Bad Berleburg. . Mit dem Tod von Hans Werner Kocherscheidt verliert Südwestfalen eine herausragende Persönlichkeit. Sein Leben und Wirken haben Vorbildcharakter.
- Nach kurzer schwerer Krankheit ist der Seniorchef der Ejot-Gruppe am Freitag gestorben
- Mit Herzblut hat sich Hans Werner Kocherscheidt um seine Mitarbeiter gekümmert
- Mit der bislang einzigen Ehrenplakette hat die Stadt sein soziales Engagement gewürdigt
Mit dem Tod von Hans Werner Kocherscheidt verliert Südwestfalen eine herausragende Persönlichkeit, deren Leben und ungewöhnliches Engagement Vorbildcharakter für alle Unternehmen haben sollte. Mit Herzblut hat sich der Ejot-Seniorchef um seine Mitarbeiter gekümmert, war an deren Wohlergehen sehr interessiert und hat dafür Wesentliches in der gesamten Ejot-Gruppe geschaffen. Er hat sich um seine Heimat Wittgenstein, um die Wirtschaft und um die Menschen in der Region verdient gemacht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ejot Gruppe trauern um ihren Senior-Chef, der im Alter von 88 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben ist.
Trauerfeier in der Stadtkirche
- Die Trauerfeierlichkeiten für Hans Werner Kocherscheidt finden am Freitag, 21. April, um 13 Uhr in der Evangelischen Stadtkirche Bad Berleburg statt.
- Dort werden Kondolenzbücher ausgelegt, in die sich Trauergäste eintragen können.
- Danach erfolgt die Beisetzung auf dem Friedhof in Berghausen, wo auch der Onkel des Verstorbenen, Adolf Böhl, begraben worden war.
Sein christliches Weltbild und seine strikte Bodenständigkeit haben Kocherscheidt bei nahezu allen betrieblichen Entscheidungen geleitet. „Unsere Mitarbeiter sind unser Kapital. Und deshalb werde ich sie besonders pflegen“, hat er selbst einmal gesagt. Und was er sagte, das setzte er auch konsequent um. Sein Wort galt. Wie kaum ein anderer Chef genoss er das Vertrauen aller Mitarbeiter – vom Rentner zum Azubi, von Wittgenstein über Thüringen bis in die ganze Welt. Nicht wenigen war er väterlicher Ratgeber, Generationen hat er im Beruf mit aufrichtiger Menschlichkeit begleitet.
Die jungen Menschen lagen Hans Werner Kocherscheidt besonders am Herzen. Ihnen eine vernünftige und solide Berufsausbildung zu geben, war Chefsache. Kein Wunder, dass Hans Werner Kocherscheidt zu den Mitbegründern des heutigen Bildungszentrums Wittgenstein (BZW) zählte, dessen Vorsitzender er über etliche Jahre war.
Klare Linie in der Unternehmensphilosophie
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist fester Bestandteil der Unternehmensphilosophie; soziale Sicherheit, die hat der Senior allen Angestellten stets gegeben. Sie konnten immer auf die Verlässlichkeit, auf das Vertrauen und eine von Fürsorgepflicht geprägte Verantwortung ihres Arbeitgebers bauen. Wenn es seinen Leuten und deren Familien gut geht, erst dann war der Senior zufrieden.
Rechtsanwalt und engagierter Rotarier
- Hans Werner Kocherscheidt wurde am 7. Oktober 1928 in Werdohl geboren. Von seinen Eltern wurde er im protestantischen Glauben erzogen. Sein Vater war Lehrer und verstarb bereits sehr früh. Seine Mutter stammte aus Berghausen. Sie war es, die ihm den Besuch der Oberschule für Jungen in Altena ermöglichte, wo er 1949 das Abitur ablegte.
- Danach folgten das Jura-Studium in Mainz und Bonn, die Referendarzeit im Landgerichtsbezirk Siegen und die Zeit als Assessor in Essen. Ende der 1950er Jahre hat sich der Verstorbene als Rechtsanwalt in Berleburg niedergelassen.
- Im Februar 1959 heiratete er seine Frau Gisela.
- Er gehörte vor mehr als 50 Jahren zu den Gründungsmitgliedern des Rotary-Clubs Berleburg-Laasphe. Von Rotary International wurde er mehrfach als Paul-Harris-Fellow geehrt.
