Bad Laasphe. . Der Freundeskreis christlich-jüdische Zusammenarbeit arbeitet in Bad Laasphe gegen das Vergessen. Beim Festakt wurde es aufwühlend und emotional.
- In einem Festakt gedachten zahlreiche Gäste der Vereinsgründung am 9. November 1991
- Der ehemalige Bürgermeister Otto Düsberg erzählte von einer persönlichen Erinnerung von 1939
- Der Verein gibt vielen Schicksalen, aber nicht allen Opfern, ein Gesicht
70 Jahre nach Kriegsende läuft die Zeit davon. Die Zeit, in der die Menschen noch auf Überlebende des Holocaust treffen können. Die Zeit, in der Täter zur Verantwortung gezogen werden können und in denen Opfer des NS-Terrors ihre Geschichte erzählen können. Die Zeit, in der Menschen um Vergebung bitten können oder in der sie verzeihen können.
Seit 25 Jahren arbeitet der Freundeskreis christlich-jüdische Zusammenarbeit Bad Laasphe gegen das Vergessen und für eine gemeinsame Zukunft von Juden und Christen. In einem Festakt gedachten zahlreiche Gäste am Montagabend der Vereinsgründung am 9. November 1991. Der Vorsitzende Rainer Becker blickte auf die bewegende Geschichte zurück und zeichnete auch die Gründer des Vereins aus.
Gründung des Vereins
Einer davon ist der ehemalige Bad Laaspher Bürgermeister Otto Düsberg, der 1988 den Grundstein für diese Entwicklung legte, indem er die Überlebenden Laaspher Juden und deren Nachkommen zum 50. Jahrestag der Pogromnacht nach Bad Laasphe einlud. Der SPD-Politiker hatte 1988 in der Lokalzeitung nicht nur auf das anstehende 125-jährige Jubiläum seines Turnvereins, oder 100-Jährige der Eisenbahn in Bad Laasphe hingewiesen, sondern auch an den Jahrestag, den „dunkelsten Tag“ der Bad Laaspher Geschichte, erinnert und war dafür angefeindet worden. „Dass unsere Haustür mit Schlamm beworfen wurde, habe ich verschwiegen.“
Düsberg erinnerte in seinen Worten an seine besondere Gefühlswelt damals und erzählte eine ganz persönliche Erinnerung. Die beginnt 1939 mit einem Besuch des jüdischen Viehhändlers Max Gunzenhäuser auf dem Bauernhof von Otto Düsbergs Vater. Der Sozialdemokrat August Düsberg erschien dem Viehhändler als eine letzte Chance. Er wollte ein Rind verkaufen, um von dem Erlös die Flucht seiner Söhne bezahlen zu können. Dem vierjährigen Otto erschienen solche Verhandlungen immer spannend und so hörte er mit seiner Schwester zu. Doch der Handel kam nicht zustande, weil Düsberg wohl kein weiteres Kalb anbinden wollte oder vielleicht auch kein Geld dafür hatte, mutmaßt sein Sohn heute und er erinnert sich noch wie der verzweifelte Gunzenhäuser das Haus mit den Worten verlassen habe: „August, ich werde meinen Fuß nicht mehr über deine Schwelle setzen“.
Nur zehn Minuten später hatte Max Gunzenhäuser erneut angeklopft und die beiden Erwachsenen hatten erneut, diesmal aber für die Kinder nicht hörbar, miteinander gesprochen. Anschließend verließ Gunzenhäuser das Haus mit den Worten „August, bist a guter Mensch.“ Anschließend, so erinnert sich Otto Düsberg freimütig, habe er einen Lappen genommen und die Türklinke abgeputzt. Auf die Frage seiner Eltern warum er dies getan habe, antwortete Düsberg: „Weil das doch ein dreckiger Jude war“. Er habe damals ein Rüffel bekommen, den er nicht verstanden habe.
Verantwortung übernehmen
Max Gunzenhäuser wurde zwei Jahre später deportiert und kam im KZ um. Die Episode ist Otto Düsberg erst wieder 1988 ins Gedächtnis gekommen. Damals stand Max’ Sohn Josef Gunzenhäuser, der den Krieg in den USA überlebt hat, im Haus des Gastes und sprach zu den Bad Laasphern. „Das setzte den im Hirn des Vierjährigen abgespeicherten Film in Gang.“
Die Vorstellung, dass Josef Gunzenhäuser durch den Kauf eines Rindes gerettet worden sein könnte, macht Düsberg nachdenklich, zumal er sich selbst in der Rückschau als Mitläufer sieht, der als Zehnjähriger das Kriegsende noch als Niederlage empfand. Umso wichtiger ist dem Mitbegründer, dass Bad Laaspher Verantwortung übernehmen und das Erinnern wach halten. „Eine Sache ist aber noch nicht erledigt. Das Gotteshaus der Juden muss als Denkmal wieder hergestellt werden. Ich träume davon, das nächste Grußwort in der Synagoge in der Mauerstraße zu sprechen.“
85 Stolpersteine
Neben einem solchen – noch fehlenden Denkmal – erinnern inzwischen 85 Stolpersteine im Pflaster der Stadt an die Schicksale von Menschen, die durch den NS-Terror getötet oder zur Flucht getrieben wurden.
Die Suche nach Daten für diese Stolpersteine hat beim Freundeskreis zu der Idee geführt ein Buch zu schreiben, das an möglichst viele NS-Opfer und eben nicht nur an jüdische erinnern wird. Mit einer am Montag eröffneten Ausstellung im Foyer des Hauses des Gastes, zu der Heinrich Höse vom Freundeskreis den Anstoß gab, kann der Verein bereits vielen Schicksalen, aber eben nicht allen Opfern ein Gesicht geben.
Wie wichtig diese Arbeit ist, das machten auch andere Grußredner deutlich. So betonte Landrat Andreas Müller: „Erinnerung ist eine Form der Begegnung“. Müller hofft, dass das Wachhalten der Erinnerung an Menschen und deren Schicksale die Begegnungen ersetzen kann, wenn die Opfer nicht mehr leben und die Zeit dafür davon gelaufen ist.