Bad Laasphe. . Der Freundeskreis für christlich-jüdische Zusammenarbeit veranstaltet Stolperstein-Aktion. 47 Juden aus Bad Laasphe wurden deportiert.

  • Am 28. April 1942 werden 47 Juden aus Bad Laasphe deportiert
  • Putz-Aktion soll Bewusstsein für jüdisches Schicksal stärken
  • Fraglich, ob Schüler die Bedeutung ausreichend reflektieren können

Die Messingsteine sind dunkler geworden, die Gravuren blasser. Viel Zeit ist vergangen. Berthold Wagner, seine Ehefrau Irma und Tochter Ellen wurden plötzlich aus ihrem Haus an der Bahnhofstraße 67 getrieben. Sie waren Juden. Für sie ging es über Dortmund nach Zamosc ins besetzte Polen. In einem Vernichtungslager wurden sie schließlich ermordet. „Wie und wo genau lässt sich heute nicht mehr genau rekonstruieren“, sagt Rainer Becker vom Bad Laaspher Freundeskreis für christlich-jüdische Zusammenarbeit. 47 Menschen kamen damals ums Leben, darunter ein nicht mal zweijähriges Kind. Sie wurden am 28. April 1942 deportiert.

Steine werden zum Leben erweckt

An der Bahnhofstraße 67 wohnte Familie Wagner, die 1942 von den Nazis deportiert wurde.
An der Bahnhofstraße 67 wohnte Familie Wagner, die 1942 von den Nazis deportiert wurde. © Britta Prasse

Es ist eine Aktion gegen das Vergessen, um die Erinnerung hochzuhalten: Am Freitagmorgen kamen rund 100 Menschen aus Bad Laasphe, aber auch aus dem benachbarten Hessen und Siegen zusammen, um in Bad Laasphe Stolpersteine zu säubern. Die kleinen Gedenktafeln sind witterungsbedingt verschmutzt worden, die Mahnmale aus Messing auffällig unauffällig geworden. Bahnhofstraße, Schlossstraße, Königstraße, Wallstraße, Bergstraße – die freiwilligen Putzhelfer strömten am Freitagvormittag quer durch das Zentrum der Lahnstadt. Mit Wasser, Stahlwolleschwamm und Edelstahl-Reiniger lassen sie das verblichene Messing wieder glänzen.

Sie geben ihnen ihre Namen wieder

Das Schicksal der Familie Wagner in der Bahnhofstraße 67 steht exemplarisch für den Terror der NS-Diktatur. Die eigene wirtschaftliche Existenz aufgeben zu müssen, weil man den „falschen“ Glauben hatte; Übergriffen ausgesetzt zu sein, weil man jemanden liebte, der den „falschen“ Glauben hatte. Den Menschen seien Würde und Ehre genommen worden, so Becker. In Lagern wurden Menschen zu Nummern degradiert; mit den Stolpersteinen sollen ihnen jetzt ihre Namen wiedergegeben werden.

Steckbriefe schildern ihr Schicksal

Liana Altergott und Florentine Busch (von links) polieren die verblichenen Stolpersteine.
Liana Altergott und Florentine Busch (von links) polieren die verblichenen Stolpersteine. © Britta Prasse

Vier Schulklassen beteiligten sich an der Putzaktion: die beiden Klassen 4 der Grundschule Bad Laasphe sowie die 9 a und 9 b des Gymnasiums Schloss Wittgenstein. „Ich finde es sinnvoll und wichtig, dass sich auch junge Leute an dieser Aktion beteiligen“, so Rainer Becker. Dabei gehe es nicht nur darum, die Stolpersteine wieder zum Glänzen zu bringen. „Ihr bekommt auch eine persönliche Beziehung zu den Menschen, die deportiert und ermordet wurden.“ An jedem Stolperstein wurden deswegen Steckbriefe vorgelesen, die das Schicksal der Juden aus Bad Laasphe porträtierten.

Liana Altergott und Florentine Busch legen zum Schluss je eine weiße Rose auf die gesäuberten Messingtafeln. Die beiden Neuntklässlerinnen kennen die Gräuel des NS-Regimes nur aus dem Geschichtsunterricht. Ob durch die Aktion ein stärkeres Bewusstsein erreicht wurde?

>>> KOMMENTAR: IMMER NOCH SCHULDIG?

Es gibt immer weniger Zeitzeugen, die die Nazi-Diktatur miterleben mussten. Heutzutage kennen die meisten Menschen das dunkle Kapitel nur noch aus dem Geschichtsunterricht oder aus den Erzählungen von Oma und Opa. Was vielleicht tiefer greift – ob bewusst oder unbewusst – ist das deutsche Schuldgefühl. Dass wir nach über 70 Jahren immer noch Nazi-Vergleichen ausgesetzt sind. Dass wir uns deswegen nicht so stolz fühlen dürfen wie andere Länder – obwohl meine Generation in keinster Weise für den NS-Terror verantwortlich gemacht werden kann. Wann wird das aufhören?

Das bedeutet nicht, dass die NS-Thematik unter den Teppich gekehrt werden soll. Es ist und bleibt wichtig, darüber zu informieren, zu berichten, zu erzählen – als Warnung, dass so etwas nie wieder passieren darf, wozu Hass und Fremdenfeindlichkeit führen können. Doch genau diese unreflektierte Haltung fehlt bei einigen Schülern (noch). Für sie ist Geschichte statische Vergangenheit. Statt sie als etwas zu begreifen, woraus man lernen kann.