Aus diesem sozialen Engagement heraus resultieren die heute noch durchgeführten Treffen für „Ehemalige“, Freizeiten für Mitarbeiter-Kinder oder die überregional relevante Ausbildungsmesse. Und wenn jedes Jahr wieder ein junger Auszubildender besondere Leistungen gezeigt hatte, gehörte der Senior zu den ersten Gratulanten.
Mit großer Kompetenz und einem gewieften unternehmerischen Weitblick hat der Verstorbene aus einem kleinen Schraubenhersteller, aus einer „Nagelbude“, wie Konkurrenten den Ur-Betrieb von Adolf Böhl in Berghausen bezeichneten, einen Global Player geformt, einen Marktführer, der auf einem gesunden, mittelständischen Familienunternehmen basiert – auch ein Ergebnis der konsequenten Auswahl hoch qualifizierten Personals.
Hans Werner Kocherscheidt hatte nicht nur als Unternehmer einen exzellenten Ruf, sondern auch als Rechtsanwalt und Notar. Nicht selten bewahrten seine fundierten, teils schlitzohrigen Plädoyers, einen Angeklagten vor der Gefängniszelle.
Ein gutes Gespür bewiesen
Schon früh erkannte Kocherscheidt die Notwendigkeit, das Unternehmen international aufzustellen. Die ersten internationalen Gesellschaften wurden bereits Anfang der 1980er Jahre gegründet. Heute hat die Gruppe in mehr als 30 Ländern Produktions- und Vertriebsgesellschaften. Nachhaltiges unternehmerisches Handeln bedeutete für den Verstorbenen stets, Gewinne wieder in das Unternehmen zu investieren und nicht aus dem Unternehmen abzuschöpfen.
Weltunternehmen mit Mut und Risikobereitschaft aufgebaut
- Sein kinderloser Onkel Adolf Böhl hinterließ ihm 1960 eine Schraubenfabrik in Berghausen, die „Nagelbude“. Vier Jahre später erwarb Kocherscheidt die Schraubenfabrik Eberhard Jaeger in Laasphe.
- Aus beiden Unternehmen formte er die Ejot-Gruppe mit heute weltweit über 3000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 450 Millionen Euro. Dazu gehörte Mut, Risikobereitschaft und ein Höchstmaß an persönlichem Engagement.
- Als langjähriger Vorsitzender des Industrie- und Forstverbandes Wittgenstein hat sich der Verstorbene schon früh für die Belange und Interessen der heimischen Wirtschaft eingesetzt. Nach dem Zusammenschluss mit dem Verband der Siegerländer Metallindustriellen, den er mit initiiert hat, war er lange stellvertretender Vorsitzender des Verbandes sowie Mitglied des Beirates.
Dieses rasante Wachstum des Unternehmens hat sich nicht nur an betriebswirtschaftlichen Zahlen orientiert, sondern stets auch an den Menschen. Davon zeugt der kontinuierliche Aufbau der Standorte in Wittgenstein ebenso wie in Thüringen. Dort, in Tambach-Dietharz, entwickelte Kocherscheidt den ehemaligen volkseigenen DDR-Betrieb „VEB Schraubenwerk Tambach“ zu einem modernen und leistungsfähigen Unternehmensstandort. Auch dort sind die Menschen dankbar, dass ein verantwortungsvoller Unternehmer gekommen ist, der etwas bewegen wollte und auch bewegt hat.
Weichen für das Familienunternehmen gestellt
Schon früh hat Hans Werner Kocherscheidt die Weichen dafür gestellt, dass die Familie mit seinem Sohn Christian in der Geschäftsführung und seiner Tochter Kathrin im Beirat maßgeblichen Einfluss im Unternehmen behält.
Für ihn bedeutete unternehmerische Tätigkeit immer auch gesellschaftliche Verantwortung. So unterstützte er zahlreiche soziale und kulturelle Projekte in der Region. Dazu zählen der Waldskulpturenweg Wittgenstein-Sauerland, die WeihnachtsZeitreise Bad Berleburg, die Internationale Musikfestwoche auf Schloss Berleburg oder der Umbau des Abenteuerdorfes des Kirchenkreises in Wemlighausen.
Einziger Inhaber der Ehrenplakette in Bad Berleburg
Dieses herausragende Engagement und den nachhaltigen sozialen Einsatz hat die Stadt Bad Berleburg gewürdigt. Zu seinem 80. Geburtstag überreichte Bürgermeister Bernd Fuhrmann nach einstimmigem Ratsbeschluss die Ehrenplakette der Stadt Bad Berleburg an Hans Werner Kocherscheidt. Bis heute ist diese hohe Auszeichnung nicht wieder vergeben worden.