Bad Berleburg. „Ideen haben wir: Man kann viele allgemeine Ausbildungsinhalte zusammenfassen und Berufsgruppenübergreifend unterrichten“, sagt Dirk Pöppel vom Berufskolleg Wittgenstein.

  • Dirk Pöppel macht sich Sorgen um den Wirtschaftsstandort Wittgenstein.
  • Die Suche nach Fachkräften ist sein Thema.
  • Eine entscheidende Rolle kommt dabei dem Berufskolleg Wittgenstein zu

Dirk Pöppel macht sich Sorgen um den Wirtschaftsstandort Wittgenstein und vor allem um die Gewinnung von Fachkräften und Mitarbeitern. Ein wesentliche Bestandteil der Dualen Ausbildung ist neben der praktischen Ausbildung in den Betrieben oder dem Berufsbildungszentrum Wittgenstein auch die schulische Begleitung der Azubis im kaufmännischen oder dem gewerblichen Sektor. Dafür steht vor Ort das Berufskolleg Wittgenstein in Bad Berleburg. Im Handwerk und auch vielen industriellen Lehrberufen müssen Azubis bereits jetzt weite Fahrten, oft bis nach Siegen, nicht selten aber auch bis ins Rheinland oder das Ruhrgebiet, unternehmen. Was das für den Wirtschaftsstandort Wittgenstein bedeutet, haben wir mit dem für Ausbildung beim Berleburg Schaumstoffwerk zuständigen Dirk Pöppel besprochen.

Wittgenstein liegt weit vom Oberzentrum Siegen entfernt. Welche Probleme bedeutet das für die Auszubildenden?

Dirk Pöppel: Teilweise ist das gar kein Problem. Viele Berufsbilder können wir hier sehr gut mit dem Berufskolleg Wittgenstein beschulen. Aber es gibt natürlich auch einige Berufe, bei denen es tatsächlich zum Problem werden kann. Wir haben zum Beispiel einen Chemielaboranten, der in Krefeld zum Blockunterricht geht. Manchmal macht ein zu weit entferntes Berufskolleg eine Ausbildung hier in Wittgenstein schlicht unmöglich. Wie soll denn beispielsweise eine Auszubildende mit 16 Jahren zweimal wöchentlich früh morgens in eine Landesfachklasse nach Dortmund kommen?

Haben Sie als lokaler Arbeitgeber und Ausbilder mit BSW besondere Strategien, um die Entfernung zu Berufsschulen und Bildungszentren aufzufangen?

Lars-Peter Dickel im Gespräch mit Dirk Pöppel, Ausbildungsleiter beim Berleburger Schaumstoffwerk
Lars-Peter Dickel im Gespräch mit Dirk Pöppel, Ausbildungsleiter beim Berleburger Schaumstoffwerk © Marcel Krombusch

Ideen haben wir: Man könnte viele allgemeine Ausbildungsinhalte zusammenfassen und Berufsgruppen übergreifend unterrichten, zum Beispiel die Fächer Deutsch, Politik, Religion und Sport. Das könnte dann hier im Berufskolleg erfolgen. Ausbildungsspezifische Unterrichte könnten genauso zusammengefasst und dann gebündelt an anderen Orten im Block unterrichtet werden. Das würde zumindest einen Teil der Belastungen von den Berufsschülern nehmen. Aber manche kreative und vielleicht sinnvolle Lösung entspricht nicht den eingefahrenen Verwaltungsroutinen.

Das Berufskolleg Wittgenstein ist das kleinste in NRW. Wie kann man das Überleben dieser für den Landstrich so wichtigen Schule langfristig sichern?

