physio-Therapeutin weiß sie ja, was dann zu tun wäre. Man braucht eine gewisse Kraft – aber auch nicht zu viel, sonst ist schnell eine Kerbe dort, wo sie nicht sein soll.
Die Kommentare
„Ich finde, innen drin hat sie den Löffel schnell hohl gehabt“, nickt Riedesel. „Anke ist auch sonst handwerklich geschickt“, bestätigt Ehemann Udo Dreisbach, der als Fahrer fungieren muss, denn zwischendurch bekommt seine Frau Fläschchen mit kühlem Gerstensaft gereicht, denn das Ganze ist eine schweißtreibende Angelegenheit, die die Kehle austrocknet.
„Der Löffel ist ja fast fertig!“, staunt Holger Saßmannshausen, der im Vorjahr auf dem Schemel saß. „Ist schon der Zweite!“, scherzt die angehende Löffelschnitzerin. „Ja, das gibt ein ganzes Besteck!“, lacht ein Gast. „Das sieht wirklich schon gut aus“, nickt auch Jörg Homrighausen (2. Vorsitzender) anerkennend.
Anke Fuchs-Dreisbach schleift das Holzstück, ist ganz vertieft und konzentriert: „Ich krieg’ gar nicht mit, wer hier alle reinkommt.“ Das ist auch besser, denn wenn sie die zahlreichen Gäste alle persönlich begrüßen würde, käme sie gar nicht mehr zum Schnitzen.
Das Rahmenprogramm
Den besonderen Löffel gibt’s schon seit 24 Jahren
Der Verkehrs- und Heimatverein Girkhausen sucht seit 24 Jahren stets zum Traditions-Rewwel einen prominenten Wittgensteiner als Diplom-Kandidat aus.
Der muss dann aus einem unbehandelten Stück Lindenholz einen Löffel schnitzen. Das Handwerk beobachten stets zahlreiche Gäste in der Drehkoite.
Die Drehkoite platzt nämlich wieder aus allen Nähten. Zwischen den voll besetzten Tischen hindurch schlängeln sich die Bedienungen mit Wurst-, Schmalz- und Käsedongen, Würstchen und Rewwelschüsseln sowie anderen Getränken. Und der „Dambächer“ sorgt für Stimmung auf seinem Akkordeon und mit Stücken wie dem Wittgensteiner Heimatlied, bei denen kräftig mitgesungen wird. Und nebenbei wird beobachtet, wie sich die MdL anstellt.
Doch auch der nächste Arbeitsgang, das Glätten des Löffelstiels, mit den äußerst scharfen Messern wird mit Bravour geschafft. Der lange Span am Griff muss noch ab, die Vertiefung ist dann eben eine „Griffmulde“. Hier wird schließlich keine Maschinenware produziert, sondern es entstehen handgefertigte Unikate.
„Die ersten Schwielen an den Fingern“, zeigt sie Kerstin Lauber, die ebenfalls schon das Diplom in der Tasche hat. „Anke ist schwer ehrgeizig“, bemerken die Umstehenden lobend, „Wenn ich nicht so viel Biss hätte, wäre ich nicht da, wo ich bin“, bestätigt sie.
Das Gesellenstück
Außerdem sind zahlreiche diplomierte Löffelschnitzer vor Ort, das motiviert zusätzlich. Nach eineinhalb Stunden Arbeitszeit die Frage: Wer nimmt den Löffel jetzt ab? Nun sind die Fachleute gefragt. Ihr Meister ist auf jeden Fall zufrieden. „Gut gemacht!“ Als sie hört, dass auch Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg seinen prüfenden Blick auf den Löffel werfen wird, schmirgelt sie schnell noch ein bisschen weiter. Dann endlich die erlösenden Worte von ihm und seinen Kollegen bzw. Kolleginnen: „Das ist ‘ne Eins mit Sternchen!“
Doch das begehrte Diplom in Form einer Urkunde erhält die Löffelschnitzerin erst nach der „traditionellen Prozedur“. Sie bekommt von Steffen Schmidt einen Schlag mit einer riesigen Wurzelkeule auf den Allerwertesten – wie alle Löffelschnitzer vor ihr auch. Zum Trost darf sie dann direkt ausprobieren, wie der Girkhäuser Rewwel aus ihrem Löffel schmeckt.
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