Ich sage das ganz offen: Das müssen wir als Wittgensteiner Bevölkerung selbst tun. Wir müssen das Bewusstsein dafür schärfen, wie klein das BKW ist und gleichzeitig wie unverrückbar wichtig es für die Infrastruktur ist. Wichtig ist auch, dass die Politik dies erkennt. Aber die Bezirksregierung ist sich dessen schon bewusst. Außerdem können alle Betriebe etwas dafür tun, in dem sie ausbilden. Leider machen das aber nicht alle. Die Größe der Unternehmen ist nicht immer entscheidend dafür, wie gut ausgebildet wird. Deshalb sind auch die kleineren Firmen aufgefordert, mitzuhelfen. Mehr Auszubildende bedeuten mehr Berufsschüler und nur stabile Schülerzahlen sichern das Berufskolleg.

Landesweit klagen Industrie und Handwerk über sinkende Bewerberzahlen. Wie schaffen Sie es, Ihre Ausbildungsplätze zu besetzen, oder gibt es Problemfelder?

Ja, es gibt Problemfelder. Es gibt Modeberufe, bei denen sind wir davon nicht betroffen: Industriemechaniker oder Industriekaufleute zum Beispiel. Dafür erhalten wir fünfmal mehr Bewerbungen als wir einstellen können. Die bei Jugendlichen weniger gefragten Berufe werden aber auch deshalb ausgebildet, weil es dafür einen Bedarf gibt. Zum Glück nehmen sich auch unsere Haupt- und Realschulen dieses Themas an und stellen auch die weniger populären Berufe vor. Wir als BSW gehen mit Ausbildungsbotschaftern in diese Schulen. Dort stellen heutige Auszubildende als ehemalige Mitschüler den jüngeren auf Augenhöhe ihren Beruf vor. Es muss uns einfach mehr gelingen, auch diese weniger gefragten Berufe in den Fokus zu rücken.

Das gilt aber nicht nur für die Industrie?

© Marcel Krombusch

Nein. Ich sage jungen Menschen auch immer, wenn ihr heute eine fundierte handwerkliche Ausbildung in der Tasche habt, werdet ihr vermutlich auch in Zukunft einen sicheren und gut bezahlten Job haben. Der Bedarf an guten Handwerkern ist schon heute sehr groß.

Neu ist außerdem die Erfahrung, dass es Jugendliche gibt, die schulisch nicht den Anforderungen für eine Berufsausbildung genügen. Inwieweit haben sie vergleichbare Erfahrungen auch schon gemacht?

Das ist nichts Neues. Es gibt immer Menschen, die sind eben nicht für den Nobelpreis gemacht, haben aber andere Fähigkeiten. Das Klischee, dass jeder einen Ausbildung machen muss, geht an der Stelle zu weit.

Was wären solche anderen Fähigkeiten?

Das Thema Sozialkompetenz klingt abgedroschen. Es ist aber wichtig. Es geht dabei nicht allein um Teamfähigkeit, sondern schlicht auch um die guten alten Werte wie Ehrlichkeit, Freundlichkeit, Pünktlichkeit und Fleiß.

Gibt es ein Versäumnis der Schulen?

Nein, Grundrechenarten und Orthografie werden nicht vernachlässig. Aber es gibt immer mehr Einflüsse, die auf die Schüler einwirken, zum Beispiel durch das Smartphone. Das verbraucht Kapazitäten.

Wie groß ist das Einzugsgebiet für Azubis in Wittgenstein und welche Rolle spielt die Verkehrsanbindung?

In vielen Betrieben ist die Einpendlerquote aus dem Siegerland, Hessen oder dem Sauerland deutlich unter zehn Prozent – mit Ausnahmen vom Erndtebrücker Eisenwerk vielleicht, das sehr nah an der Grenze liegt. Aber die Zahl der Auspendler, die Wittgenstein für die Arbeit verlassen, ist größer. Wenn ich die Option habe, heimatnah zu arbeiten, pendle ich nicht. Das ist übrigens auch ökologisch sinnvoller.

Und die Verkehrsanbindung?

Die Verkehrsanbindung ist ein Nachteil. Ich habe bei der Frage einer zügigen Verbesserung ein Stück weit resigniert und denke deshalb, wir sollten nicht versuchen, Leute von woanders nach Wittgenstein zu holen, sondern vordringlich gute Leute in Wittgenstein zu halten.

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